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Fälligkeit von Invaliditätsleistung aus der Unfallversicherung (BGH)

Der BGH hatte sich mit der Fälligkeit von Invaliditätsleistung aus der Unfallversicherung zu befassen gehabt und hierbei auch zur Problematik der Verjährung Stellung genommen (BGH, Urt. v. 27.02.2002 – IV ZR 238/00).

Versicherungsschutz trotz Nichtzahlung der Prämie?

Die Versicherungsnehmerin unterhielt eine Unfallversicherung. Sie erlitt am 11.10.1994 einen Verkehrsunfall und zog sich dabei schwere Verletzungen zu. Ende Oktober 1994 übersandte sie dem Unfallversicherer einen Unfallbericht. Mit Schreiben vom 04.11.1994 lehnte der Versicherer Leistungen aus der Unfallversicherung ab, weil die Versicherungsnehmerin mit rückständigen Prämien im Verzug und der Versicherungsfall nach Ablauf der in der Mahnung gesetzten Frist von zwei Wochen eingetreten sei.

Dagegen trug die Versicherungsnehmerin vor, der Eintritt der unfallbedingten Invalidität sei am 22.08.1995 festgestellt worden und Ende September 1995 habe sie die Invalidität gegenüber dem Versicherer geltend gemacht. Doch der Versicherer hielt an seiner Leistungsfreiheit wegen Prämienverzugs fest.

Schließlich reichte die Versicherungsnehmerin am 26.08.1998 Klage auf Zahlung von Invaliditätsleistungen gegen die Unfallversicherung ein. In den Vorinstanzen hatte die Versicherte keinen Erfolg (LG Magdeburg, Urt. v. 19.05.1999 – 10 O 2579/98; OLG Naumburg, Urt. v.  31.08.2000 – 2 U 106/99). Mit der Revision zum BGH verfolgte die Versicherungsnehmerin den Anspruch auf Invaliditätsleistungen weiter.

Kein Versicherungsschutz wegen eingetretener Verjährung?

Die Revision erwies sich für die Versicherungsnehmerin als unbegründet. Die hatte somit auch vor dem BGH keinen Erfolg. Denn der Anspruch auf Invaliditätsleistungen sei verjährt, so der BGH.

Der Anspruch der Versicherungsnehmerin sei nach Ansicht des BGH zwar nicht mit Zugang des Schreibens des Versicherers vom 04.11.1994 fällig geworden und somit habe die Verjährung nicht mit Ende des Jahres 1994 begonnen. Denn die Voraussetzungen für die Entstehung dieses Anspruchs seien im Jahre 1994 noch gar nicht eingetreten und der Anspruch konnte demgemäß noch nicht fällig werden.

Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs

Neben dem Unfall selbst sei Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruchs auf Invaliditätsleistung, dass innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eine unfallbedingte Invalidität eingetreten ist, die spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt worden ist.

Diese Voraussetzungen haben jedenfalls bis Ende 1994 nicht vorgelegen. Der BGH führte hierzu aus, dass es nicht abzusehen war, ob der Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit der Versicherungsnehmerin geführt hatte oder führen würde. Überdies habe es keine ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität gegeben. Diese sei nach Angaben der Versicherungsnehmerin erst im August 1995 festgestellt worden.

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Verjährung der Ansprüche?

Nach der vorliegend anzuwendenden früheren Gesetzesfassung beginne die Verjährung eines Anspruchs im Zeitpunkt seiner erstmaligen Entstehung. Hierunter sei der Zeitpunkt zu verstehen, im dem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Der BGH stellt damit klar, dass die Verjährung vorher nicht beginnen kann. Bei einem Anspruch auf Invalidität werde somit nicht nur vorausgesetzt, dass die erforderliche fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung vorliegt; vielmehr müsse die Versicherungsnehmerin auch davon Kenntnis haben. Nach einem Unfall gebe es oft zahlreiche ärztliche Stellungnahmen und Gutachten zur Frage unfallbedingter Invalidität, von denen die Versicherungsnehmerin nicht immer alle kennt. Nach Ansicht des BGH sei es somit nicht gerechtfertigt, für die Fälligkeit, von der der Beginn der Verjährung abhängt, auf eine der Versicherungsnehmerin unbekannte ärztliche Feststellung abzuheben.

Besondere Regelungen zur Fälligkeit von Invaliditätsleistung

Allerdings gebe es zu Gunsten des Versicherungsnehmers einige besondere Regelungen zur Fälligkeit von Invaliditätsleistung. Gemäß § 11 I VVG sei die Fälligkeit bis zur Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen aufgeschoben.

Darüber hinaus enthalte § 11 I bis III AUB 88 weitere Regelungen zur Fälligkeit von Invaliditätsleistung zu Gunsten des Versicherers. Diese betreffen jedoch nur den Fall der positiven Entscheidung über den vom Versicherungsnehmer erhobenen Anspruch. Dies gelte jedenfalls insoweit, als es um die Feststellungen zum Versicherungsfall und zum Umfang der Leistungspflicht geht.

Fälligkeit von Invaliditätsleistung im Jahre 1995

Der Anspruch auf Invaliditätsleistungen sei aber im Jahre 1995 fällig geworden, so dass die Verjährung mit Ablauf dieses Jahres begonnen habe zu laufen und mit Ablauf des Jahres 1997 eingetreten sein.

Der BGH führte hierzu aus, dass die Voraussetzungen für eine Klage auf sofortige Leistungen 1995 vorgelegen haben. Nach dem Vortrag der Versicherungsnehmerin habe sie Ende August 1995 gewusst, dass unfallbedingte Invalidität eingetreten ist und ärztlich festgestellt wurde. Einer Geltendmachung der Invalidität und einer erneuten Leistungsablehnung habe es wegen der Leistungsablehnung insofern nicht mehr bedurft. Denn die Leistungsablehnung vom 04.11.1994 habe die Fälligkeit in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem alle übrigen Voraussetzungen für die klageweise Geltendmachung des Anspruchs eingetreten waren.

Der Versicherer habe Versicherungsleistungen endgültig und umfassend wegen Leistungsfreiheit abgelehnt. Damit habe er unmissverständlich klargestellt, dass seine Feststellungen beendet sind und weitere Feststellungen zu einzelnen Leistungsarten von vornherein nicht in Betracht kommen. Bei einer derartigen Leistungsablehnung komme es für die Fälligkeit von Invaliditätsleistung auf Mitwirkungshandlungen der Versicherungsnehmerin wie die Geltendmachung der Invalidität und das Beibringen von Unterlagen nicht mehr an. Vielmehr wirke die Fälligkeit durch Leistungsablehnung einheitlich für und gegen beide Seiten und nicht nur zu Gunsten der Versicherungsnehmerin.

Fazit

Ein Anspruch beginnt erst dann zu verjähren, wenn er erstmalig entsteht. Im Rahmen eines Invaliditätsanspruchs erfordert dies einen Unfall, eine fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung sowie die diesbezügliche Kenntnis des Versicherungsnehmers. Die Verjährungsfrist beträgt sodann drei Jahre ab Fälligkeit des Anspruchs.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt für Versicherungsrecht erklärt, wann es zur Fälligkeit von Invaliditätsleistung in der Unfallversicherung kommt

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