Kommt es zur Beendigung des Handelsvertretervertrages, so stellt sich zwangsläufig die Frage, ob eine Verwertung von Kundenkontakten weiterhin zulässig ist. Die Einstufung der weiteren Verwertungsmöglichkeit hängt davon ab, ob die Kundendaten als Geschäftsgeheimnis zu bewerten sind. Denn nach § 90 HGB ist die Verwertung oder Mitteilung von diesen sensiblen Kundendaten nach Beendigung des Verhältnisses untersagt, „soweit dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen würde.“ Zur Abgrenzung, welche Daten verwertet werden dürfen und welche nicht, entwickelte der BGH die sogenannte „Gedächtnis-Rechtsprechung“. Die Kenntnis der darin enthaltenen Wertungen ist für den wirtschaftlichen Erfolg und Bestand des Vermittlers unerlässlich.
Bereits 1993 musste der BGH zur Verwertungsmöglichkeit von Kundendaten urteilen (BGH v. 28.01.1993 – I ZR 294/90), als ein Unternehmer im Wege einer vertraglichen Vereinbarung die Verwertung von Namen und Kundenanschriften als Geschäftsgeheimnisse dem Vermittler gänzlich untersagen wollte. Diese Klausel verstieß aber eindeutig gegen die Wertung des § 90 HGB, nach der ein ausgeschiedener Vermittler in direkte Konkurrenz zu seinem alten Arbeitgeber treten darf. Einen generellen Anspruch auf Erhalt des Kundenkreises besteht nicht. Es sind nach dem BGH aber nur solche Daten möglich zu verwerten, die dem Vermittler im Gedächtnis geblieben sind („Gedächtnis-Rechtsprechung“). Der BGH ebnete so den Weg zur nachvertraglichen Konkurrenz mit dem früheren Arbeitgeber und stellte dies unter Beweis, indem er in einem gleichgelagerten Fall (BGH v. 14.01.1999 – I ZR 2-97) ebenso gegen die Unzulässigkeit der Beschränkung von nachvertraglichem Wettbewerb entschied.
Im Zusammenhang mit der nachvertraglichen Konkurrenz stellt sich damit insbesondere auch die Frage, ob der Vermittler für den Versicherungsnehmer Kündigungshilfe durch vorformulierte Kündigungsschreiben leisten darf (OLG Schleswig: Versicherungsmakler dürfen Kündigungshilfe durch formularmäßig vorbereitete Kündigungserklärungen leisten). Der nachvertragliche Wettbewerb unterliegt im Besonderen dem Wettbewerbsrecht, die Verwendung von Altkundendaten und die Kündigung von Bestandskunden ermöglicht die Begründung von neuen Kundenbeziehungen. Es wurde vom OLG Schleswig am 16.07.1999 (OLG Schleswig: Versicherungsmakler dürfen Kündigungshilfe durch formularmäßig vorbereitete Kündigungserklärungen leisten) geklärt, dass das Leisten von Kündigungshilfe keine unzulässige Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG darstellt. Insbesondere treten Makler als Treuhänder für die Versicherungsinteressen ihrer Kunden auf, deshalb soll es insbesondere möglich sein, die lästige Arbeit des Kündigens übernehmen zu dürfen. Ein unzulässiger Eingriff in den geschützten Bereich von Mitbewerbern und Versicherern liegt nicht vor.
Wettbewerbsrechtlich unzulässig ist dagegen die Verwertung von Geschäftsgeheimnissen. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG ist strafbar, wer ein Geschäftsgeheimnis entgegen § 4 Abs. 2 Nr. 1 GeschGehG nutzt, dass er sich unbefugt aneignet oder kopiert hat. Die Regelung deckt sich im Wesentlichen mit dem aufgehobenen § 17 UWG. Die Versicherungsvertreter dürfen keine Aufzeichnungen aus den Kundenkarteien ihrer ehemaligen Auftrags- & Arbeitsgeber für eigene geschäftliche Zwecke nutzen. Im Übrigen ist jede geschäftliche Kontaktaufnahme zu unterlassen, wenn sich die Kontaktmöglichkeit aus Aufzeichnungen ergibt.
Der BGH folgt dabei konsequent der am Leitbild des §90 HGB entwickelten „Gedächtnis-Rechtsprechung“: Es dürfen nur die Kunden angeschrieben werden, deren Kontaktdaten dem ausgeschiedenen Vermittler im Gedächtnis geblieben sind. Jedwede andere Kontaktaufnahme kann eine unzulässige Nutzung zwecks Gewinnerzielung darstellen (OLG Saarbrücken: Unbefugte Verwertung von Kundenadressen). Über das Leitbild der Gedächtnis-Rechtsprechung hinaus ist es dem Handelsvertreter absolut untersagt in seinen persönlichen Unterlagen vorhandene Kundendaten zu verwerten, dies umfasst auch unvollständige Kundenkontakte, die Anschriften müssen tatsächlich vollständig aus dem Gedächtnis aufgerufen werden (BGH: Unzulässige Verwertung von Kundendaten aus persönlichen Unterlagen).
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Besteht der Verdacht auf unzulässige Nutzung der alten Kundenstammdaten, so kann im Wege der Geschäftsraumdurchsuchung die Sicherstellung der Aufzeichnungen gegen den ausgeschiedenen Vermittler erwirkt werden. Jedoch reicht das körperliche Vorhandensein der Stammdaten beim Vermittler oder in seinen Geschäftsräumen nicht aus, um eine wettbewerbswidrige unlautere Handlung gem. §§ 3, 3a UWG anzunehmen. Vielmehr muss eine „Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr“ der unzulässigen Wettbewerbshandlung bewiesen werden (OLG Saarbrücken v. 24.07.2002 – Az. 1 U 901/01). Insbesondere ist die Erstbegehungsgefahr einer unlauteren Datenverwertung dann anzunehmen, wenn der ausscheidende Vermittler seine ehemals betreuten Kunden selbst anschreibt und dieses Schreiben auf die Abwerbung der Kunden zielt, dies gilt während und nach Beendigung des Vermittlerverhältnisses (BGH v. 22.04.2004 – I ZR 303/01).
Der BGH folgt seiner „Gedächtnis-Rechtsprechung“ rigoros, so dass ausdrücklich der Rückgriff auf Daten, die während des Arbeits- oder Auftragsverhältnisses schriftlich niederlegt wurden, verboten ist. Dies wird dann sehr streng gehandhabt, wenn der Vermittler von den Versicherern Antragsformulare erhält und diese mit Kundendaten ausfüllt. Von ausgefüllten Antragsformularen, auch wenn sie noch keine Details zum Versicherungsschutz enthalten, dürfen keine Abschriften gemacht werden (LG Köln v. 21.01.2010 – 31 O 678/09). Eine unbefugte Datenverschaffung liegt auch dann, vor wenn nach Beendigung des Vertreterverhältnisses weiterhin auf Notizen zurückgegriffen wird, die der Vermittler selbst während des bestehenden Verhältnisses angefertigt hat (BGH Urteil v. 26.02.2009 – Az. I ZR 28/06). Die Weiter- oder Wiederverwendung der Kundendaten, die der Vermittler selbst angeworben hat, ist untersagt, dies gilt absolut. Eindeutig wettbewerbswidrig ist es, die gewonnen Kundenstammdaten zu veräußern (LG Köln v. 21.01.2010 – 31 O 678/09).
Im digitalen Zeitalter sind die in den sozialen Arbeitsnetzwerken (wie XING) niedergelegten Kundenkontakte im gleichen Maße als Betriebsgeheimnisse zu bewerten, wie Kundenkontakte die schriftlich niedergelegt wurden. Die in ihnen gespeicherten Kundenlisten enthalten eine Auflistung von Kunden, die als potenzielle Produktabnehmer in Betracht kommen und sind für den Unternehmer von Geheimhaltungsinteresse (BGH v. 17.10.2006 – I ZR 126/03). Hiervon ausgenommen sind solche Netzwerkkontakte die während des Arbeitsverhältnisses aufgrund von privaten Sympathien aufgenommen werden, Daten die dem privaten Bereich zuzuordnen sind stellen kein Geschäftsgeheimnis dar (AG Hamburg v. 24.01.2013 – 29 Ga 2/13).
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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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