Die Kanzlei Jöhnke & Reichow begleitet ein Verfahren vor dem LG Bamberg (Az.: 43 O 276/18), in welchem der Versicherungsmakler zum Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Vermittlung einer Grundfähigkeitsversicherung verurteilt wurde.
Eine Versicherungsnehmerin wandte sich an einen Versicherungsmakler, damit dieser ihre bestehenden Versicherungen überprüft. Hierfür übergab sie einen Versicherungsordner mit den bestehenden Versicherungen.
Der Versicherungsmakler empfahl verschiedene Versicherungsverträge zu kündigen, da es günstigere und leistungsstärkere Optionen gäbe. Im Anschluss kam es dann zur Kündigung einzelner Versicherungsverträge und dem Abschluss anderweitigen Versicherungsschutzes. Weiter kam es auch zur Kündigung einer Berufsunfähigkeitsversicherung und zum Abschluss einer Grundfähigkeitsversicherung.
Einige Zeit später behauptete die Versicherungsnehmerin, sie sei aufgrund psychischer Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage ihre berufliche Tätigkeit auszuüben. Der Verlust einer „Grundfähigkeit“ lag jedoch nicht. Sie begehrte sodann gegenüber dem Versicherungsmakler Schadensersatz und behauptete, ihr sei der Unterschied zwischen einer Berufsunfähigkeitsversicherung und einer Grundfähigkeitsversicherung nicht hinreichend erklärt worden. In Kenntnis der Unterschiede hätte sie den bisherigen Versicherungsschutz ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht aufgegeben.
Im Rahmen des Gerichtsverfahrens forderte die Versicherungsnehmerin vor dem LG Bamberg vom Versicherungsmakler Schadensersatz in Höhe der ursprünglich abgesicherten BU-Renten. Der Versicherungsmakler wehrte sich dabei mit der Begründung gegen die Inanspruchnahme, die Versicherungsnehmerin sei von Anfang an zu einer Beendigung der Berufsunfähigkeitsversicherung entschlossen gewesen und außerdem sei sie auch hinreichend über die Unterschiede zwischen einer Berufsunfähigkeitsversicherung und einer Grundfähigkeitsversicherung aufgeklärt gewesen. Außerdem bestritt der Versicherungsmakler, dass die Versicherungsnehmerin überhaupt berufsunfähig sei.
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Das LG Bamberg hat mit Urteil vom 20.09.2021 entschieden, dass der Versicherungsmakler der Versicherungsnehmerin Schadensersatz schuldet. Nach Ansicht des Gerichts hat der Versicherungsmakler seine Beratungspflicht erheblich verletzt.
Das LG Bamberg verdeutlich, dass bei einem Versicherungswechsel die Beratungspflichten sehr weit gehen (siehe auch BGH: Beratungspflichten des Versicherungsmaklers bei Umdeckung einer Lebensversicherung, OLG Saarbrücken: Haftung des Versicherungsvertreter bei Umdeckung einer Berufsunfähigkeitsversicherung). Dies gilt insbesondere, wenn unter die Kündigung des bisherigen Versicherungsvertrages der betreffende Versicherungsschutz in einem existentiell bedeutsamen Bereich fällt. Ein Versicherungsvermittler hat zu beachten, dass der Versicherungsnehmer in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung in Kauf nehmen will.
Zudem seien die Vorerkrankungen der Versicherungsnehmerin bereits bei Abschluss der Grundfähigkeitsversicherung so gravierend gewesen, dass sie den Neuabschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu gleichen Konditionen verhindert hätten. Bei wahrheitsgemäßer Angabe der anzeigepflichtigen Vorerkrankungen und Behandlungen wäre davon auszugehen gewesen, dass ein Versicherer eine Berufsunfähigkeitsversicherung nur noch schließen würde, wenn bezüglich der Vorerkrankungen ein Ausschlusstatbestand vereinbart werden würde. Eine ordnungsgemäße Beratung hätte in diesem Fall eine Kündigung gar nicht erst thematisiert, weil mit der Kündigung offensichtlich das Entstehen einer massiven Deckungslücke verbunden ist. Diese würden einerseits durch eine Grundfähigkeitsversicherung ersichtlich nicht kompensiert werden können und anderseits bei Fortbestehen der Erkrankungen mit hoher Wahrscheinlichkeit sich diese Deckungslücke auch realisieren. Vielmehr hätte der Versicherungsmakler bei der Ansprache der Kündigung der alten Verträge, sollte dies durch die Versicherungsnehmerin geschehen sein, explizit davon abraten müssen. Darüber hinaus wäre es erforderlich gewesen die Gefahren einer Kündigung bzw. eines Versicherungswechsels deutlich ihr vor Augen zu führen.
Außerdem gelang es der Versicherungsnehmerin im Rahmen des Prozesses darzulegen, dass sie zumindest für einen Teil des fraglichen Zeitraums berufsunfähig war. Sie konnte daher verlangen, so gestellt zu werden, wie sie bei Fortbestand ihrer ursprünglichen Berufsunfähigkeitsversicherung gestanden hätte (siehe hierzu Quasideckung: So ermittelt der BGH den Schaden des Versicherten bei einer Pflichtverletzung des Versicherungsvermittlers). Daher konnte sie vom Versicherungsmakler die Zahlung von Berufsunfähigkeitsrenten in derselben Höhe wie in ihrer ursprünglichen Berufsunfähigkeitsversicherung verlangen.
Das Urteil zeigt nochmals deutlich die Unterschiede zwischen einer Berufsunfähigkeitsversicherung und einer Grundfähigkeitsversicherung. Diese Unterschiede sind für einen versicherungstechnischen Laien oft nur schwer zu durchschauen. Der Versicherungsmakler als treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers (siehe unter BGH: Versicherungsmakler ist treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers („Sachwalterentscheidung“)) hat daher besonders in der Beratung auf die richtige Darstellung der entsprechenden Unterschiede beider Versicherungen zu achten. Diese Beratungsanforderungen sollten dabei nicht unterschätzt werden, wie das Urteil des LG Bamberg zeigt.
Weiter Informationen und Rechtsprechungen finden Sie unter Die Haftung des Versicherungsmaklers und unter Die Haftung des Versicherungsvertreters
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
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