Falschangaben zum Alkoholkonsum: Sohn als Wissenserklärungsvertreter? (OLG Köln)

Das OLG Köln hatte sich mit Urteil v. 15. 07. 2014 – 9 U 204/13 mit der Frage zu befassen, ob der Sohn als Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers betrachtet werden kann und ob dem Versicherungsnehmer daher Falschangaben zum Alkoholkonsum zugerechnet werden können.

Verkehrsunfall im Zusammenhang mit Alkohol

Der Versicherungsnehmer war Eigentümer eines Mercedes Benz und unterhielt bei dem Versicherer eine Kfz-Vollkaskoversicherung. Das Fahrzeug wurde überwiegend vom Versicherungsnehmer selbst genutzt und finanziert.

Im März 2012 kam es zu einem Unfall mit Drittbeteiligung. Der Sohn des Versicherungsnehmers, der das Fahrzeug nur gelegentlich und nur mit Erlaubnis seines Vaters benutzen durfte und auch nicht im Besitz eines Fahrzeugschlüssels war, nahm den Fahrzeugschlüssel ohne Kenntnis des Versicherungsnehmers an sich, fuhr gegen 7.00 Uhr mit dem Wagen los und verursachte einen Verkehrsunfall. Die Untersuchung der beim Sohn um 8.22 Uhr entnommenen Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,20 Promille.

Der Versicherungsnehmer machte infolge des Verkehrsunfalls Versicherungsleistungen geltend. Der Versicherer berief sich jedoch auf eine Leistungsfreiheit wegen arglistiger Verletzung der Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit. Im Schadensformular war nämlich angegeben worden, dass der Sohn zum Unfallzeitpunkt nicht alkoholisiert gewesen sei.

Der Versicherungsnehmer argumentierte daraufhin, er habe das Ausfüllen und Unterschreiben der Schadensanzeige seinem Sohn überlassen, da er selbst beim Unfall nicht zugegen gewesen sei und deswegen keine Angaben zum Unfall habe machen können. Es kam daher für die Entscheidung des Verfahrens darauf an, ob der Sohn als Wissenserklärungsvertreter einzuordnen gewesen ist und etwaige Falschangaben zum Alkoholkonsum dem Versicherungsnehmer zurechenbar sind.

Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers

Die Aufklärungsobliegenheit erstrecke sich auf alle Umstände, die für die Aufklärung des Sachverhaltes, die Minderung des Schadens oder die Deckungspflicht des Versicherers bedeutsam sein können. Hierbei komme es für die vom Versicherungsnehmer konkret zu leistenden Angaben in erster Linie auf die Fragen im Schadensformular oder die Rückfragen an den Versicherungsnehmer an. Der Versicherer habe im vorliegenden Fall explizit nach stattgefundenem Alkoholgenuss gefragt und der Sohn des Versicherungsnehmers habe dies durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens verneint.

Falschangaben zum Alkoholkonsum?

Das OLG Köln stellte zunächst fest, dass die Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit zumindest objektiv verletzt worden sei. Hierfür war es unerheblich, ob der Sohn den Unfall bereits im alkoholisierten Zustand verursacht hatte oder – wie vom Versicherungsnehmer später behauptet – erst unmittelbar nach dem Verkehrsunfall eine Flasche Jägermeister getrunken hatte. Auch das Verschweigen eines Nachtrunks würde nämlich eine Aufklärungsobliegenheitsverletzung darstellen, so das Gericht.

Grund dafür sei, dass ein ins Gewicht fallender Nachtrunk die spätere Bestimmung des Blutalkoholwertes zum Unfallzeitpunkt erschwere und dies die Obliegenheit des Versicherungsnehmers verletze, alles zu tun, was zur Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Demzufolge hätte der Sohn des Versicherungsnehmers zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage nach stattgefundenem Alkoholkonsum auch den nunmehr von ihm behaupteten Nachtrunk einer Flasche Jägermeister angeben müssen. Insbesondere, da der Nachtrunk noch am Unfallort stattgefunden haben muss, weil auch der von den Polizeibeamten vor Ortdurchgeführte Atemtest bereits eine Blutalkoholkonzentration von 0,61 Promille ergeben habe. Dies lasse sich nicht mit den vom Sohn behaupteten zwei Gläsern Bier 7 bis 8 Stunden vor dem Unfall erklären.

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Arglistiges Verhalten des Sohnes

Ungeachtet der jeweiligen Behauptungen sei das Verschweigen des stattgefundenen Alkoholkonsums durch den Sohn vorsätzlich und darüber hinaus auch arglistig erfolgt. Arglist sei zu bejahen, wenn der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirken will. Dafür sei eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers nicht erforderlich, vielmehr genüge es, dass er einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann.

Sohn als Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers

Der Versicherungsnehmer hatte sich die Falschangaben seines Sohnes in der Schadensanzeige wie seine eigene zuzurechnen. Er hatte nämlich den Sohn als Wissenserklärungsvertreter mit der Erfüllung der Aufklärungsobliegenheit betraut.

Wissenserklärungsvertreter in diesem Sinne sei, wer vom Versicherungsnehmer mit der Erfüllung von dessen Obliegenheiten und zur Abgabe von Erklärungen anstelle des Versicherungsnehmers betraut worden ist. Nicht erforderlich sei hierzu, dass der Wissenserklärungsvertreter regelmäßig die Versicherungsangelegenheiten des Versicherungsnehmers erledigt. Vielmehr reiche ein einmaliges Tätigwerden für den Versicherungsnehmer aus. Indem der Versicherungsnehmer seinen Sohn nach eigenen Angaben insgesamt damit beauftragt hatte, die Schadensanzeige an seiner Stelle zu fertigen und zu unterschreiben, seien die Voraussetzungen einer Stellung des Sohns als Wissenserklärungsvertreter erfüllt. Insbesondere habe sich der Versicherungsnehmer nicht nur die Erklärungen seines Sohnes durch eigene Unterschrift unter der Schadensanzeige zu eigen gemacht, sondern damit letztlich eine eigene Erklärung abgegeben. Dementsprechend muss sich der Versicherungsnehmer die vorsätzlich falschen Angaben seines Sohnes zurechnen lassen. Auf den Einwand des Versicherungsnehmers, er habe selbst auch nicht über bessere Erkenntnisse hinsichtlich des Alkoholkonsums seines Sohnes verfügt, komme es wegen der Stellung seines Sohnes als Wissenserklärungsvertreter nicht an.

Fazit

Falschangaben zum Alkoholkonsum durch den Sohn des Versicherungsnehmers können dem Versicherungsnehmer zugrechnet werden, wenn der Sohn als Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers fungiert hat. Hierdurch kann es zur Leistungsfreiheit des Versicherers kommen. Ob der Sohn als Wissenserklärungsvertreter fungiert hat, ist jedoch stets im Einzelfall zu prüfen. Lehnt der Versicherer daher eine Leistung ab, so kann es durchaus sinnvoll sein, einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu kontaktieren. Gerne steht hierfür auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie u.a. auch unter Der Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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