Der BGH entschied mit Beschluss vom 08.07.2009 (Az.: IV ZR 216/07) über die Frage der Minderung der Invaliditätsleistung wegen einem vorherigen Kreuzbandriss des Versicherten.
Der Versicherungsnehmer unterhielt beim Versicherer eine private Unfallversicherung. Am 01.07.2000 erlitt er einen unfallbedingten Kreuzbandriss im linken Knie. Diese Verletzung führte seinerzeit jedoch nicht zu einer Invaliditätsfeststellung.
Im August 2003 beantragte der Versicherte bei demselben Versicherer den Abschluss einer neuen Unfallversicherung. Am 20.04.2004 erlitt der Versicherungsnehmer einen weiteren Unfall, bei dem er erneut erheblich am linken Kniegelenk verletzt wurde. Daraufhin zahlte der Versicherer für die Folgen dieses Unfalls eine Entschädigung und zog dabei einen Betrag von 3.150 Euro ab, weil nach Stellungnahme des behandelnden Arztes der frühere Kreuzbandriss zu 25% an der Invalidität mitgewirkt habe. Der Versicherer beruft sich insoweit auf folgenden Passus der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen:
„Als Unfallversicherer leisten wir für Unfallfolgen. Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, mindert sich im Falle einer Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrads … entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens. Beträgt der Mitwirkungsanteil weniger als 25%, unterbleibt jedoch die Minderung.”
Mit diesem Abzug war der Versicherungsnehmer nicht einverstanden. Er ist insbesondere der Ansicht, dass nur solche Vorschäden berücksichtigt werden dürfen, die nicht durch eine Verwirklichung von versicherten Risiken während der Vertragsdauer eingetreten sind.
Der BGH stellte fest, dass der Versicherer berechtigt war, den Invaliditätsgrades entsprechend dem Anteil der Vorschädigung durch den früheren Kreuzbandriss zu mindern. Denn dieser sei als Gebrechen im Sinne der Versicherungsbedingungen einzustufen.
Eine Krankheit liege vor, wenn ein regelwidriger Körperzustand besteht, der ärztlicher Behandlung bedarf. Ein Gebrechen werde hingegen als dauernder abnormer Gesundheitszustand definiert, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulässt. Demgegenüber seien Zustände, die noch im Rahmen der medizinischen Norm liegen, selbst dann keine Gebrechen, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten.
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Der Versicherte habe versucht, dem erlittenen Kreuzbandriss die Qualität einer mitwirkenden Vorschädigung abzusprechen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sei der Kreuzbandriss jedoch selbst dann, wenn er nicht ständiger ärztlicher Behandlung bedurfte und dem Versicherten keine weiteren Beschwerden verursachte, als Gebrechen einzustufen. Nach einer Stellungnahme des behandelnden Arztes habe der Kreuzbandriss nämlich an der Instabilität und Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks mitgewirkt. Demnach habe der Kreuzbandriss nicht nur zu einer erhöhten Schadensanfälligkeit geführt. Vielmehr sei in einer früher erlittenen Körperverletzung, die auch ohne zwischenzeitliche Beschwerden zur Verstärkung der gesundheitlichen Folgen eines späteren Unfalls beigetragen hat, ein Gebrechen zu sehen.
Hiervon sei auch der Versicherungsnehmer selbst ausgegangen. Er habe die Anrechnung der Vorschädigung lediglich deshalb beanstandet, weil er den ersten Unfall zu einem Zeitpunkt erlitt, als er bereits über Versicherungsschutz verfügte.
Es sei indes unerheblich, ob sich der frühere Unfall während der Laufzeit desselben Versicherungsvertrages oder vorher ereignete, so der BGH. Eine Vorschädigung könne sich auch dann anspruchsmindernd auswirken, wenn er auf einem früheren Unfall beruht. Die gegenteilige Sichtweise des Versicherungsnehmers finde in den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen keine Stütze.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde vom Wortlaut der Regelungen ausgehen und verstehen, dass unfallfremde Krankheiten und Gebrechen grundsätzlich zu seinen Lasten gehen, indem sie zu einer Kürzung des Anspruchs oder einem Abzug von der Gesamtinvalidität führen. Weiter entnehme er den Versicherungsbedingungen, dass Krankheiten und Gebrechen, wenn und soweit sie Folge eines früheren Unfalls sind, diesem zuzurechnen sind und nicht dem neuen Unfall.
Es entspreche ferner dem erkennbaren Zweck der Regelung, dass Krankheiten oder Gebrechen aufgrund früherer Unfälle anspruchsmindernd zu berücksichtigen sind, selbst dann, wenn diese sich während der Laufzeit des Versicherungsverhältnisses ereigneten. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnehme den Regelungen in den Versicherungsbedingungen, dass der Unfallversicherer Versicherungsschutz für Unfälle und deren Folgen bieten will, nicht jedoch für unfallfremde Ursachen von Gesundheitsschädigungen wie Krankheiten oder konstitutionell oder schicksalhaft bedingte gesundheitliche Anomalien. Demgemäß erwarte er nicht, dass der Versicherer ihm Versicherungsschutz insoweit bietet, als bereits vor dem Unfall bestehende körperliche Beeinträchtigungen sich auf die Unfallfolgen auswirken. Eine solche Erwartung habe er auch dann nicht, wenn die Vorschädigung auf einem früheren Unfall beruht, selbst wenn dieser während des Versicherungsverhältnisses passierte.
In der Unfallversicherung werden regelmäßig mitwirkende Krankheiten oder Gebrechen anspruchsmindernd berücksichtigt. Auch ein vorheriger Kreuzbandriss kann bei einem späteren Unfall daher zu einer Kürzung der Invaliditätsleistung führen.
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