Falschberatung durch Versicherungsvermittler, Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler Beweislast

Die Haftung des Versicherungsmaklers für Falschberatung

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Die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte unterstützt bundesweit im Zusammenhang mit der Haftung des Versicherungsmaklers für Falschberatung. Diese Haftung geht durchaus weit, urteilte der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1985. Im Gegensatz zum Versicherungsvertreter steht der Versicherungsmakler im Lager des Versicherungsnehmers. Er wird daher auch als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter betrachtet. Der Versicherungsmakler schließt dabei mit dem jeweiligen Versicherungsnehmer einen eigenständigen Maklervertrag, aus welchem der Versicherungsmakler auch gegenüber seinen Kunden haftet. Auch zugunsten Dritter kann ein solcher Maklervertrag eine Schutzwirkung entfalten (siehe hierzu Versicherungsmaklervertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter). An den Abschluss eines solchen Maklervertrages sind auch keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Ein solcher Vertrag kann auch bereits durch eine telefonische Kontaktaufnahme gegenüber einem Versicherungsmakler entstehen (vgl. OLG Dresden: Abschluss eines Maklervertrages durch Ausfüllen eines Kontaktformulars und anschließendes Telefonat).

 

Die Pflichten des Versicherungsmaklers

Hinsichtlich der Pflichten des Versicherungsmaklers muss zeitlich zwischen zwei Phasen unterschieden werden, nämlich der Vermittlungsphase und der Betreuungsphase. Insoweit spricht man auch von einer Haftung des Versicherungsmaklers für Beratungsfehler bei Vermittlung des Versicherungsvertrages und nach Vermittlung des Versicherungsvertrages. Auf beide Pflichten soll im Nachfolgenden näher eingegangen werden.

Die Haftung des Versicherungsmaklers für Falschberatung bei der Vermittlung

Der Versicherungsmakler unterliegt der Beratungspflicht nach § 61 Abs.1 S.1 VVG. Er hat also, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, den Versicherungsnehmer nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Dies folgt im Übrigen auch aus seiner Stellung als „Sachwalter“ des Versicherungsnehmers und der Vergleichbarkeit seines Berufes zu „sonstigen Beratern“ wie Rechtsanwälten, Steuerberatern, Notare oder Wirtschaftsprüfern (Zopfs in VersR 86, 747). Nähere Informationen zur Sachwalterstellung des Versicherungsmaklers finden Sie unter BGH: Versicherungsmakler ist treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers („Sachwalterentscheidung“)

Maßstab für eine Falschberatung ist stets der Einzelfall, wobei die Geschäftskenntnisse und die Erfahrungen des Auftraggebers zu berücksichtigen sind. Zunächst muss der Versicherungsmakler die Sachlage und Risikosituation des Versicherungsnehmers umfassend aufklären. Er ist dabei zur eigeninitiativen Bedarfsermittlung (siehe hierzu auch OLG Schleswig: Pflicht des Versicherungsmaklers zur eigeninitiativen Bedarfsermittlung) und auch zur Prüfung des zu versichernden Objektes verpflichtet (für nähere Informationen siehe Objektprüfungspflicht des Versicherungsmaklers). Anschließend muss er nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen feststellen, welche Deckung für den Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Situation und seiner Bedürfnisse am zweckmäßigsten erscheint. Er hatte also den objektiven Versicherungsbedarf festzustellen (Werber in VersR 92, 917, 921).

Anschließend hat der Versicherungsmakler den Versicherungsnehmer zu beraten und über die mögliche Absicherung des zu versichernden Risikos aufzuklären (Benkel/Reusch in VersR 92, 1302, 1307). Der Versicherungsmakler muss den Versicherungsnehmer insbesondere über alle Umstände aufklären und beraten, die für seine Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sein können. Besondere Aufklärungspflichten gelten dabei bei der Beratung bzgl. des Wechsels eines bereits bestehenden Versicherungsschutzes (für die Lebensversicherung siehe Beratungspflichten des Versicherungsmaklers bei Umdeckung einer Lebensversicherung; für die Berufsunfähigkeitsversicherung siehe Haftung für die Umdeckung einer Berufsunfähigkeitsversicherung). Anschließend hat der Versicherungsmakler dem Versicherungsnehmer aufgrund einer objektiven Markt-, Angebots- und Anbieteranalyse im Hinblick auf das Leistungsangebot und die Prämienhöhe den bestmöglichen Versicherungsschutz zu empfehlen (Zierke in MDR 89, 780, 781).

Aufgrund des Maklervertrages trifft den Versicherungsmakler auch eine Pflicht zur unverzüglichen Eindeckung des zu versichernden Risikos (Tätigkeitspflicht). Er ist also verpflichtet, für die tatsächliche Absicherung des zu versichernden Risikos zu sorgen (vgl. BGH VersR 71, 714). Das tatsächliche Zustandekommen des Versicherungsvertrages hat er auch zu überwachen (siehe hierzu Haftung des Versicherungsmaklers wegen Nichtzustandekommen des Versicherungsvertrages). Auch kann der Versicherungsmakler verpflichtet sein, auf eine schlechte Bonität des Versicherers vorab hinzuweisen (vgl. auch OLG Saarbrücken: Haftung des Versicherungsmaklers für Bonität des Versicherers).

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Die Haftung des Versicherungsmaklers für Falschberatung nach der Vermittlung

Fraglich ist, welche Pflichten den Versicherungsmakler nach der Vermittlung des Versicherungsvertrages treffen. Dabei ist sowohl Inhalt als auch Umfang einer weiteren Betreuungspflicht umstritten. Hintergrund ist, dass es für den Versicherungsmakler an einer vergleichbaren Regelung des § 6 Abs.4 VVG mangelt.

Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass eine Betreuungspflicht des Versicherungsmaklers nur besteht, nachdem dies ausdrücklich zwischen dem Versicherungsmakler und dem Versicherungsnehmer vereinbart worden ist (OLG Frankfurt/M Urteil vom 05.07.2006 – Az.: 7 U 68/05 – abgedr. in VersR 06, 1546). Dies ist jedoch nicht zutreffend und die überwiegende Mehrheit in der Literatur (Spielberger in VersR 84, 1013, 1014; Zinnert in VersR 07, 689, 670) und Rechtsprechung (BGH VersR 85, 930) gehen neben der Pflicht zur Unterstützung im Schadensfall (Prölss/Martin: VVG – Kommentar, 27. Auflage, Nach § 48, Rn.5) auch von einer Beratungspflicht des Versicherungsmaklers während der Dauer des Versicherungsvertrages aus. Allerdings besteht diese Betreuungspflicht nur anlassbezogen (siehe hierzu auch OLG Frankfurt: Keine Haftung des Versicherungsmaklers für Unterversicherung durch nachträgliche Anschaffungen). Auch eine Pflicht zur Führung eines Jahresgespräches besteht nicht (siehe hierzu OLG Hamburg: Versicherungsmakler trifft keine Pflicht zum Jahresgespräch). Folgende Fallgruppen sind zu beachten:

 

Änderung der Rechtslage

Zunächst besteht eine Beratungspflicht des Versicherungsmaklers, wenn sich die Rechtslage ändert und sich dadurch ein Anpassungsbedarfs des Versicherungsschutzes ergibt (OLG Hamm MedR 97, 463). Danach ist der Versicherungsmakler verpflichtet die Rechtslage fortlaufend zu begutachten und den Versicherungsnehmer über für ihn relevante Änderungen zu informieren. Anschließend ist eine Anpassung des Versicherungsschutzes vorzunehmen.

Änderung der Marktverhältnisse

Weiter ist der Versicherungsmakler verpflichtet die Marktverhältnisse zu beobachten und den Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers anzupassen (Benkel/Reusch in VersR 92, 1302, 1311). Er hatte hierzu den Versicherungsnehmer über die mögliche Erweiterung und Verbesserung seines Versicherungsschutzes zu informieren und ihn dann anzupassen.

Änderung der persönlichen Umstände

Auch hat der Versicherungsmakler den Versicherungsnehmer bei einer Änderung der persönlichen Umstände des Versicherungsnehmers zu beraten (Zinnert in VersR 07, 689). Erhält der Versicherungsmakler von einer Änderung der persönlichen Umstände Kenntnis, so hat der Versicherungsmakler den Versicherungsnehmer von sich aus zu beraten und eine Anpassung des Versicherungsschutzes vorzunehmen. Durch bloßen Smalltalk dürfte aber noch kein Beratungsanlass entstehen (vgl. LG Köln: Beratungspflicht durch Smalltalk über die Gesundheit?).

Haftungsfolgen der Falschberatung

Kommt es zu einer Falschberatung und entsteht dem Versicherungsnehmer hierdurch ein Schaden, so hat der Versicherungsnehmer  einen Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsmakler. Bezüglich der Schadenshöhe kann der Versicherte verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er den erforderlichen Versicherungsschutz erhalten. Der BGH macht sich damit der bislang in der Literatur von vielen vertretenen Ansicht der „Quasideckung“ zu eigen (siehe hierzu Quasideckung: So ermittelt der BGH den Schaden des Versicherten bei einer Pflichtverletzung des Versicherungsvermittlers).

Der Versicherungsmakler haftete dabei mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes (BGH VersR 71, 714, 715; OLG Bremen VersR 70, 853, 854). Dabei wird vermutet, dass sich der Versicherungsnehmer bei richtiger Beratung objektiv sachgerecht verhalten hätte (BGH VersR 92, 1001, 1003).

Beweislast

Grundsätzlich ist der Versicherungsnehmer in einem Schadensersatzprozess darlegungs- und beweislastpflichtig. Er hat daher die Falschberatung des Versicherungsmaklers vorzutragen und auch zu beweisen. Dabei können ihm jedoch Beweiserleichterungen zu Gute kommen. Insbesondere, wenn der Versicherungsmakler keine Beratungsdokumentation vorlegen kann, dreht sich die Beweislastverteilung und der Versicherungsmakler ist dann beweisbelastet (siehe BGH: Umkehr der Beweislast bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation). Ebenso verhält es sich, wenn die Beratungsdokumentation über wesentliche Punkte der Beratung keine Angaben enthält (vgl. OLG Saarbrücken Urteil vom 26.02.2014 – Az.: 5 U 64/13 – VersR2015, 1248 ff.)

Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung

Folgende Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung sind oftmals in der Praxis anzutreffen:

Haftungsbegrenzung durch Verzichtserklärung

Der Versicherungsnehmer kann nach § 61 Abs.2 VVG durch gesonderte schriftliche Erklärung auf die Beratung verzichten. Dies setzt eine Belehrung über die durch den Verzicht entstehenden Nachteile voraus und lässt die Beratungspflicht des Versicherungsmaklers erlöschen. Nach der Gesetzesbegründung sollte von dieser Regelung nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden.

Haftungsbegrenzung durch Anbietereinschränkung

Nach § 60Abs.1 VVG besteht die Möglichkeit die Haftung des Versicherungsmaklers durch eine Einschränkung der berücksichtigten Versicherer zu begrenzen. Der Versicherungsmakler kann seine Markt- und Informationsgrundlage dabei nicht nur auf eine bestimmte Gruppe von Versicherern (z.B. nationale Versicherer, keine Direktversicherer) beschränken, sondern kann seine Auswahl sogar auf einzelne Versicherer beschränken. Dies ist jedoch nur im Einzelfall möglich. Oftmals sind daher entsprechende Klauseln in Maklerverträgen durchaus kritisch zu sehen (vgl. Ausschluss von Direktversicherer von der Marktgrundlage (LG Konstanz)).

Haftungsbegrenzung durch Maklervertrag

Im Rahmen des Maklervertrages können die einzelnen Beratungspflichten bei und nach Vermittlung des Versicherungsvertrages nicht ausgeschlossen werden. Ausgehend vom grundsätzlichen Bestehen einer während der Laufzeit des Versicherungsvertrages bestehenden Betreuungspflicht stellt sich die Frage, inwieweit solche Pflichten des Versicherungsmaklers durch den Maklervertrag ausgeschlossen oder eingegrenzt werden können. Durch individualvertragliche Abrede zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsnehmer ist dies grundsätzlich möglich (Benkel/Reusch in VersR 92, 1302, 1310). Fraglich ist weiter, ob auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen des Versicherungsmaklers ein Ausschluss der Betreuungspflichten möglich ist.

Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass ein Ausschluss der Betreuungspflicht wirksam in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versicherungsmaklers vereinbart werden könnte. Nach dieser Ansicht kann die Haftung des Versicherungsmaklers durch Abbedingung der Betreuungspflichten erheblich verringert werden (LG Offenburg Urteil vom 20.04.2004 – Az.: 1 S 15/03 – abgedr. 2005, 646, 647). Nach richtiger Ansicht sind Klauseln in Versicherungsmaklerverträgen, welche die Beratungs- und Betreuungspflichten des Versicherungsmaklers generell ausschließen, wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs.1, Abs.2 Nr. 2 BGB unwirksam (BGH Urteil vom 20.01.2005 – Az.: III ZR 251/04 – abgedr. VersR 2005, 406). Hierfür spricht die Zahlung der Bestandscourtage (so Spielberger in VersR 84, 1013, 1014) und der Umstand, dass der Maklervertrag ein Dauerschuldverhältnis ist. Die Betreuungspflicht stellt daher eine Kardinalpflicht des Versicherungsmaklers dar (Werber in VersR 2007, 1153, 1158).

Fraglich ist auch, ob die Haftung des Versicherungsmaklers zumindest durch vertragliche Regelungen zur Haftungshöhe oder zur Verschuldensart begrenzt werden kann. Nach zutreffender Ansicht ist eine Haftungsbegrenzung für eine Verletzung der Beratungs- und Dokumentationspflichten jedoch nicht möglich ist. Dies gilt sowohl für Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versicherungsmaklers als auch mit dem Versicherungsnehmer vereinbarte Individualregelungen zur Haftungsbegrenzung. Gemäß §§ 63, 61 Abs.1 S.1 VVG haftet der Makler für jedwedes Verschulden. Kommt es zu einer Falschberatung, so haftet der Versicherungsmakler also für Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit. Von dieser strengen Haftung des Vermittlers kann nach § 67 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Deshalb wäre eine vertraglich vereinbarte Haftungsbegrenzung (z.B. Ausschluss leicht fahrlässiger Pflichtverletzungen) unwirksam.

Anders ist es jedoch für die Haftung wegen Verletzung der Betreuungspflicht. Durch individuelle Vereinbarung ist dies möglich, da die Betreuungspflicht nicht explizit in § 61 VVG geregelt ist. Deshalb greift auch nicht die Vorschrift des § 67 VVG ein. Die Wirksamkeit einer Klausel zur Begrenzung der Haftung aus einer Verletzung der Betreuungspflichten richtet sich daher nach §§ 307 ff. BGB. Nach § 309 Nr.7 b BGB kann danach die Haftung für grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsmaklers nicht ausgeschlossen werden. Folglich kann in AGB’s nur die Haftung für leicht fahrlässig begangene Pflichtverletzungen ausgeschlossen werden (Benkel/Reusch in VersR 92, 1302, 1318).

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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