Neue gesetzliche Regelungen zur Stornohaftungszeit verdrängen bestehende Vertriebsvereinbarungen (KG Berlin)

Das KG Berlin hat mit Beschluss vom 04.06.2021 (Az.: 2 U 5/18) entschieden, dass neue gesetzlichen Regelungen zur Stornohaftungszeit bestehende Vereinbarungen zu abweichenden Stornohaftzeiten verdrängen können.

Neue gesetzliche Regelungen zur Stornohaftungszeit nach Abschluss des Handelsvertretervertrages

Zwischen einer Vertriebsgesellschaft für Versicherungen und einem Versicherungsvertreter war zunächst ein Handelsvertretervertrag geschlossen worden. In diesem wurde vereinbart, dass der Stornohaftungszeitraum zwölf Monate betragen soll.

Nachdem es zu einer Neureglung der gesetzlichen Stornohaftungszeit gekommen war, bot die Versicherungsgesellschaft eine Anpassung des Stornohaftungszeitraums an. Einer solchen Anpassung widersprach der Versicherungsvertreter jedoch. Daraufhin teilte die Vertriebsgesellschaft mit, dass sie Neuvermittlungen lediglich entsprechend der neuen gesetzlichen Regelungen provisionieren werde.

Die Vertragsbeziehung wurde fortgeführt und weiterhin Versicherungen vermittelt. Nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages kam es zu Streitigkeiten, ob der Vertriebsgesellschaft ein Rückzahlungsanspruch in Bezug auf unverdiente Provision zusteht (vgl. auch Rückforderung von unverdienten Provisionen: So kann sich der Versicherungsvertreter wehren!). Entscheidend war dabei, ob der zunächst vertraglich vereinbarte Stornohaftungszeitraum von zwölf Monaten oder der inzwischen geltende gesetzliche Zeitraum von fünf Jahren maßgeblich ist.

Das LG Berlin hat mit Urteil vom 21.12.2017 (Az.: 31 O 395/15) die gesetzliche Regelung für maßgeblich erklärt und der Vertriebsgesellschaft einen Anspruch auf Provisionsrückforderung zugesprochen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Versicherungsvertreter mittels Berufung.

Neue gesetzliche Regelungen zur Stornohaftungszeit sind maßgeblich

Das KG Berlin hat entschieden, dass mit dem Inkrafttreten der neuen Regelung für den Stornohaftungszeitraum dieser zu berücksichtigen ist. Hierfür bedurfte es keiner gesonderten vertraglichen Änderung. Der gesetzliche Stornohaftungszeitraum war damit auf Altverträge von Versicherungsvertretern anwendbar.

Somit wurde die Entscheidung der Vorinstanz aufrechterhalten und der Vertriebsgesellschaft steht ein Anspruch auf Rückzahlung unverdienter Provision zu. Der entsprechende Stornohaftungszeitraum von fünf Jahren war zum Zeitpunkt, der Kündigung der Versicherungsverträge, nämlich noch nicht abgelaufen.

Fazit zur Entscheidung des KG Berlin

Die Entscheidung aus Berlin zeigt wie schnell es trotz klarem Widerspruch des Versicherungsvertreters gegen die Erhöhung der Stornohaftungszeiten trotzdem zu deren Erhöhung kommen kann. Werden Versicherungsvertreter also mit Vertragsänderungen konfrontiert, sollten sie durchaus nicht nur ihre ausdrücklichen Erklärungen – mündlich wie schriftlich – berücksichtigen. Im Zweifel empfiehlt es sich rechtlichen Rat durch einen im Handelsvertreterrecht spezialisierten Rechtsanwalt einzuholen, wenn man die Änderung des Handelsvertretervertrages jedenfalls verhindern will.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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