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Der Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers

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Im Versicherungsrecht stellt sich oftmals die Frage, ob dem Versicherungsnehmer die Erklärungen eines Dritten als Wissenserklärungsvertreter zugerechnet werden können. Der vorliegende Artikel soll ein Überblick darüber geben, wann eine Zurechnung über den Wissenserklärungsvertreter angenommen werden kann.

Was ist ein Wissenserklärungsvertreters?

Wissenserklärungsvertreter ist, wer vom Versicherungsnehmer mit der Abgabe von Willenserklärungen gegenüber dem Versicherer betraut worden ist (BGHZ 128, 167 (169)). Fraglich ist aber, welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind.

Betrauung mit der Erfüllung einer Erklärungsobliegenheit

Die Zurechnung der Erklärung eines Dritten als Wissenserklärungsvertreter setzt zunächst voraus, dass der Versicherungsnehmer einen Dritten mit der Erfüllung der in Frage stehenden Anzeige- oder Aufklärungsobliegenheit betraut. An die Betrauung eines Wissenserklärungsvertreters sind jedoch keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt die einfache Übertragung der konkreten Aufgabe zur Information des Versicherers. Die Erteilung einer Vollmacht zur Abgabe einer Wissenserklärung ist hierfür nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Wille des Versicherungsnehmers erkennbar ist, dass die eine Erklärung abgebende Person mit seinem Willen tätig wird (siehe auch Falschangaben zum Alkoholkonsum: Sohn als Wissenserklärungsvertreter (OLG Köln)). Die Betrauung kann ferner auch abstrakt und generell (siehe hierzu Wissenserklärungsvertreter durch generelle Betrauung? (OLG Köln)) für eine Vielzahl von Willenserklärungen oder konkret für den Einzelfall erfolgen. Ausreichend ist auch eine konkludente, sich aus den Umständen des Einzelfalls ergebende Betrauung. Die von einem nicht betrauten Dritten abgegebene Erklärung kann der Versicherungsnehmer jedoch nachträglich genehmigen.

Abgabe einer eigenen Wissenserklärung

Der Wissenserklärungsvertreter gibt eine eigene Wissenserklärung gegenüber dem Versicherer ab. Das obliegenheitswidrige Unterlassen einer Erklärung steht der Abgabe einer falschen Erklärung gleich (siehe auch Unterlassen einer Erklärung durch einen Wissenserklärungsvertreter (OLG Koblenz)).

Es kommt nicht darauf an, ob der Dritte die Erklärung aus eigenem Wissen abgibt oder ob er von deren Inhalt vom Versicherungsnehmer oder von anderen in Kenntnis gesetzt wurde (OLG Hamm NJW-RR 1997, 81). Entscheidend ist, ob es sich aus Sicht des Versicherers um eine eigene Wissenserklärung des Dritten handelt. Wird dem Versicherer als Erklärungsempfänger deutlich, dass der Dritte eine Erklärung des Versicherungsnehmers übermittelt, agiert der Dritte gerade nicht als Wissenserklärungsvertreter, sondern als Bote. Für einen Boten muss der Versicherungsnehmer wiederum nur dann einstehen, wenn ihn ein eigenes Auswahl- oder Kontrollverschulden trifft. Auch ein Dritter, der dem Versicherungsnehmer beim Ausfüllen des Schadensformulars hilft, gibt keine eigene Wissenserklärung ab und ist damit kein Wissenserklärungsvertreter, sondern agiert als Erklärungsgehilfe (BGH NJW 1995, 662; OLG Hamm NJW-RR 1997, 862).

Handeln im Namen des Versicherungsnehmers

Der Dritte muss die Willenserklärung zudem anstelle des Versicherungsnehmers abgeben. Demnach sind dem Versicherungsnehmer keine Erklärungen zuzurechnen, die der Dritte im eigenen Namen und Interesse gegenüber dem Versicherer abgibt (BGH VersR 1969, 695 (696)).

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Zurechnung der Erklärung

Dem Versicherungsnehmer werden die Erklärungen seines Wissenserklärungsvertreters zugerechnet. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Dritte ohne Wissen und Billigung des Versicherungsnehmers bewusst falsche Angaben macht (OLG Düsseldorf v. 30.9.1998).

Darüber hinaus wird dem Versicherungsnehmer das Wissen des Dritten als objektive Voraussetzung für die Obliegenheitsverletzung sowie das Verschulden bzw. Untätigbleiben des Dritten zugerechnet. Der Versicherungsnehmer muss sich also auch Vorsatz und Arglist des Wissenserklärungsvertreters zurechnen lassen (siehe auch Arglist des Wissenserklärungsvertreters (OLG Köln)).

Die Zurechnung bewirkt, dass sich der Versicherungsnehmer weder mit fehlendem Wissen noch mit fehlendem eigenem Verschulden entlasten kann, wenn sein Wissenserklärungsvertreter schwer schuldhaft gehandelt hat. (BGH VersR 1967, 343)

Praxisbeispiele der Wissenserklärungsvertretung

In der Rechtsprechung sind bereits einige praxisrelevante Entscheidungen zum Wissenserklärungsvertreter ergangen:

  • Familiärer Bereich: Nach Auffassung des BGH kann der Ehegatte eines Versicherungsnehmers auch bei einer intakten ehelichen Lebensgemeinschaft nicht ohne Weiteres als Wissenserklärungsvertreter angesehen werden (BGHZ 122, 388 (389)). Vielmehr muss nach den allgemeinen Grundsätzen eine zumindest konkludente Betrauung des Ehegatten mit der Abgabe der betreffenden Erklärung festgestellt werden. Das gleiche gilt bei sonstigen Angehörigen des Versicherungsnehmers (Eltern, Kinder, Geschwister etc.). So hat der Versicherungsnehmer für die Erklärungen seines Sohnes einzustehen, wenn er ihn damit beauftragt hat, den Versicherungsfall abzuwickeln und dabei die sachdienlichen Erklärungen gegenüber dem Versicherer abzugeben (OLG Hamm VersR 1998, 622 (623)).
  • Betrieblicher Bereich: Auch im Rahmen des betrieblichen Bereichs ist für die Wissenserklärungsvertretung maßgeblich, ob der betreffende Mitarbeiter im Betrieb des Versicherungsnehmers für die Abgabe der in Frage stehenden Erklärung anstelle des Versicherungsnehmers zuständig ist. Neben einer Betrauung des Mitarbeiters mit der Bearbeitung des konkreten Versicherungsfalles (siehe auch Arglistige Täuschung durch einen Mitarbeiter (OLG Koblenz)) genügt es auch, dass der Mitarbeiter aufgrund seiner betrieblichen Stellung generell die entsprechenden Angelegenheiten zu regeln hat (BGHZ 122, 388 (390)).

Fazit

Ob eine Erklärung Dritter dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden kann, hängt also von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Bei Streitigkeiten mit dem Versicherer kann es sich daher durchaus empfehlen einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt Bernhard Gramlich

Rechtsanwalt Bernhard Gramlich ist seit 2019 angestellter Anwalt der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2020 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Als Rechtsanwalt hat er bereits einer Vielzahl von Versicherungsnehmern bei der  Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber Versicherern geholfen.

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