Arglistige Täuschung durch einen Mitarbeiter (OLG Koblenz)

Das OLG Koblenz hatte sich mit Urteil vom 20. 05. 2005 (Az.: 10 U 692/04) mit der Frage zu befassen, ob der Versicherungsnehmer für eine arglistige Täuschung durch einen Mitarbeiter einzustehen hat.

Vorlegen einer gefälschten Rechnung

Die Versicherungsnehmerin betreibt einen Handel mit Teppich, Teppichböden, Parkett und Tapeten. Sie war bis Anfang Juli 2000 gegen Brand- und Leitungswasserrisiko versichert und erhob zunächst Ansprüche wegen eines Brandschadens vom 8.9.1999. Der Versicherer ersetzte wegen des Brandes einen Gebäudesachaden von 5.129,00 DM sowie nach längeren Verhandlungen für den Inhaltsschaden auf Grund einer Vereinbarung vom 4. 11. 1999 einen Betrag von insgesamt 13.000,00 DM. Bei der Regulierung dieses Schadens legte die Versicherungsnehmerin Rechnungen über Teppiche vor, die sie angeblich bei dieser Firma zu den angegebenen Preisen erworben hatte.

Sodann macht die Versicherungsnehmerin auch Ansprüche wegen eines Wasserschadens vom 26.6.2000 geltend. Der Versicherer stellte bei der Abwicklung des Wasserschadens jedoch Unregelmäßigkeiten fest und lehnte die Leistung hinsichtlich dieses Schadensereignisses ab. Auch hinsichtlich des Brandschadens überprüfte der Versicherer daraufhin nochmals die Schadensregulierung und stellte fest, dass die vorgelegte Rechnung der Teppiche gefälscht war.

Der Versicherer berief sich infolgedessen auch bezüglich des Ereignisses vom 8.9.1999 auf eine Leistungsfreiheit und focht die Vereinbarung vom 4.11.1999 wegen arglistiger Täuschung an. Die Versicherungsnehmerin machte geltend, die gefälschten Belege seien erst nach Abschluss des Vergleichs mit dem Versicherer übermittelt worden und deswegen nicht für den Vergleichsabschluss ursächlich gewesen. Zudem seien die Belege nicht von ihr oder einem ihrer Mitarbeiter verfälscht worden. Der Versicherer begehrt trotzdem die Rückzahlung des zur Regelung des Versicherungsfalls zu viel gezahlten Betrages und verfolgte sein Begehren gerichtlich. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Versicherers.

Arglistige Täuschung bei der Entschädigungsverhandlung

Das OLG Koblenz kam zu dem Ergebnis, dass die Versicherungsnehmerin versucht habe, den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Damit habe sie ihren Anspruch gegen den Versicherer auf Leistung verwirkt.

Konkret habe die Versicherungsnehmerin dem Versicherer im Rahmen der Verhandlungen über die Höhe der Entschädigung zum Nachweis ihres Brandschadens eine Rechnung über Teppiche vorgelegt, die gefälscht war. Dies habe die Versicherungsnehmerin auch zugestanden. Weiterhin sei die Rechnung entgegen der Behauptung der Versicherungsnehmerin nicht erst nach Abschluss der Vereinbarung vom 4.11.1999 eingereicht worden, sondern bereits während der Verhandlungen über die Höhe der Entschädigung. Es ergab sich nämlich aus dem Eingangsvermerk der Bezirksdirektion des Versicherers, dass die Rechnung am 3.11.1999 dort eingegangen ist.

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Zurechnung des Verhaltens des Mitarbeiters als Wissenserklärungsvertreter

Das OLG Koblenz war ferner der Überzeugung, die gefälschte Rechnung sei durch den für die Versicherungsnehmerin bei der Abwicklung des Schadensfalls handelnden Mitarbeiters vorsätzlich beim Versicherer eingereicht worden, um die Abwicklung des Schadensfalls in ihrem Sinn zu erreichen. Es sei unerheblich, ob die Geschäftsführerin der Versicherungsnehmerin selbst Kenntnis davon hatte, dass zur Abwicklung des Versicherungsfalles eine gefälschte Rechnung eingereicht worden war. Vielmehr müsse sich die Versicherungsnehmerin die Kenntnis und das Handeln ihres ehemaligen Mitarbeiters als ihres Wissenserklärungsvertreter zurechnen lassen. Der ehemalige Mitarbeiter war nämlich durch die Geschäftsführerin mit der Abwicklung des Versicherungsfalls beauftragt worden.

Das Schreiben, mit dem die gefälschte Rechnung an den Versicherer übermittelt wurde, trug die Unterschrift des Mitarbeiters. Der Zeitablauf spreche zudem dafür, dass die Fälschung nur durch einen Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin vorgenommen worden sein kann. Auch die Darstellungen der Versicherungsnehmerin zu der Frage, wie es zur Vorlage der gefälschten Rechnung gekommen sein konnte, unterstützen den Schluss, dass die Fälschung durch den Mitarbeiter vorgenommen wurde.

Die Versicherungsnehmerin gab an, sie könne sich dies nur so erklären, dass ein ggf. in der konkreten Situation überforderter und überarbeiteter Mitarbeiter „ohne böse Absicht“ diese Belege übermittelt habe. Es sei auch keine Täuschung über die Schadenshöhe erfolgt. „Einzig und allein um bürokratischen Aufwand zu vermeiden und um die Angelegenheiten vom Tisch zu bekommen“ habe sodann ihr Mitarbeiter, insbesondere um nicht in aufwendiger Kleinarbeit die Originalbelege herauszusuchen, diese Belege übermittelt. Nach Auffassung des OLG Koblenz sei damit zugunsten des Versicherers der Nachweis für ein arglistiges Verhalten des Mitarbeiters erbracht.

Wann liegt Arglist vor?

In diesem Zusammenhang sei unerheblich, ob die in der Rechnung genannten Teppiche tatsächlich am Schadentag im Besitz der Versicherungsnehmerin waren und ihr in Folge einer Beschädigung dieser Teppiche ein Schaden in der behaupteten Höhe entstanden ist. Die falschen Angaben und Belege müssen einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgen. Indessen werde keine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers vorausgesetzt, sondern es genüge das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche zu beseitigen. Ein Versicherungsnehmer handele bereits dann arglistig, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann.

Leistungsfreiheit des Versicherers

Der Versicherer sei weiterhin auch deshalb leistungsfrei, weil die Versicherungsnehmerin ihrer Verpflichtung aus den Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und zum Nachweis ihres Schadens dem Versicherer entsprechende Belege zu überlassen, nicht nachgekommen sei. Der Versicherer sei demnach nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen, da er wegen der Obliegenheitsverletzung der Versicherungsnehmerin von seiner Leistung frei geworden war. Somit könne der Versicherer von der Versicherungsnehmerin die Rückzahlung des auf Grund des Schadensfalls vom 8.9.1999 geleisteten Betrages verlangen.

Fazit

Betraut der Versicherungsnehmer einen Mitarbeiter mit der Bearbeitung eines Versicherungsfalls, so kann das Verhalten dieses Mitarbeiters dem Versicherungsnehmer durchaus als Wissenserklärungsvertreter zugerechnet werden mit der Folge, dass der Versicherungsnehmer auch für eine arglistige Täuschung durch seinen Mitarbeiter einzustehen hat. Gleichwohl hängt die Frage, ob ein Mitarbeiter als Wissenserklärungsvertreter tätig worden ist, stets von den konkreten Umständen des Einfalles ab. Sollte sich ein Versicherer daher darauf berufen, dass ein Mitarbeiter als Wissenserklärungsvertreter zu behandeln ist, kann es durchaus sinnvoll sein, einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Sachverhaltes zu prüfen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Einen weiterführenden Artikel zum Wissenserklärungsvertreter finden Sie hier: Der Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers.

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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