Falschberatung durch Versicherungsvermittler, Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler Beweislast

Aufklärungspflicht über eine Fahrerschutzversicherung (LG Erfurt)

Das LG Erfurt hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine ungefragte Aufklärungspflicht über eine Fahrerschutzversicherung besteht und nach welchen Kriterien sich ein Versicherungsnehmer auf eine mögliche Beratungspflichtverletzung berufen kann (LG Erfurt, Urt. v. 21.08.2019 – 8 O 1265/18).

Ablehnung des persönlichen Schadensausgleichs durch den Versicherer

Der Versicherungsnehmer unterhielt bei dem Versicherer für zwei seiner Fahrzeuge KFZ-Versicherungen, die jeweils 2014 und 2018 abgeschlossen wurden. Die Verträge enthielten eine Extrarubrik mit dem Ergänzungsmodul einer Fahrerschutzversicherung. Auf diese wurde zusätzlich schriftlich durch den Versicherer bei Abschluss des zweiten Vertrags hingewiesen. Für keine der beiden Versicherungsverträge wurde jedoch eine zusätzliche Fahrerschutzversicherung abgeschlossen. Die Fahrerschutzversicherung beinhaltete folgende Bestimmungen:

A.4 Fahrerschutz – wenn der Fahrer beim Lenken des Fahrzeugs verletzt oder getötet wird

Die Fahrerschutzversicherung ist eine Kfz-Unfallversicherung, deren Leistungen sich nach dem tatsächlich entstandenen Personenschaden richten.

A.4.1. Was ist versichert?

A.4.1.1 Stößt dem Fahrer beim Lenken des versicherten Fahrzeuges ein Unfall zu und wird er hierdurch verletzt oder getötet, ersetzen wir seinen unfallbedingten Personenschaden so, als ob wir für diesen Schaden in der Kfz-Haftpflichtversicherung nach A.1.1.1 eintrittspflichtig wären. Auf der Grundlage gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen des Privatrechts erstatten wir insbesondere:

– Verdienstausfallschaden

– Schmerzensgeld

A4.1.2 Ein Unfall liegt vor, wenn der Fahrer durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung oder den Tod erleidet.

Im Jahr 2017 kam es zu einem Unfall mit dem zuerst versicherten Fahrzeug des Versicherungsnehmers. Nach Anschaffung und Abschluss des Versicherungsvertrags für sein zweites Fahrzeug wurde der Versicherungsnehmer von seinem Rechtsanwalt über eine mögliche Fahrerschutzversicherung aufgeklärt. Daraufhin kontaktierte er den Versicherer und verlangte zusätzlich zu seinen bereits bestehenden Versicherungen eine Fahrerschutzversicherung. Zudem warf er dem Versicherer vor, er wäre seiner Aufklärungs- und Beratungspflicht über die Fahrerschutzversicherung nicht nachgekommen. Wäre eine Aufklärung erfolgt, hätte er den durch den Unfall im Jahr 2017 persönlich entstandenen Schaden ausgleichen müssen. Dieser belaufe sich auf insgesamt 154.098,08 € und setzte sich aus Schmerzensgeld und Verdienstausfallschaden zusammen.

Der Versicherer lehnte den Anspruch des Versicherungsnehmers ab. Er gab an, dass eine falsche Beratung nicht erfolgt sei. Dies sei besonders daraus zu schließen, dass auch bei Abschluss des zweiten Vertrags auf eine zusätzliche Fahrerschutzversicherung verzichtet worden sei, trotz einer Aufklärung des Versicherers über diese Möglichkeit der Absicherung. Der Versicherungsnehmer legte daraufhin Klage bei dem Landgericht Erfurt ein und verlangte den Ausgleich des persönlich entstandenen Schadens.

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Verletzung der Aufklärungspflicht über eine Fahrerschutzversicherung?

Das Landgericht Erfurt wies die Klage des Versicherungsnehmers zurück. Er könne sich nicht auf den nachträglichen Versicherungsschutz in Form des Fahrerschutzes berufen. Dies folge aus einer fehlenden Kausalität zwischen der Beratungspflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass von einem Beratungsfehler bei Abschluss des ersten Versicherungsvertrags ausgegangen werden könne. Demnach hätte der Versicherer den Versicherungsnehmer nach Auffassung des Gerichts auf die Möglichkeit einer Fahrerschutzversicherung hinweisen müssen (siehe dazu auch: Die Haftung des Versicherungsvertreters für Falschberatung). Dabei sei nicht anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer ausdrücklich um die Aufklärung über eine Fahrerschutzversicherung hätte bitten müsse. Auch müsse kein Wunsch nach einer umfassenden Beratung geäußert werden. Vielmehr sei es ausreichend, dass das Angebot des Versicherers existiere, mögliche Versicherungslücken durch eine Fahrerschutzversicherung zu schließen (siehe dazu auch: Aufklärungspflichten des Versicherungsvertreters bzgl. Lücken im Versicherungsschutz).

Dies folge aus der fehlenden Kenntnis der Bevölkerung über die Existenz eines derartigen Versicherungsschutzes. Folglich bestehe eine Aufklärungs- und Beratungspflicht über die Fahrerschutzversicherung.

Abschluss der Fahrschutzversicherung bei ordnungsgemäßer Beratung?

Eine ordnungsgemäße Aufklärung bei Abschluss des ersten Versicherungsvertrags sei vorliegend nicht erfolgt, so das Gericht. Ein gegenteiliger Beweis sei dem Versicherer nicht gelungen (siehe dazu auch: Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung). Dies führe aber dennoch nicht dazu, dass der Versicherungsnehmer seinen vorgetragenen Anspruch geltend machen könne. Denn der Versicherungsnehmer könne vorliegend nicht nachweisen, dass er bei einer ordnungsgemäßen Beratung eine Fahrerschutzversicherung abgeschlossen hätte. Dabei käme dem Versicherungsnehmer die Vermutung beratungsgemäßen Verhaltens zu. Das Landgericht Erfurt stellte diesbezüglich aber fest, dass bei umfassender Beratung zum Vertragsschluss nur eine verständige Entschlussmöglichkeit verbleiben dürfe. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall.

Ausschluss der Vermutungsregel

Bei einer Fahrerschutzversicherung gäbe es zwei mögliche Handlungsweisen. Der Abschluss einer Fahrerschutzversicherung oder kein Abschluss einer solchen Versicherung. Dies leitete das Gericht daraus ab, dass die Fahrerschutzversicherung nicht zwingend durch den Gesetzgeber vorgeschrieben werde. Weiterhin müsse der Versicherungsnehmer den Abschluss einer Fahrerschutzversicherung nicht ausschließen, sondern ausdrücklich wünschen. Ihr käme auch aufgrund ihres subsidiären Schutzcharakters neben der generellen Haftung Dritter keine existentielle Bedeutung zu.

Infolgedessen könne die Vermutung des beratungsgerechten Verhaltens nicht angewandt werden und der Kläger müsse beweisen, dass er sich beratungsgerecht verhalten hätte. Dies sei nicht anzunehmen, da der Versicherungsnehmer auch bei dem zweiten Vertrag mit dem Versicherer nach ordnungsgemäßer Beratung auf den Fahrerschutz verzichtete. Folglich sei ein Beweis des beratungsgerechten Verhaltens nicht gelungen. Somit läge zwar eine Verletzung der Aufklärungspflicht über eine Fahrerschutzversicherung vor. Aufgrund von fehlender Kausalität für den Schaden führe diese aber nicht zu einem Schadensersatzanspruch des Versicherten.

Beratung durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt zahlt sich aus!

Das Urteil des Landgericht Erfurts zeigt, dass den Versicherer grundsätzlich eine umfassende Aufklärungspflicht über eine Fahrerschutzversicherung trifft. Kommt es zu einer Verletzung dieser Pflicht, kann dies dazu führen, dass der Versicherungsnehmer so zu stellen ist, als hätte Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers in Form des Fahrerschutzes bestanden.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt erklärt, wann eine Aufklärungspflicht über eine Fahrerschutzversicherung vorliegt

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