In der Unfallversicherung wird oftmals eine Progression vereinbart. Was genau unter einer Progression zu verstehen ist und wie sie sich auf die Berechnung der Versicherungsleistung auswirkt soll im folgenden Artikel erläutert werden.
Die Höhe der Invaliditätsleistung bemisst sich in der Unfallversicherung grundsätzlich nach der Versicherungssumme. Je nach konkretem Invaliditätsgrad erhält der Versicherte einen entsprechenden Prozentsatz der Versicherungssumme als Invaliditätsleistung. Um dem Versicherungsnehmer im Falle schwerer Verletzungen einem umfassenden Schutz gewähren zu können, bieten viele Unfallversicherer eine progressiv gestaffelte Invaliditätsleistung (Progression) an. Diese gilt jedoch nicht generell, sondern muss ausdrücklich vereinbart werden.
Häufig bestimmt die Progression, dass sich ab einem gewissen Grad der Invalidität die darüber liegende Invalidität verdoppelt, verdreifacht oder teilweise sogar verzehnfacht. Die Versicherungsleistung steigt also mit steigendem Invaliditätsgrad überproportional an. Dies soll dem Umstand Rechnung tragen, dass auch der finanzielle Absicherungsbedarf mit der Schwere der Unfallfolgen oftmals überproportional wächst. Ist eine Progression vereinbart, enthalten die Versicherungsbedingungen oftmals eine Übersicht, aus der die jeweilige Erhöhungen des entsprechenden Invaliditätsgrades abgelesen werden können.
Zunächst ist zur Berechnung der Invaliditätsleistung bei einer Teilinvalidität nicht die für den Fall einer Vollinvalidität angegebene Höchstsumme, sondern die im Versicherungsschein ausgewiesene Invaliditätssumme zugrunde zu legen (siehe hierzu auch Berechnung der Invaliditätsleistung bei Teilinvalidität (OLG Brandenburg)). Des Weiteren sind bei der konkreten Berechnung der Versicherungsleistung die allgemeinen mathematischen Grundsätze von auf- und Abrundung bis zum nächsten vollen Invaliditätspunkt zu beachten (siehe hierzu auch Die Erstbemessung des Invaliditätsgrades (BGH)).
Die Unfallfolgen könnten mit einer bestehenden Vorinvalidität oder Krankheiten und Gebrechen zusammentreffen. Ist eine Progression vereinbart, so hat dies Konsequenzen für die Bestimmung des Invaliditätsgrades.
Eine vor dem Unfall bestehende Funktionseinschränkung wird dergestalt berücksichtigt, dass zunächst der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert wird und erst im Anschluss der verbleibende Invaliditätsgrad in der Progression berücksichtigt wird (siehe auch Auswirkungen einer Vorinvalidität für die Invaliditätsleistung (BGH)). Eine Vorinvalidität ist gegeben, wenn ein vor dem Unfall betroffenes Körperteil oder ein Sinnesorgan bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt war. Eine solche Minderung ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn genau die durch den Unfall beeinträchtigten Körperfunktionen bereits vorher beeinträchtigt waren, so dass Dauerschäden – die sich auf andere, nicht vom Unfall betroffene Funktionen beziehen – außer Betracht bleiben (siehe auch Vorinvalidität durch das Tragen einer Brille (OLG Düsseldorf)). Der Grad der Vorinvalidität wird wiederum auf Grundlage der Gliedertaxe, bzw. durch eine Gesamtbeurteilung ermittelt (siehe auch: Die Gliedertaxe in der Unfallversicherung).
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Darüber hinaus ist bei einer Mitwirkung von bestehenden Krankheiten oder Gebrechen der entsprechend mitwirkende Anteil zu kürzen (siehe hierzu auch Berücksichtigung von mitwirkenden Krankheiten beim Invaliditätsgrad (OLG Saarbrücken)und Mitwirkung von Vorerkrankungen in der Unfallversicherung (OLG Karlsruhe)). Eine Krankheit in diesem Sinne liegt vor, wenn ein regelwidriger Zustand besteht, der ärztlicher Behandlung bedarf. Ein Gebrechen wird als dauernder abnormer Gesundheitszustand definiert, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulässt (BGH, Urt. v. 19.12.2012 – IV ZR 200/10). Maßstab dafür, ob ein regelwidriger Körperzustand vorliegt, ist der altersbedingte Normalzustand. Dementsprechend sind altersbedingte Veränderungen des Körpers – auch in Form von Abnutzungen und Verschleißerscheinungen – weder als Krankheut noch als Gebrechen anzusehen (siehe hierzu auch Krankheit, Gebrechen oder altersbedingter Verschleiß? (OLG Saarbrücken)).
Eine Mitwirkung der Krankheiten und Gebrechen liegt vor, wenn diese im Zusammenhang mit dem Unfallereignis die Gesundheitsbeschädigung oder deren Folgen ausgelöst oder jedenfalls beeinflusst haben (siehe hierzu Mitwirkende Vorschädigung der Wirbelsäule (OLG Schleswig)). Krankheiten und Gebrechen sind in der Unfallversicherung auch dann anspruchsmindernd zu berücksichtigen, wenn sie ihrerseits auf Unfällen beruhen (siehe hierzu Minderung der Invaliditätsleistung wegen vorherigem Kreuzbandriss (BGH)). Beträgt der Mitwirkungsanteil jedoch weniger als 25%, so unterbleibt die Minderung (= Mindestmitwirkungsanteil). Diese Regelung dient dem Interesse des Versicherungsnehmers am Erhalt einer Versicherungsleistung. Ob eine Mitwirkung überhaupt vorliegt und ob diese über 25% beträgt, hat der Versicherer zu beweisen (siehe hierzu Beweis für die Mitwirkung von Krankheiten bei Invalidität (BGH))
Es wird also zunächst die Gesamtinvalidität festgestellt, von welcher der Grad der Vorinvalidität und der Mitwirkungsanteil abgezogen wird. Hierbei ist ein kumulativer Abzug möglich (siehe hierzu Kumulativer Abzug von Vorinvalidität und Mitwirkungsanteil (BGH)).
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Kommt es zu zwei Unfällen, in denen der Versicherungsnehmer jeweils einen Dauerschaden am rechten Bein erleidet, so ist für die Invaliditätsleistung zu dem späteren Unfall lediglich der durch diesen Unfall herbeigeführte Invaliditätsgrad entscheidend. Insbesondere scheidet eine Zusammenrechnung oder sonstige übergreifende Betrachtung beider Unfälle für die progressive Invaliditätsstaffel aus (siehe auch Auswirkungen einer Vorinvalidität für die Invaliditätsleistung (BGH)).
Erleidet der Versicherungsnehmer einen Unfall, bei dem es zu schweren Folgen kommt, könnte sich die Versicherungssumme bei Erreichen eines hohen Invaliditätsgrades vervielfachen. Allerdings ist die Berechnung der Invaliditätsleistung durchaus nicht immer einfach möglich. In Zweifelsfällen kann es sich daher durchaus anbieten, einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Einzelfalles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Einen weiterführenden Beitrag zu diesem Thema finden Sie unter Unfallversicherung.
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