Unbefugte Verwertung von Kundenadressen (OLG Saarbrücken)

Am 24.07.2002 urteilte das OLG Saarbrücken (Az. 1 U 901/01) zur wettbewerbsrechtlichen Vorwerfbarkeit der Verwertung von vorhandenen Kundenadressen aus einem alten Vermittlerverhältnis in den Geschäftsräumen eines Vermittlers.

Der Sachverhalt vor dem OLG Saarbrücken

Die Klägerin vertreibt Wein. Die Beklagte ebenso. Bei dem beklagten Weinvertrieb wurden im Wege einer Geschäftsraumdurchsuchung Kundenlisten der Klägerin gefunden. Es wurden Originalkundenaufträge der Klägerin sowie Bestellformulare gefunden. Die Klägerin begehrte Unterlassung der Weiterverwendung und Schadensersatz. Die Beklagte wendete dagegen ein, dass sie vorgefundenen Daten nicht genutzt hat. Das OLG Saarbrücken gab der Beklagten recht, die Klage wurde abgewiesen.

Vorwerfbarkeit: Reicht das Auffinden der Kundendaten in den Geschäftsräumen?

Streitgegenständlich wurde ein Unterlassungsanspruch iSd. §§ 3, 3a, 8 UWG und mögliche daraus folgende Schadensersatzansprüche. Es musste untersucht werden, ob wegen des Auffindens der Kundendaten der Vorwurf einer unlauteren Handlung gem. § 3a UWG erhoben werden konnte. Ein Verstoß gegen ein Wettbewerbsgesetz ist stets unlauter. In Betracht kommt vorliegend ein Verstoß gegen die Geschäftsgeheimnisnorm des § 90 HGB. Es verstößt gegen die Sitte eines ordentlichen Kaufmanns, wenn sich der Handelsvertreter Notizen oder Kopien aus der ihm von seinem Unternehmen überlassenen Kundenkartei für konkurrierende Wettbewerbszwecke gemacht hat. Die vorgefundenen Kundenlisten sind als derartige Aufzeichnungen zu bewerten gewesen, so dass eine unlautere Handlung vorlag. Solche Geschäftsgeheimnisse sind auch nach §§ 2, 4 GeschGehG geschützt.

Für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs aus § 8 UWG ist es aber zudem erforderlich, dass eine „Wiederholungsgefahr“ der Wettbewerbsverletzung besteht, es reicht auch eine „Erstbegehungsgefahr“ aus. Die Wiederholungsgefahr knüpft an eine bereits erfolgte Verletzungshandlung an. Die Annahme einer Erstbegehungsgefahr setzt voraus, dass tatsächliche Umstände die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Wettbewerbsverletzung begründen. Die rein theoretische Möglichkeit der Begehung genügt indes nicht. Vielmehr müssen greifbare Anhaltspunkte für eine in naher Zukunft bevorstehende Verletzungshandlung vorliegen.

Eine Nutzung zur Gewinnerzielung setzt mindestens voraus, dass die Kundendaten in eine eigene Kundenliste eingespeist wurden oder konkrete Kontakte zwecks Abschlusses aufgenommen werden. Das OLG Saarbrücken sah keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine solche wettbewerbswidrige Nutzung stattgefunden hat: die Daten wurden nicht eingepflegt und es wurden keine Kontakte aufgenommen. Die Klage wurde damit abgewiesen.

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Fazit und Hinweise für Versicherungsvermittler

Grundsätzlich kann das Anfertigen und der Besitz von Kundenlisten eines ehemaligen Arbeitgebers nach §§ 3, 3a UWG iVm. § 90 HGB unlauter sein. Aber allein aus dem Auffinden solcher Daten lässt sich noch kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch herleiten, denn es ist erforderlich, dass diese Daten auch tatsächlich zur Gewinnerzielung genutzt worden oder eine solche Nutzung unmittelbar bevorsteht.

Die Daten ehemaliger Vertriebskunden stellen oftmals die Grundlage für wettbewerbsrechtliche Probleme der Vermittler dar. Sobald der Verdacht einer unzulässigen Wettbewerbshandlung des ausgeschiedenen Vermittlers besteht, ist Vorsicht geboten. Den Handelsvertretern ist die Konkurrenztätigkeit nach Ausscheiden aus dem Vertreterverhältnis nicht grundsätzlich zu untersagen. Handelsvertreter dürfen Kundendaten verwenden, sofern sie Maßgaben der Rechtsprechung des BGH beachten. Hierzu ist die Kenntnis der rechtlichen Erwägungen des BGH essenziell für eine erfolgreiche Vermittlertätigkeit.

Ein weiterführender Artikel zur Abgrenzung von zulässigem gegenüber unzulässigen Wettbewerbsverhalten, sowie weiteren rechtlichen Fragestellungen, ist nachfolgend zu finden: „Der Handelsvertreter und die Kundendaten“ (Die Verwertung von Kundenkontakten nach Ausscheiden des Versicherungsvermittlers – Eine rechtliche Fallstricke).

Handelsvertreter, die sich von ihrem Prinzipal trennen, weil sie zum Beispiel Versicherungsmakler werden wollen, sollten sich zwingend mit den entsprechenden rechtlichen Fallstricken beschäftigen und sich bestenfalls frühzeitig rechtlichen Rat von auf Vertriebsrecht spezialisierten Rechtsanwälten einholen. Gerade auch die Beendigung eines Handelsvertretervertrages birgt viele rechtliche Probleme, mit welchen man sich vor der Trennung vom Prinzipal beschäftigen sollte. Auch Fragen rund um eine etwaige Aufhebungsvereinbarung sowie ein mögliches nachvertragliches Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter sollten auf Vertriebsrecht spezialisiert Rechtsanwälte beantworten.

Für alle Rechtsfragen rund um das Handelsvertreterrecht, Wettbewerbsrecht und Datenschutzrecht stehen die Rechtsanwälte und Fachanwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow gern zur Verfügung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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