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Mitwirkung von Vorerkrankungen in der Unfallversicherung (OLG Karlsruhe)

Das OLG Karlsruhe hatte sich mit Urteil vom 03.04.2014 (Az.: 9 U 123/13) mit der Mitwirkung von Vorerkrankungen in der Unfallversicherung zu befassen.

Verweigerung der Leistung aus einer Unfalltod-Zusatzversicherung

Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Lebensversicherung, bei der eine Unfalltod-Zusatzversicherung mit einer Versicherungssumme von 52.000 Euro eingeschlossen war. Für diese sollten die Bedingungen für die Unfalltot-Zusatzversicherung des Versicherers gelten. § 4 enthielt folgende Regelung:

„Haben zur Herbeiführung des Todes neben dem Unfall Krankheiten oder Gebrechen zu mindestens 25 Prozent mitgewirkt, vermindert sich unsere Leistung entsprechend dem Anteil der Mitwirkung.“

Bei einem häuslichen Sturz erlitt der Versicherungsnehmer einen Bruch des linken Oberschenkelknochens und wurde operiert. In den folgenden Wochen befand er sich nach mehrfachen Verlegungen stationär in verschiedenen Krankenhäusern. Es entwickelten sich Dekubitus-Geschwüre im Bereich der linken Ferse und des linken Unterschenkels. Diese führten zu einer Unterschenkelamputation, und in der Folgezeit zu einer Sepsis, an welcher der Versicherungsnehmer verstarb.

Die Tochter des Versicherten, welche nach den vertraglichen Vereinbarungen der Unfallversicherung bezugsberechtigt war, verlangte in der Folge vom Versicherer die versicherten Leistungen aus der Unfalltod-Zusatzversicherung. Dieser lehnte die Leistung unter Verweis darauf ab, dass der Tod des Versicherten allein durch unfallunabhängige Vorerkrankungen (Niereninsuffizienz und arterielle Verschlusskrankheit) verursacht worden sei.

Das Landgericht Waldshut-Tiengen hat der Tochter des Versicherungsnehmers lediglich die Hälfte der begehrten Versicherungssumme nebst Zinsen zugesprochen, da Vorerkrankungen den Tod des Versicherten mitverursacht hätten.  Mit ihrer Berufung verlangt die Tochter nun den Restbetrag der Versicherungssumme.

Keine Kürzung der Versicherungsleistung wegen Mitwirkung von Vorerkrankungen

Das OLG Karlsruhe kam zu dem Ergebnis, dass der Tochter des Versicherungsnehmers ein Anspruch auf Auszahlung der vollen Versicherungssumme aus der Unfalltod-Zusatzversicherung zustehe. Das Landgericht habe zunächst zutreffend festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Leistung aus der Unfalltod-Zusatzversicherung vorliegen. Die Tochter des Versicherten sei als Bezugsberechtigte zur Geltendmachung der Versicherungsleistung aktivlegitimiert. Ihr Vater habe auch einen Unfall im Sinne der Bedingungen erlitten, der den Krankenhausaufenthalt erforderlich gemacht habe. Er sei auch an den Folgen des Unfalls verstorben, denn die Dekubitus-Geschwüre und die letztlich tödliche Sepsis wären ohne den – durch den Unfall verursachten – Krankenhausaufenthalt nicht eingetreten.

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Vollbeweis über Mitwirkung durch Vorerkrankung erforderlich

Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen für eine Kürzung der Leistung wegen einer mitwirkenden Verursachung durch Vorerkrankungen gemäß § 4 der Bedingungen nicht vor. Denn eine mitwirkende Verursachung durch Vorerkrankungen könne nur dann berücksichtigt werden, wenn deren Ursächlichkeit für den Tod nachgewiesen werde. Dabei sei insbesondere ein Vollbeweis erforderlich. Es reiche nicht aus, wenn eine Mitverursachung durch Vorerkrankung lediglich plausibel oder wahrscheinlich erscheint.

Erforderlicher Nachweis nicht erbracht

Nach Ansicht des OLG Karlsruhe war dem Versicherer der Beweis nicht gelungen, dass Vorerkrankungen mitursächlich für den Tod des Versicherten waren. Der Versicherte habe zwar an Niereninsuffizienz gelitten und es haben weitere Vorerkrankungen, insbesondere eine arterielle Verschlusskrankheit bestanden. Es möge zudem plausibel erscheinen, dass diese Vorerkrankungen zum Tod des Versicherungsnehmers beigetragen haben. Ein – für die Anwendung von § 4 der Bedingungen erforderlicher – Nachweis sei damit jedoch nicht geführt. Es lasse sich nämlich zumindest nicht ausschließen, dass im Krankenhaus entstandene Druckgeschwüre mit anschließender Sepsis auch ohne die Vorerkrankungen zum Tod des Versicherten geführt hätten. Dies ergebe sich aus einer Stellungnahme des Sachverständigen. Aus dieser gehe hervor, dass ein gleichartiger Verlauf – Entwicklung eines Dekubitus-Geschwürs im Krankenhaus mit später tödlicher Sepsis – mit einer geringen Wahrscheinlichkeit auch bei einem gesunden 75-jährigen Menschen in altersentsprechendem Zustand möglich sei.

Der Sachverständige halte es zwar für möglich oder wahrscheinlich, dass die arterielle Verschlusskrankheit für das Auftreten der Druckgeschwüre – bzw. für die weitere Entwicklung dieser Druckgeschwüre – mitursächlich gewesen sei. Eine eindeutige Feststellung hierzu sei jedoch nachträglich nicht mehr möglich. Es sei zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Verursachung der Dekubitus-Geschwüre auch ohne Vorerkrankungen bei dem 75-jährigen Versicherungsnehmer nicht wesentlich anders verlaufen wäre.

Im Ergebnis entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe daher zu Gunsten der Tochter des verstorbenen Versicherungsnehmers. Ihr stehe die volle Versicherungssumme zu.

Fazit

Eine Mitwirkung von Vorerkrankungen beim Unfalltod kann die Leistungspflicht des Versicherers entfallen lassen. Allerdings muss die Mitwirkung von Vorerkrankungen beim Unfalltod nicht bloß plausibel oder naheliegend gewesen sein, sondern vom Versicherer beweisen werden. An den Nachweis der Mitwirkung von Vorerkrankungen für den Unfalltod sich dabei nicht geringe Anforderungen zu stellen, wie das Urteil des OLG Karlsruhe zeigt. Gelingt dem Versicherer ein entsprechender Nachweis nicht, so kann die vollständige Leistung aus der Unfallversicherung verlangt werden.

Es kann daher durchaus sinnvoll sein, auch nach einer Leistungsablehnung der Unfallversicherung einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Einzelfalles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie auch unter: Unfallversicherung

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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