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Die Gliedertaxe in der Unfallversicherung

Wer einen Unfall erleidet und sich an die Unfallversicherung wendet, wird häufig mit dem Begriff der Gliedertaxe konfrontiert. Was genau unter der Gliedertaxe zu verstehen ist und wie sich der Invaliditätsgrad berechnet soll im nachstehenden Artikel erläutert werden.

Bestimmung des Invaliditätsgrades

Die Gliedertaxe bewertet den Verlust oder die – dem Verlust gleichgestellte – vollständige Funktionsunfähigkeit von Körperteilen, Organen und Sinnesorganen. Für den Verlust bestimmter Glieder oder Sinnesorgane enthält die Taxe Prozentsätze. Die Höhe der Leistung aus der Unfallversicherung bemisst sich dann nach dem sich daraus ergebenden Invaliditätsgrad. Bei teilweisem Verlust oder teilweiser Funktionsunfähigkeit wird ein entsprechender Teil des Prozentsatzes angenommen und üblicherweise in Bruchteilen der vollen Funktionslosigkeit ausgedrückt.

Verlust und Funktionsunfähigkeit

Unter dem Verlust ist eine endgültige Trennung des Gliedes vom Körper zu verstehen. Daraus folgt, dass kein Verlust vorliegt, wenn ein abgetrenntes Glied wieder angenäht und voll funktionstüchtig wird oder wenn durch Implantation eines Fremdgliedes die volle oder teilweise Funktionsfähigkeit wiederhergestellt werden kann (siehe auch Wegfall der Invalidität durch implantierte Prothese? (BGH)).

Die dem Verlust gleichstellte Funktionslosigkeit betrifft den Zweck des Gliedes. In seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt ist ein Glied, wenn es seine natürlichen Aufgaben im Ganzen betrachtet nicht mehr zu erfüllen vermag. Sofern einzelne Funktionen des Gliedes unbeeinträchtigt sind, kann jedoch nicht auf einzelne unfallbedingte Einschränkungen abgestellt werden und daraus auf den Grad der Funktionsunfähigkeit geschlossen werden. In solchen Fällen ist der Grad der Funktionsbeeinträchtigungen niedriger einzustufen.

Auslegung der Gliedertaxe

Die Gliedertaxe ist unter Zugrundelegung der Sichtweise eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen. Daraus ergibt sich, dass die Gliedertaxe nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade für die ihr genannten Glieder und Sinnesorgane bestimmt (siehe dazu auch Gliedertaxe: Mehrfache Beeinträchtigung desselben Körperteils (BGH)). Unerheblich ist dabei, ob der Verlust aufgrund der konkreten Lebenssituation des Versicherungsnehmers besonders schmerzlich ist oder ihn in individueller Hinsicht härter betrifft (siehe auch Berücksichtigt die Gliedertaxe individuelle Besonderheiten des Versicherungsnehmers? (OLG Hamm)). Sofern der Versicherungsvertrag nichts anderes bestimmt, finden die konkreten Berufs- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherungsnehmers mithin keine Berücksichtigung. Allerdings gibt es für besondere Berufsgruppen, etwa Ärzte oder Musiker, gesonderte Gliedertaxen, die jedoch ausdrücklich vereinbart sein müssen.

Die Gliedertaxe soll mit ihrer schematischen Regelungsweise im Wesentlichen eine Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer gewährleisten. Dafür führt sie abgrenzbare Teilbereiche eines Körperteils auf und weist diesen bestimmte feste Invaliditätsgrade zu, welche mit zunehmender Rumpfnähe des Körperteils und der damit einhergehenden wachsenden Einschränkung genereller Leistungsfähigkeit steigen (siehe hierzu Die Gliedertaxe und der Sitz der unfallbedingten Schädigung (BGH)). Nach der Systematik der Gliedertaxe schließt die Funktionsunfähigkeit eines rumpfnäheren Gliedes oder Teilgliedes zugleich die Funktionslosigkeit eines rumpfferneren Teilgliedes ein (siehe auch Pflicht zur Hüftgelenksimplanation nach Unfall? (BGH)). Die einzelnen Invaliditätsgrade werden nicht addiert, wenn neben dem Verlust der Funktionsfähigkeit eines rumpfnäheren Körperteils zugleich der Verlust oder die Funktionslosigkeit eines rumpfferneren Körperteils vorliegt (siehe dazu auch Gliedertaxe: Mehrfache Beeinträchtigung desselben Körperteils (BGH)). Sind hingegen nach einem Unfall mehrere verschiedene Körperglieder beeinträchtigt, so werden die daraus ergebenden Invaliditätsgrade zusammengerechnet. Allerdings wird die Addition bei einer Invalidität von 100% gedeckelt (siehe dazu auch Gliedertaxe: Mehrfache Beeinträchtigung desselben Körperteils (BGH)).

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Welches Körperteil ist entscheidend?

Umstritten war lange Zeit, ob es im Rahmen der Gliedertaxe auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung oder aber den Sitz der ursprünglichen Unfallverletzung ankommt. Dies ist beispielsweise relevant, wenn sich nach einem Unfall die erlittene Unfallverletzung auf ein anderes Körperteil auswirkt.

Die Streitfrage hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 01.04.2015 (Az.: IV ZR 104/13) vorgenommen. Danach kommt es für die Bemessung der Funktionsbeeinträchtigung auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung an und nicht auf den Sitz der ursprünglichen Unfallverletzung (siehe hierzu Die Gliedertaxe und der Sitz der unfallbedingten Schädigung (BGH)).

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Fazit

Für verschiedene Berufsgruppen können verschiedene Gliedmaßen der Versicherungsnehmer unterschiedlich „wichtig“ sein. Im Rahmen der Gliedertaxe in der Unfallversicherung werden individuelle Lebens-, Berufs- oder Erwerbssituationen allerdings nicht berücksichtigt. Vielmehr erfolgt die Bestimmung der Invaliditätsgrade nach einem Schema. Es können im Einzelfall aber abweichende Vereinbarungen getroffen werden.

Oftmals fehlt ein Körperteil nach einem Unfall nicht vollständig, sondern ist nur teilweise in seiner Funktionstätigkeit beeinträchtigt. Streitig ist dabei vielfach der genaue Prozentsatz der Funktionslosigkeit. Dieser ist oftmals von erheblicher Bedeutung, da gerade bei einer vereinbarten Progression auch geringe Unterschiede des Invaliditätsgrades zu erheblichen Unterschieden bei der versicherten Leistung in der Unfallversicherung führen können. Die genaue Höhe der Invaliditätsleistung ist daher stets im Einzelfall zu prüfen. Lehnt der Versicherer daher eine Leistung ab, so kann es durchaus sinnvoll sein, einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu kontaktieren. Gerne steht hierfür auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie u.a. auch unter Unfallversicherung

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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