Das OLG München hatte in seinem Urteil vom 30.06.2016 (Az.: 23 U 3265/15) darüber zu entscheiden, ob die Sperrung eines Zugangs zu einem Online-Portal eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages rechtfertigen kann.
In der Sache haben sich ein Versicherungsvertreter und ein Versicherungsunternehmen darüber gestritten, ob seitens des Versicherungsunternehmens Auskunfts- und Schadensersatzansprüche gegen den Versicherungsvertreter bestehen. Dafür war maßgeblich, ob eine außerordentliche Kündigung des Versicherungsvertreters zur Beendigung des Handelsvertretervertrages geführt hatte.
Im Zuge des Abschlusses des Handelsvertretervertrages schlossen Versicherer und Versicherungsvertreter auch eine „Vereinbarung zur Nutzung des VOB Portals“. Nach einigen Jahren gemeinsamer Zusammenarbeit wendete sich der Versicherungsvertreter mit einem Schreiben an das Versicherungsunternehmen und rügte, dass eine fällige Provision noch ausstehe und zudem inzwischen eine höhere Vergütungsstufe von ihm erreicht worden sei, diese aber bisher bei der Abrechnung nicht berücksichtigt wurde. Zeitgleich wies er darauf hin, dass sollte die höhere Vergütungsstufe nicht berücksichtigt und die Provision nicht ausgezahlt werden er sich zu einer außerordentlichen Kündigung gezwungen sehe. Daraufhin sperrte das Versicherungsunternehmen am selben Tag den Zugang zu dem VOB Portal.
Der Versicherungsvertreter sprach gegenüber dem Versicherer sodann eine Abmahnung aus mit dem Inhalt, den Zugang für das Online-Portal innerhalb von drei Stunden wieder frei zu geben, sonst würde es zu einer außerordentlichen Kündigung kommen. Das Versicherungsunternehmen reagierte nicht, woraufhin vom Versicherungsvertreter die außerordentliche Kündigung erklärt wurde.
Das OLG München stellt fest, dass der Versicherungsvertreter wirksam das Handelsvertreterverhältnis durch außerordentliche Kündigung beendet habe. Als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung erkannte das Gericht die Sperrung des VOB Portals Zugangs an.
Das Versicherungsunternehmen war nicht dazu berechtigt den Zugang zum Online-Portal zu sperren. Eine solche Berechtigung hätte entsprechend der Nutzungsvereinbarung lediglich bestanden, wenn der Handelsvertretervertrag gekündigt worden wäre. Dies war jedoch zum Zeitpunkt der Sperrung nicht geschehen. Auch für eine temporäre Sperrung, welche zulässig gewesen wäre, wenn die Nutzungspauschale nicht entrichtet worden wäre, war vorliegend nicht zulässig. Die Nutzungsvereinbarung für das Portal stellt keinen eigenen Vertrag, mit eigener Bedeutung dar, sondern dient lediglich dazu die Tätigkeit des Versicherungsvertreters zu erleichtern.
Die grundlose Sperrung des Zugangs und die Nichtfreigabe trotz Abmahnung stellt eine erhebliche Missachtung der berechtigten Interessen des Versicherungsvertreters dar, wodurch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt gewesen ist. Zusätzlich verweist das Gericht darauf, dass auch die Abrechnung auf einer geringeren Vergütungsstufe eine erhebliche Vertragsverletzung und somit einen möglichen Kündigungsgrund darstellt.
Das Urteil des OLG München ist aus Sicht der Versicherungsvertreter zu begrüßen. Allerdings ist auch zu erwähnen, dass sich Inhalt und Ausgestaltung von Nutzungsvereinbarungen über entsprechende EDV-Zugänge stark von Versicherer zu Versicherer unterscheiden. Da das OLG München zur Begründung der Entscheidung genau auf die hier verwendete Nutzungsvereinbarung eingeht, dürfte das Urteil nicht pauschal übertragbar sein, sondern es bedarf einer genauen rechtlichen Prüfung der im konkreten Einzelfall verwendeten Nutzungsvereinbarung. Gerne steht hierfür auch die u.a. im Handelsvertreterrecht spezialisierte Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow zur Verfügung.
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
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