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Änderungsmitteilung nach unwirksam befristetem Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit (LG Berlin)

Welche Anforderungen sind an eine ordnungsgemäße Änderungsmitteilung nach unwirksam befristetem Anerkenntnis des Versicherers zu stellen? Über diese Frage hatte das Landgericht Berlin  zu entscheiden (LG Berlin, Urt. v. 18.11.2020 – 23 O 288/16).

Befristetes Anerkenntnis des BU-Versicherers

Der klagende Versicherungsnehmer unterhält bei der beklagten Versicherung eine Rentenversicherung mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Versichert ist im Fall bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit eine Beitragsbefreiung und monatliche Rente.

Der Versicherungsnehmer beantragte im Juni 2015 wegen Beschwerden beider Schultern in Form einer chronischen Arthrose Leistungen aus dem bestehenden Versicherungsvertrag. Der Versicherer bestätigte die Berufsunfähigkeit des Versicherten nach den Vertragsbedingungen und erkannte seine Leistungspflicht an. Doch dieses, mit Schreiben vom Januar 2016 erklärte, Anerkenntnis war im Streitfall bis zum Februar 2016 befristet, da der Versicherungsnehmer trotz noch bestehender Einschränkungen voll leistungsfähig für seinen letzten Beruf aus der Rehabilitationsmaßnahme entlassen worden sein soll. Für die Arbeitsunfähigkeit von Oktober 2014 bis März 2015 bestehe kein Anspruch, da der Versicherungsnehmer weniger als sechs Monate ununterbrochen nicht in der Lage gewesen sein, seinen Beruf auszuüben.

Der Versicherungsnehmer hingegen meint, der Versicherer sei wegen der Bewegungseinschränkungen in der rechten Schulter aus ihrem Anerkenntnis über die Befristung hinaus zu Leistungen verpflichtet, da die Befristung mangels Vergleichsberatung unwirksam sei. Der Versicherer lehnte weitere Leistungen aus dem Vertrag ab. Hiergegen richtet sich nunmehr die Klage des Versicherungsnehmers (weitere Infos zum Ablauf des Gerichtsprozesses gegen BU-Versicherer siehe auch Der Prozess gegen den Versicherer).

Die rechtliche Würdigung des LG Berlin

Die Klage des Versicherungsnehmers hatte teilweise Erfolg. Ihm stehen gegen den Versicherer die geltend gemachten Ansprüche auf monatliche Rentenzahlungen und Beitragsfreistellung für den Zeitraum ab Februar 2016 bis einschließlich September 2017 aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrag zu.

Ein Anspruch für die Zeit von Oktober 2014 bis März 2015 besteht hingegen nicht. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Versicherte in der Zeit von Oktober 2014 bis März 2015 wegen Beeinträchtigungen seiner linken Schulter bedingungsgemäß berufsunfähig war.

Das Gericht hat demzufolge entschieden, dass dem Versicherungsnehmer gegen den Versicherer aber ein weiter gehender Leistungsanspruch ab Februar 2016 bis einschließlich September 2017 zusteht. Die Leistungspflicht des Versicherers aus seinem unbefristeten Anerkenntnis vom Januar 2016 endete nach §§ 9, 10 BB-BUZ zum Beginn des übernächsten Monats nach Absenden des Klageerwiderungsschriftsatz vom August 2017, also mit Beginn des Monats Oktober 2017. Der Versicherer befinde sich in der Nachprüfung (weiter Infos siehe auch Das Nachprüfungsverfahren), denn die Befristung ihres Anerkenntnis sei unwirksam gewesen. Im Fall eines unwirksam befristeten Anerkenntnisses könne sich der Versicherer nur über das Nachprüfungsverfahren von seiner Leistungspflicht lösen, so das LG Berlin. Eine notwendige ordnungsgemäße Einstellungsmitteilung im Nachprüfungsverfahren liege mit dem Klageerwiderungsschriftsatz vom August 2017 vor.

Befristetes Anerkenntnis ist unwirksam!

Der Senat führte aus, dass das befristete Anerkenntnis des Versicherers keine wirksame Befristung enthalte. Denn die bedingungsgemäßen Voraussetzungen einer Befristung des Anerkenntnisses nach § 7 Abs. 2 BB-BUZ seien nicht gegeben. Danach könne der Versicherer seine Leistungspflicht nur befristen, wenn sich Umstände, die für die Beurteilung der Frage, ob Berufsunfähigkeit besteht, voraussichtlich ändern werden, die medizinischen und beruflichen Gegebenheiten im Zeitpunkt der Leistungsentscheidung noch nicht endgültig beurteilt werden können oder die versicherte Person eine Rehabilitations-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme absolviert oder eine solche Maßnahme vorgesehen oder beabsichtigt ist.

Der Versicherer stütze im Streitfall seine Befristung darauf, dass der Versicherungsnehmer „voll leistungsfähig für“ seinen „letzten Beruf aus der Rehabilitationsmaßnahme entlassen wurde“. Das erfülle nach Ansicht des Landgerichts aber keinen der in § 7 Abs. 2 BB-BUZ geregelten Befristungsgründe. Denn dabei gehe es um keine „voraussichtliche Änderung“, sondern um eine bereits eingetretene Änderung. Außerdem scheide eine „fehlende endgültige Beurteilung“ der Leistungsvoraussetzungen aus, da eine solche gerade erfolgt ist. Zum Oktober 2017 sei der Versicherer leistungsfrei geworden. Der Klageerwiderungsschriftsatz enthalte nämlich eine formell ordnungsgemäße Einstellungsmitteilung der Beklagten und materiell sei die Berufsunfähigkeit des Klägers bedingungsgemäß weggefallen.

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Anforderungen an eine ordnungsgemäße Änderungsmitteilung

Weiter führt das LG Berlin aus, dass eine formell ordnungsgemäße Änderungsmitteilung für ein Erlöschen der Leistungspflicht des Versicherers in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung konstitutiv sei. Dies bedeute, dass Veränderungen in den Leistungsvoraussetzungen für die Berufsunfähigkeitsrente rechtlich ohne Bedeutung und vom Gericht nicht zu prüfen sind, wenn eine formell ordnungsgemäße Änderungsmitteilung fehlt. Hierbei reiche nach Auffassung des Gerichts eine bloße Mitteilung über Veränderungen in den Leistungsvoraussetzungen nicht aus. Vielmehr müsse es sich um eine Gestaltungserklärung des Versicherers handeln, mit dem Inhalt die Leistungen einzustellen.

Zweifel hatte die Kammer darüber, ob der Klageerwiderungsschriftsatz des Versicherers überhaupt eine solche Gestaltungserklärung enthält. Denn eine ausdrückliche Erklärung, die Leistungen wegen Wegfalls von Berufsunfähigkeit bedingungsgemäß zukünftig einzustellen, enthalte der Schriftsatz nicht. Letztlich werde jedoch aus den Umständen hinreichend deutlich, dass die Beklagte damit (zumindest hilfsweise) jedenfalls ihre Leistungen einstellen will, so das LG Berlin. So lautet ein Auszug aus dem Klageerwiderungsschriftsatz:

„… endet die Leistungspflicht der Beklagten jedenfalls mit Zustellung des hiesigen Schriftsatzes. Die Beklagte hat spätestens im Rahmen des Prozesses nachvollziehbar dargelegt, warum ihre Leistungspflicht am 31.1.2016 entfallen ist.“

Damit komme aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass jedenfalls mit diesem Schriftsatz die Leistungspflicht des Versicherers enden soll. Der Schriftsatz erfülle auch die notwendigen formalen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Einstellungsmitteilung. An den Inhalt der Änderungsmitteilung seien dabei strenge Voraussetzungen zu stellen, meint das Gericht. Die Mitteilung müsse eine für den Versicherungsnehmer nachvollziehbare Begründung enthalten, was sich seit dem ursprünglichen Anerkenntnis des Versicherers geändert hat und aus welchen Gründen die Leistungspflicht entfallen sein soll.

Der Versicherer lege dort ausführlich und ohne weiteres nachvollziehbar Eintritt und Wegfall der Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers dar. Entgegen der Ansicht des Versicherers könne ihre Erklärung vom Januar 2016 nicht als sog. Uno-Actu-Entscheidung (also unbefristetes Anerkenntnis mit gleichzeitiger Nachprüfungsentscheidung) gesehen werden, da sie dort ausdrücklich ein befristetes Anerkenntnis erklärt habe, stellt das Gericht fest.

Weiter führte das LG Berlin aus, dass dort nicht ausdrücklich definiert sei, was „Wegfall der Berufsunfähigkeit“ i.S.v. § 9 BB-BUZ bedeutet. Die Kammer verstehe bedingungsgemäßen „Wegfall der Berufsunfähigkeit“ in Auslegung der Klausel aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als „spiegelbildliche Berufsunfähigkeit“ gem. § 1 Abs. 1 und 2 BB-BUZ. Das heiße, der Versicherer muss den Eintritt von „Berufsfähigkeit“ in diesem Sinne beweisen. Dieser Beweis sei der Beklagten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gelungen.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Im Ergebnis überzeugt die Entscheidung des LG Berlin. Das Gericht stellt zu Recht die Unwirksamkeit der Befristung des Anerkenntnisses fest und stellt dabei zutreffend auf die Möglichkeit des Lösens von der Leistungspflicht allein durch das Nachprüfungsverfahren ab. Rechtlicher Nachprüfung hält ferner stand, dass eine bloße Mitteilung über Veränderungen in den Leistungsvoraussetzungen nicht ausreicht. Die Mitteilung muss demnach eine für den Versicherungsnehmer nachvollziehbare Begründung enthalten, was sich seit dem ursprünglichen Anerkenntnis des Versicherers geändert hat und aus welchen Gründen die Leistungspflicht entfallen sein soll. Dies hat das LG Berlin im vorliegenden Fall zutreffend herausgearbeitet.

Für die Praxis ist damit festzustellen, dass es im Bereich der Berufsunfähigkeit sinnvoll ist, jede Leistungsablehnung eines Berufsunfähigkeitsversicherers juristisch überprüfen zu lassen und frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, da ansonsten die vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten vereitelt werden könnten. Es ist für Versicherte und Vermittler daher stets von Vorteil, sich mit dem Ablauf eines typischen BU-Verfahrens vertraut zu machen, bevor Leistungsansprüche geltend gemacht werden. Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Berufsunfähigkeitsversicherung“ zusammengefasst. Einen Überblick finden Sie auch unter Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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