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Pflicht zur Hüftgelenksimplantation nach Unfall? (BGH)

Der BGH hatte sich mit Urteil vom 17.10.1990 (Az.: IV ZR 178/89) mit der Frage zu befassen gehabt, ob nach einem Unfall eine Pflicht zur Hüftgelenksimplantation des Versicherungsnehmers besteht und ob eine Weigerung des Versicherten eine solche Operation durchzuführen zu einer Leistungskürzung in der Unfallversicherung führen kann.

Unfallbedingte Hüftknopfnekrose

Zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer besteht eine Unfallversicherung, dem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen und Besondere Bedingungen für die Unfallversicherung mit besonders erhöhter Invaliditätsstaffel und mit verbesserter Gliedertaxe zugrunde lagen.

Der Versicherungsnehmer zog sich im Oktober 1990 bei einem Freizeitunfall unter anderem eine Oberschenkelhalsfraktur links zu. Im Zuge der Behandlung wurde eine Kapselutomie durchgeführt, die missglückte, so dass durch Vernarbung eine Kapselschrumpfung und schließlich eine Hüftkopfnekrose eintrat. Der Versicherer erbrachte daraufhin eine Invaliditätsleistung. Im Übrigen argumentierte er aber, dass sich der Versicherungsnehmer einer Hüftgelenksimplantation unterziehen könne und der Versicherungsnehmer daher nicht vollständig invalide sei.

Mit der Höhe der Invaliditätsleistung war der Versicherungsnehmer nicht einverstanden. Er war der Auffassung, er sei unter Berücksichtigung aller Umstände zu 100% invalide geworden und klagte daher auf Zahlung weiterer Leistungen aus der Unfallversicherung. Das Landgericht gab der Klage des Versicherungsnehmers teilweise statt. Die hiergegen eingelegte Berufung des Versicherungsnehmers blieb ohne Erfolg. Nunmehr verfolgte er seine Forderung im Rahmen einer Revision beim Bundesgerichtshof fort.

Keine Pflicht zur Hüftgelenksimplantation

Der Bundesgerichtshof führte in seinem Urteil zunächst aus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht darauf verweisen könne, sich einer Hüftgelenksimplantation zu unterziehen. Da es sich bei dem Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks um einen operativen Eingriff von einigem Gewicht handele und ein Dauererfolg dieser Maßnahme nicht ohne weiteres gewährleistet sei, könne sich ein Unfallversicherer nicht darauf berufen, sein Versicherungsnehmer müsse sich zu einer Gelenksimplantation entschließen, wenn sie von Ärzten empfohlen werde. Es müsse eine höchsteigene Entscheidung des Versicherten bleiben, ob er sich zu diesem wesentlichen Eingriff in seine körperliche Integrität angesichts der damit verbundenen Risiken und Belastungen entschließt, so der BGH. Es bestehe daher keine Pflicht zur Hüftgelenksoperation.

Genereller Maßstab der Gliedertaxe

Im Rahmen der Gliedertaxe gelte ein genereller Maßstab, weshalb bei der Frage nach der unfallbedingter Gebrauchsunfähigkeit oder Gebrauchsbeeinträchtigung gerade nicht auf die besonderen Verhältnisse des Versicherungsnehmers abzustellen sei. Demnach komme es bei der Beurteilung, ob und in welchem Ausmaß ein verletztes Glied gebrauchsunfähig geworden ist, allein darauf an, inwieweit es seine natürlichen Aufgaben überhaupt noch erfüllen kann.

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Systematik der Gliedertaxe entscheidend

Nach Ansicht des BGH dürfe dabei auch die Systematik der Gliedertaxe nicht außer Acht gelassen werden. Denn mit ihren unterschiedlichen Werten trage sie dem Umstand Rechnung, dass Gliedverluste – oder entsprechend völlige oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit – mit zunehmender Rumpfnähe der Stelle, an der das Körperglied verloren gegangen oder die Gebrauchsbeeinträchtigung auslösende Ursache zu lokalisieren ist, zu wachsender Einschränkung der generellen Arbeitsunfähigkeit des Menschen führen. Weiterhin berücksichtige die Gliedertaxe ausweislich ihrer gestaffelten Invaliditätsprozentsätze stets auch die Ausstrahlung eines Teilgliedverlustes auf die Einsatzfähigkeit des verbliebenen Restgliedes. Diese Systematik der Gliedertaxe sei auch im Rahmen der Entscheidung darüber, ob ein Unfall zu einer nur teilweisen oder zu einer vollständigen Gebrauchsunfähigkeit des verletzen Körpergliedes geführt habe, maßgeblich.

Nichtbefolgung der Bewertungsmaßstäbe

Der im Verfahren tätig gewordene Sachverständige habe sich bei seiner Invaliditätsbeurteilung nicht an die Systematik der Gliedertaxe gehalten. Er stelle sich sogar in klaren Widerspruch zu ihnen, wenn er in seiner ergänzenden Stellungnahme betont, nicht das linke Bein des Versicherungsnehmers, sondern das linke Hüftgelenk weise eine Funktionseinschränkung auf. Damit habe er übersehen, dass hier im Sinne der Gliedertaxe eine unfallbedingte Funktionsstörung des Beines im rumpfnächsten, mit dem höchsten Ausgangsprozentsatz bewerteten Beinabschnitt zu beurteilen sei.

Das Verfahren war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Nach der Zurückweisung an das Berufungsgericht werde dieses ein Gutachten einzuholen haben, in dem die vorstehenden Kriterien aus ärztlicher Sicht zu berücksichtigen sind, damit das Gericht unter sachkundiger Hilfe erneut über die Invalidität des Versicherungsnehmers befinden kann.

Fazit

Erleidet der Versicherungsnehmer eine unfallbedingte Funktionsstörung der Hüfte, so besteht keine Pflicht zur Hüftgelenksimplantation für den Versicherten. Vielmehr ist es die höchsteigene Entscheidung des Versicherten, ob er sich zu diesem wesentlichen Eingriff entschließt oder nicht. Lässt er jedoch einen entsprechenden Eingriff durchführen und bessert sich sein Gesundheitszustand durch das implantierte Hüftgelenk, so kann dies bei der Bewertung des Invaliditätsgrades aber durchaus zugunsten des Versicherers berücksichtigt werden (siehe auch Wegfall der Invalidität durch implantierte Prothese (BGH)).

Im Einzelfall kann es aber durchaus schwierig sein, die Invaliditätsleistung anhand der Gliedertaxe genau zu bestimmen. Daher kann es kann durchaus sinnvoll sein, im Zweifelsfall einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Einzelfalles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen zur Gliedertaxe finden Sie hier: Die Gliedertaxe in der Unfallversicherung

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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