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Verjährung von Berufsunfähigkeitsrenten

Eines der Kernprobleme in „Leistungsfällen Berufsunfähigkeit“ ist die Verjährung von Berufsunfähigkeitsrenten. Die Frage ist demnach, wann Ansprüchen auf Zahlung der versicherten Berufsunfähigkeitsrente verjähren. Hin und wieder beruft sich eine Berufsunfähigkeitsversicherung nach der Stellung des Leistungsantrags durch den Versicherungsnehmer auf die Verjährung von Berufsunfähigkeitsrenten, so dass es zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommt. Verjähren die Ansprüche gegen den Versicherer aus der Berufsunfähigkeitsversicherung, so kann der Versicherungsnehmer sie nicht mehr geltend machen. Doch wann und unter welchen Voraussetzungen verjähren die Ansprüche? Was ist unter einer Stammrechtsverjährung zu verstehen? Und wie wirken sich vereinbarte Meldefristen im Vertrag auf die Verjährung von Berufsunfähigkeitsrenten aus? Diese und weitere Fragen werden im Folgenden erläutert.

Wann kommt es zur Verjährung von Berufsunfähigkeitsrenten?

Die versicherungsvertraglichen Ansprüche verjähren nach den allgemeinen Regelungen. Damit gilt grundsätzlich die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB.  Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Entstehung des Anspruchs setzt wiederum die Fälligkeit des versicherungsrechtlichen Anspruchs voraus.

Ein Anspruch ist entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls mit einer Klage durchgesetzt werden kann. Es muss also Klage auf sofortige Leistung erhoben werden können (siehe auch Versicherungsschutz bei Schneeballsystem (BGH)). Dies betrifft die Fälligkeit des Anspruchs.

Geldleistungen des Versicherers sind jedenfalls mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers notwendigen Erhebungen fällig. Damit ist in der Regel der Abschluss des Leistungsprüfungsverfahrens gemeint, also entweder das Anerkenntnis, der Zeitpunkt eines unterlassenen, aber gebotenen Anerkenntnisses oder die endgültige und umfassende Leistungsablehnung (siehe auch Fälligkeit von Invaliditätsleistung aus der Unfallversicherung (BGH)).

Was bedeutet Stammrechtsverjährung?

In der Berufsunfähigkeitsversicherung ist zwischen dem Gesamtanspruch bzw. dem sogenannten Stammrecht des Versicherungsnehmers als Grundlage für die Rentenzahlungen und den Ansprüchen auf die einzelnen Berufsunfähigkeitsrenten zu unterscheiden. Das Stammrecht ist für die Verjährung von Berufsunfähigkeitsleistungen maßgeblich (OLG Stuttgart, Urt. v. 03.04.2014 – 7 U 228/13). Demzufolge verjähren die Ansprüche nicht abschnittsweise, sondern die Verjährungsfrist beginnt für alle Folgeleistungen, wenn die Leistung erstmals fällig wird. Damit verjährt der Gesamtanspruch des geltend gemachten Versicherungsfalls insgesamt (siehe dazu weiterführend: „Verjährung des Stammrechts in der Berufsunfähigkeitsversicherung“ – BGH, Urt. v. 03.04.2019 – IV ZR 90/18).

Im Vertrag vereinbarte Meldefristen

Oftmals finden sich in den Versicherungsbedingungen Regelungen in Bezug auf eine Meldefrist von Leistungsansprüchen (siehe dazu weiterführend: „Verspätungsklausel in der Berufsunfähigkeitsversicherung“ – BGH, Urt. v. 16.06.2010 – IV ZR 226/07). Diese vereinbarten Klauseln bestimmen in der Regel, dass wenn der Eintritt der Berufsunfähigkeit später als sechs Monate nach Eintritt angezeigt wird, der Anspruch auf diese Leistung erst mit Beginn des Monats der Mitteilung bzw. der Anzeige greift. Solche Klauseln lauten beispielsweise wie folgt:

㤠4 Wann beginnt und wann endet unsere Leistungspflicht?

(1) […]

(2) Wird uns die Berufsunfähigkeit später als sechs Monate nach ihrem Eintritt schriftlich mitgeteilt, so entsteht der Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsleistungen erst mit Beginn des Monats der Mitteilung. Wird uns jedoch nachgewiesen, dass die rechtzeitige Mitteilung ohne Verschulden unterblieben ist, werden wir rückwirkend ab Beginn des auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit folgenden Monats leisten.“

Bei einer solchen Meldefrist handelt es sich um eine Ausschlussfrist und nicht etwa um eine (verhüllte) Obliegenheit (BGH, Urt. v. 16. 6. 2010 – IV ZR 226/07; siehe dazu auch: Was passiert bei verspäteter Meldung der Berufsunfähigkeit? (OLG Hamm)). Das Interesse des Versicherers an der Vermeidung weiter zurückliegender unbekannter Ansprüche setzt sich insoweit durch. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass sich der Versicherer nicht auf die Frist berufen darf, wenn den Versicherungsnehmer – was dieser auch zu beweisen hat – kein Verschulden trifft (BGH, Urt. v. 16. 6. 2010 – IV ZR 226/07; siehe dazu auch: Verspätete Anzeige der Berufsunfähigkeit (OLG Brandenburg)). Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen es dem Versicherten aus physischen oder psychischen Gründen unmöglich war, den Versicherer zu informieren oder informieren zu lassen.

Grundsätzlich ist bereits die einfache Fahrlässigkeit schädlich (siehe dazu weiterführend: „Anspruchsverlust in der Berufsunfähigkeitsversicherung durch Verspätungsklausel“ – BGH, Urt. v. 02.11.1994 – IV ZR 324/93). Diese ist schon dann anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer seine Versicherungsbedingungen prüfen konnte. Die bloße Behauptung, diese nicht gelesen oder nicht verstanden zu haben, vermag den Versicherten dabei nicht zu entschuldigen. Darüber hinaus ist bei der Ermittlung des Verschuldensgrades erschwerend für den Versicherungsnehmer zu berücksichtigen, dass die Meldefrist ausschließlich in den Bedingungen geregelt ist. Aus diesem Grund wird angenommen, dass jeder, der die einschlägigen Bedingungen nicht zu Kenntnis nimmt, grundsätzlich fahrlässig handelt (OLG Brandenburg, Urt. v. 4. 4. 2013 – 11 U 94/12).

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Schweigepflichtentbindung und Verjährung?

Weiterhin stellt sich die Frage, wie es sich auf die Verjährung von Berufsunfähigkeitsrenten auswirkt, wenn der Versicherungsnehmer die Schweigepflichtentbindung nicht abgibt. Denn gerade in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Versicherer auf die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten bei Dritten angewiesen. Denn ohne die Vorlage der erforderlichen Daten wird die Leistungsprüfung der Berufsunfähigkeitsversicherung blockiert.

In der Folge ist von einem Verzicht des Versicherungsnehmers auf seinen Leistungsanspruch auszugehen, wenn dieser die erforderlichen Informationen nicht an den Versicherer weiterleitet. Damit eröffnete das Bundesverfassungsgericht den Weg zu einem Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers (siehe dazu: „Vertragliche Obliegenheit zur Schweigepflichtentbindung?“- BVerfG, Beschluss v. 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02).

Beansprucht der Versicherungsnehmer Leistungen nach einem behaupteten Versicherungsfall und will der Versicherer seine Leistungspflicht prüfen, so führt die Verweigerung einer Einwilligung oder der Widerspruch zunächst dazu, dass der Versicherer seine Erhebungen nicht abschließen kann, Fälligkeit also nicht eintritt (siehe auch: Die Schweigepflichtentbindung in der Berufsunfähigkeitsversicherung“ – BGH, Urt. v. 22.02.2017 – IV ZR 289/14). Diese fehlende Fälligkeit zieht indessen nicht nach sich, dass der Anspruch nicht zu verjähren beginnt (Fricke VersR 2009, 297 (302)). Durfte der Versicherer also die von ihm erbetenen Auskünfte verlangen und hat sich der Versicherte der Mitwirkung treuwidrig verweigert, so ist ein fiktiver Verjährungsbeginn zu dem Zeitpunkt anzunehmen, zu dem der Versicherer aufgrund einer hypothetischen, sachlich gebotenen Schweigepflichtentbindungserklärung die erforderlichen Informationen erhalten hätte.

Fazit und Praxishinweise

Die Voraussetzungen der Verjährungsregeln gelten sowohl für den Versicherer als auch für den Versicherungsnehmer. Dementsprechend muss derjenige die Voraussetzungen beweisen, der sich auf diese Einrede der Verjährung darauf beruft.

Da zudem in vielen – besonders bei älteren – Versicherungsverträgen eine Meldefrist vereinbart ist, ist es für Versicherungsnehmer wichtig, den Versicherungsfall unverzüglich zu melden und den Leistungsantrag rechtzeitig zu stellen. Ohne Vereinbarung einer solchen Meldefrist verjähren die Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung jedoch erst nach drei Jahren. Es ist schließlich ratsam, sich mit dem Thema der Schweigepflichtentbindung auseinanderzusetzen, um einen fiktiven Verjährungsbeginn (siehe oben) zu vermeiden. Weitere Beiträge zum Thema der Berufsunfähigkeitsversicherung sind nachstehend zu finden: „Berufsunfähigkeitsversicherung“.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt für Versicherungsrecht erklärt, wann es zu einer Verjährung von Berufsunfähigkeitsrenten kommen kann

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