Das OLG Koblenz hatte sich mit Urteil (OLG Koblenz, Urt. v. 26. 2. 1999 – 10 U 178/98) mit der Frage zu befassen, ob sich der Versicherungsnehmer auch das obliegenheitswidrige Unterlassen einer Erklärung durch einen Wissenserklärungsvertreter zurechnen lassen muss.
Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer bestand eine Warenkreditversicherung. Grundlage des Vertrages waren die Allgemeinen Bedingungen für die Warenkreditversicherung.
Die Versicherungsnehmerin stand mit der Firma I-GmbH in Geschäftsbeziehung. Sie erwirkte am 19.08.1994 durch einen von ihr beauftragten Rechtsanwalt gegen diese Firma einen Mahnbescheid wegen einer offenen Rechnung vom 04.08.1994. Am 08.09.1994 erging der Vollstreckungsbescheid. Am 05.10.1994 meldete der Rechtsanwalt dem Versicherer den Schaden.
Die Versicherungsnehmerin nahm den Versicherer unter Berücksichtigung einer schließlich noch offenen Forderung abzgl. einer Selbstbeteiligung auf Zahlung in Anspruch. Der Versicherer lehnte die Leistung jedoch wegen einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers ab. Er behauptet, eine Rechnung vom 4.8.1994 wäre bei rechtzeitiger Meldung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids nicht mehr entschädigungspflichtig gewesen. Auch ein weiterer bei ihm versicherter Lieferant habe nach dem Mahnantrag noch Lieferungen getätigt, wodurch ein weiterer Schaden entstanden sei. Die Versicherungsnehmerin verfolgte ihr Begehren nunmehr gerichtlich.
Nach Ansicht des OLG Koblenz lag zunächst ein Verstoß gegen die Allgemeinen Bedingungen für die Warenkreditversicherung vor. Denn der von der Versicherungsnehmerin mit der Beitreibung von Forderungen beauftragte Rechtsanwalt hatte die Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens und den Erlass des Mahnbescheides dem Versicherer nicht unverzüglich angezeigt, sowie erst nach dem Erlass des Vollstreckungsbescheides eine Schadensmeldung gefertigt, woraufhin der Versicherer den Versicherungsschutz für die Firma aufgehoben hatte.
Die Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens habe einen gefahrerhöhenden Umstand dargestellt. Gemäß den Allgemeinen Bedingungen für die Warenkreditversicherung sei der Versicherer leistungsfrei, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn der Versicherungsnehmer eine ihm nach Gesetz oder Versicherungsvertrag auferlegte Verpflichtung, d.h. Obliegenheit, nicht erfüllt. Die Versicherungsnehmerin muss sich dabei den Verstoß des Rechtsanwaltes gegen die Allgemeinen Bedingungen für die Warenkreditversicherung als eigene Obliegenheitsverletzung zurechnen lassen.
Zunächst habe sich die Versicherungsnehmerin das Verhalten ihres Rechtsanwaltes jedoch nicht als ihres Repräsentanten zurechnen zu lassen. Der Rechtsanwalt sei nämlich weder als risikoverwaltender noch als vertragsverwaltender Repräsentant für die Versicherungsnehmerin tätig geworden. Denn Repräsentant sei, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (zur Repräsentantenstellung siehe auch Der Repräsentant des Versicherungsnehmers). Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reiche in diesem Zusammenhang nicht aus. Vorliegend sei der Rechtsanwalt zwar mit dem Inkasso von Forderungen und deren Durchsetzung beauftragt, diese Beauftragung beschränke sich jedoch auf die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche. Insbesondere habe er keine umfassende Befugnis über den Bestand der Forderungen Verfügungen zu treffen, eigenständig mit Schuldnern zu verhandeln, auf Forderungen ggf. zu verzichten bzw. diese zu ermäßigen gehabt. Er sei insofern an die Weisungen der Versicherungsnehmerin gebunden gewesen.
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Allerdings müsse sich die Versicherungsnehmerin die Obliegenheitsverletzung deshalb zurechnen lassen, weil der von ihr beauftragte Rechtsanwalt ihr Wissenserklärungsvertreter gewesen sei. Der Versicherungsnehmer haftet für die Angaben derjenigen Personen, die er mit der Erstattung von Auskünften gegenüber dem Versicherer betraut hat, so das OLG Koblenz. Dabei müsse sich die Versicherungsnehmerin auch das Unterlassen einer erforderlichen Wissenserklärung zurechnen lassen.
Der Versicherungsnehmerin sei jedoch der Kausalitätsgegenbeweis teilweise gelungen. Sie hat danach nachgewiesen, dass die Obliegenheitsverletzung im Wesentlichen keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der dem Versicherer anlässlich des Versicherungsfalls obliegenden Leistungen gehabt habe. Insbesondere sei der Versicherungsnehmerin der Nachweis gelungen, dass die Aufhebung des Versicherungsschutzes durch den Versicherer keinen Einfluss auf versicherte Forderungen gehabt haben. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Versicherer bei rechtzeitiger Schadensmeldung vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gegen die Firma noch hätte Sicherungsmaßnahmen treffen können. Lediglich bezüglich der Forderung vom 04.08.1994 sei der Versicherungsnehmerin der Kausalitätsgegenbeweis nicht gelungen, da nicht auszuschließen sei, dass der Versicherer bei unverzüglicher Kenntnis vom Mahnantrag für diese Forderung keinen Versicherungsschutz gewährt hätte. Insoweit habe die Versicherungsnehmerin den Kausalitätsgegenbeweis nicht erbracht.
Das Gericht entschied, dass der Versicherungsnehmerin insoweit ein Anspruch aufgrund des Warenkreditversicherungsvertrages auf Ersatz der Ausfälle an Forderungen bezüglich der Warenlieferungen an die Firma zusteht.
Ob ein Dritter als Wissenserklärungsvertreter fungiert hat, ist stets im Einzelfall zu prüfen. Lehnt der Versicherer daher eine Leistung ab, so kann es durchaus sinnvoll sein, einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu kontaktieren. Gerne steht hierfür auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie u.a. auch unter Der Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers.
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