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Mitwirkende Vorschädigung der Wirbelsäule (OLG Schleswig)

Das OLG Schleswig hatte sich mit Urteil vom 12.01.1995 (Az.: 16 U 96/93) mit den Voraussetzungen der Kürzung der Invaliditätsleistung wegen einer mitwirkenden Vorschädigung der Wirbelsäule zu befassen.

Unfallbedingter Bandscheibenvorfall

Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Unfallversicherung mit einer vereinbarten Versicherungssumme von 140.000 DM. Dem Vertrag lagen die AUB 61 zugrunde.

Am 23.01.1989 erlitt der Versicherungsnehmer einen Skiunfall, indem er mit den Skiern wegrutschte, das Gleichgewicht verlor und auf das Gesäß fiel. Daraufhin begab er sich aufgrund heftiger Rückenschmerzen sofort in ärztliche Behandlung. Da die Beschwerden nicht abklangen, wurde am 03.03.1989 eine Computertomographie der Lendenwirbelsäule durchgeführt, die einen großen Bandscheibenvorfall links ergab, der am 11.04.1989 operiert wurde.

Der Versicherte ging von einer Gesamtinvalidität von 40%. Der Versicherer hingegen nahm eine Gesamtinvalidität von 30% und eine mitwirkende Vorschädigung der Wirbelsäule in Höhe von 80% an. Der Versicherer erbrachte daher nur eine deutlich geringere Invaliditätsleistung als vom Versicherungsnehmer gefordert. Mit dieser Leistungskürzung war der Versicherungsnehmer nicht einverstanden und erhob Klage.

Mitwirkung einer Vorschädigung der Wirbelsäule

Das OLG Saarbrücken entschied, dass von einem Invaliditätsgrad des Versicherten von 30% auszugehen ist. Das Vorliegen eines höheren Invaliditätsgrades habe der Versicherungsnehmer nämlich nicht bewiesen. Dafür habe der Versicherer jedoch bewiesen, dass die Voraussetzungen der Einschränkung seiner Leistungspflicht um 80% vorliegen. Denn bei den Unfallfolgen des Versicherten habe eine Vorschädigung der Wirbelsäule mitgewirkt.

Die Begriffe Krankheit und Gebrechen

Krankheiten und Gebrechen haben dann bei den Unfallfolgen mitgewirkt, wenn sie zusammen mit dem Unfallereignis die Gesundheitsschädigung oder deren Folgen ausgelöst oder beeinflusst haben. Somit komme eine Mitwirkung der Vorerkrankung sowohl bei der Gesundheitsbeschädigung als auch bei der späteren Heilung oder Entwicklung in Betracht. Dabei bedeute Mitwirkung, dass die Invalidität durch keine der beiden Ursachen allein herbeigeführt worden ist.

Krankheit sei dabei ein regelwidriger Zustand, der ärztliche Behandlung erfordert. Gebrechen seien demgegenüber abnorme Gesundheitszustände, die eine einwandfreie Ausübung der normalen Körperfunktionen nicht mehr zulassen. Dazu zählen altersbedingt normale Verschleiß- und Schwächezustände ebenso wenig wie Zustände, die noch innerhalb der medizinischen Norm liegen. Maßstab für einen regelwidrigen Zustand sei daher der altersbedingte Normalzustand. Zu beachten sei weiter, dass der objektive Krankheitsbegriff gilt, so dass es nicht darauf ankomme, ob der Versicherte Kenntnis von dem krankhaften Zustand hat oder sich krank fühlt.

Mitwirkung bei der Gesundheitsbeschädigung und den Unfallfolgen

Im vorliegenden Fall komme es also entscheidend darauf an, zu welchem Anteil der beim Versicherten bestehende Verschleißschaden an der Wirbelsäule – die alle beteiligten Ärzte zugrunde legten – an den Unfallfolgen beteiligt ist. Mithin müsse die Frage geklärt werden, inwieweit die Vorerkrankung zusammen mit dem Sturz den Bandscheibenvorfall und die sich daraus ergebenden Folgen ausgelöst hat.

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Unfall als Gelegenheitsursache

Aus dem schriftlichen Gutachten und den überzeugenden mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen ergebe sich, dass der festgestellte Verschleißschaden an der Wirbelsäule ganz überwiegend die Ursache für die Beschwerden des Versicherungsnehmers darstellt. Demnach sei der Unfall lediglich Gelegenheitsursache für den Bandscheibenvorfall gewesen. Ergänzend habe der Sachverständige ausgeführt, dass traumatisch bedingte Bandscheibenvorfälle bei einer intakten Bandscheibe höchst selten sind und eine unmittelbare Gewalteinwirkung auf den betroffenen Körperbereich voraussetzen. In derartigen Fällen komme es dann in aller Regel auch zu anderen Verletzungen, etwa Frakturen im betroffenen Bereich. Vorwiegend seien Bandscheibenvorfälle aus Anlass eines Unfalls aber degenerativ bedingt, sie können also schon bei einer ungeschickten Bewegung im Alltagsleben eintreten.

Auswertung der Befunde und Ausführungen des Sachverständigen

Unter Berücksichtigung des vom Versicherungsnehmer dargestellten Unfallmechanismus, der röntgenologischen Befunde und des histologischen Befundes des bei der Operation entnommenen Bandscheibengewebes stehe nach den Ausführungen des Sachverständigen daher für das OLG Saarbrücken fest, dass der Unfall nur zu einem geringen Teil, nämlich 20% an der Gesundheitsbeschädigung und den Unfallfolgen beteiligt gewesen ist. Die unfallunabhängigen Vorschädigung der Wirbelsäule seien hingegen mit 80% einzuschätzen.

Anders könne nicht erklären werden, warum die ersten Röntgenbilder unmittelbar nach dem Unfall den im wesentlichen gleichen Zustand wie die späteren Röntgenbilder aufweisen, die nach der Operation angefertigt wurden. Darüber hinaus komme dem histologischen Untersuchungsergebnis eine wesentliche Bedeutung zu, da sich hieraus die erhebliche Vorschädigung der Wirbelsäule ergebe. Ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme handele es sich bei dem untersuchten Bandscheibengewebe um solches mit ausgedehnter primärer Degeneration sowie herdförmig reparativer Fibrose. Beim Vorliegen einer ausgedehnten primären Degeneration sei ein fortgeschrittener, nicht mehr altersgemäß „normaler“ Degenerationsprozess vorhanden.

Nach allem stehe fest, dass der festgestellte Verschleißschaden bereits beim Unfall vorhanden und nicht erst Folge des Bandscheibentraumas gewesen ist.

Fazit

Haben Krankheiten oder Gebrechen bei den Unfallfolgen mitgewirkt, so kann der Versicherer die Invaliditätsleistung anteilig kürzen. Eine Vorschädigung muss dafür aber jedenfalls für die Gesundheitsbeschädigung und die Unfallfolgen mitursächlich gewesen sein. Gerade die Höhe des Mitwirkungsanteils kann dabei schwierig feststellbar sein.

Nimmt der Versicherer nach einem Unfall einen eine Kürzung der Invaliditätsleistung vor, so kann es daher durchaus sinnvoll sein, die Leistungskürzung des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie auch unter: Die Progression in der Unfallversicherung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Rechtsanwalt unterstützt nach Kürzung der Invaliditätsleistung wegen Vorschädigung der Wirbelsäule

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