Das OLG Frankfurt hatte darüber zu befinden, ob der Wunsch nach Beitragsfreistellung für den Versicherer eine Beratungspflicht auslöst.
Der Versicherungsnehmer unterhielt bei dem beklagten Versicherer insgesamt vier kapitalbildende Lebensversicherungen mit Leistungen für den Todesfall.
Aufgrund von Liquiditätsengpässen trat der Versicherungsnehmer im August 2011 an den ihn betreuenden Versicherungsvertreter des beklagten Versicherers heran und bat um Reduzierung seiner monatlichen Belastungen. Es erfolgte daraufhin eine Beitragsfreistellung.
Im Mai 2012 nahm der Versicherungsnehmer die monatlichen Prämienzahlungen alsdann in der ursprünglichen Höhe wieder auf und beantragte auch die Wiederinkraftsetzung der Versicherungen. Dies verweigerte der Versicherer jedoch unter Verweis auf die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen. Danach konnte der Versicherer die Wiederinkraftsetzung von einer erneuten Gesundheitsprüfung abhängig gemacht werden.
Bevor der Versicherungsnehmer die für die erneute Gesundheitsprüfung erforderlichen Unterlagen einreichte, verstarb er. Seine Erbin machte nunmehr gegenüber dem Versicherer Schadensersatzansprüche geltend. Sie verlangte die Differenz zwischen der von dem Versicherer auf der Grundlage einer beitragsfreien Versicherung geleisteten Todesfallleistung zu den bei einem vollen Versicherungsschutz bestehenden Anspruch auf Todesfallleistung. Die Erbin begründete dies damit, dass der Versicherer verpflichtet gewesen wäre, den Versicherungsnehmer vor der Beitragsfreistellung darüber aufzuklären, dass nach Ablauf von 6 Monaten gemäß den Versicherungsbedingungen eine Wiederinkraftsetzung nur nach gesonderter Gesundheitsprüfung möglich sei.
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Das OLG Frankfurt gab der Erbin mit Urteil vom 22.03.2018 (Az.: 12 U 5/16) Recht und verurteilte den Versicherer zum Schadensersatz. Die Richter sahen in diesem Fall die Pflicht des Versicherers zur anlassbezogenen Beratung während der Laufzeit des Versicherungsvertrages nach § 6 Abs.4 VVG als verletzt an.
Der Wunsch nach Beitragsfreistellung ist aufgrund der für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht unmittelbar zu überblickenden Konsequenzen schon für sich allein genommen ein Anlass für eine Beratung, die eine Beratungspflicht gemäß § 6 Abs. 4 VVG nach sich zieht (so auch LG Landshut, Urteil vom 09. August 2013 – 72 O 3570/12). Diese Beratungspflicht hatte der beklagte Versicherer verletzt. Der Versicherer hätte dem Versicherungsnehmer vor Beantragung der Beitragsfreistellung mitteilen müssen, welche Ansprüche er im Fall von deren Durchführung hat und insbesondere, dass eine Wiederaufnahme nach Ablauf von 6 Monaten von einer Gesundheitsprüfung abhängig sein würde. Eine solche Beratung hat die Beklagte jedoch nicht erbracht.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherungsnehmer in nicht auslegungsfähiger Weise den Wunsch nach Beitragsfreistellung äußert. In diesem Fall bestünde ein Beratungsanlass nicht (OLG Frankfurt, Urteil vom 05. März 2015 – 3 U 131/13). Hier lag der Fall jedoch gerade anders. Der Versicherungsnehmer hatte sich nämlich persönlich an den Versicherungsvertreter des Versicherers gewandt und um Unterstützung nachgesucht.
Die Beratungspflichten während der Laufzeit des Versicherungsvertrages sind für den Versicherer anders als beim Versicherungsmakler gesetzlich geregelt. Allerdings wird auch vertreten, dass die Beratungspflichten während der Laufzeit auch einen Versicherungsmakler treffen. Zur sogenannten Betreuungspflicht verweisen wir auf unseren gesonderten Artikel „Die Betreuungspflichten des Versicherungsmakler“.
Versicherungsmakler sind daher gut beraten, dass Verlangen eines Versicherungsnehmers zur Beitragsfreistellung ihrer Versicherung als Anlass für eine weiterführende Beratung zu nehmen. Nur wenn der Wille des Versicherungsnehmers eindeutig feststeht, kann auf eine solche Beratung verzichtet werden. Es empfiehlt sich, die durchgeführte Beratung dann auch stets zu dokumentieren.
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