Falschberatung durch Versicherungsvermittler, Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler Beweislast

Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung

Kommt es zu einem Beratungsfehler im Zusammenhang mit der Vermittlung einer Versicherung, so stellt sich für den Versicherungsnehmer oftmals die Frage, wer für diesen Beratungsfehler haftet und wen die Beweislast für die Beratungspflichtverletzung trifft. Mittels des vorliegenden Beitrages soll daher ein Überblick über die entsprechenden rechtlichen Gegebenheiten gegeben werden.

Die Haftung des Versicherers

Der Versicherer ist regelmäßig der wirtschaftlich stärkste und daher aus der Sicht des Versicherungsnehmers attraktivster Anspruchsgegner im Zusammenhang mit Haftungsansprüchen. Seite 2008 ist die Haftung des Versicherers in § 6 VVG gesetzlich normiert. Die gesetzliche Regelung sieht dabei Beratungspflichten sowohl bei Abschluss einer Versicherung vor, aber auch während der Laufzeit des Versicherungsvertrages.

Beratungspflichten bei Abschluss einer Versicherung

Nach § 6 Abs.1 VVG ist der Versicherer bei Abschluss einer Versicherung zur Beratung des Versicherungsnehmers verpflichtet. Eine Haftung für Beratungsfehler kann aber auch dann bestehen, wenn es nicht zum Abschluss einer Versicherung kommt, z.B. weil dem potentiellen Versicherungsnehmer vom Abschluss einer Versicherung abgeraten wird. Beratungsziel ist dabei, dem potentiellen Versicherungsnehmer die wohlinformierte, rationale Wahl eines seinen Wünschen und Bedürfnissen entsprechenden Versicherungsschutzes zu ermöglichen. Hierzu hat der Versicherer den Versicherungsnehmer anlassbezogen zu seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, zum möglichen Versicherungsschutz zu beraten und die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Den Versicherer trifft allerdings keine Pflicht zur allgemeinen Risikoanalyse. Die Beratungspflicht des Versicherers bezieht sich jedoch auf Risiken, deren Absicherung der Versicherungsnehmer wünscht.

Im Zuge dieser Beratung kann es zu einer Vielzahl unterschiedlicher Beratungsfehler kommen. Ein Beratungsfehler kann z.B. dann gegeben, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht hinreichend zum Absicherungsbedarf des Versicherungsnehmers oder dessen Absicherungswünschen befragt und daher bestimmte Risiken unversichert bleiben. Ebenso hat der Versicherer für ihn erkennbare Fehlvorstellungen des Versicherungsnehmers vom Inhalt des möglichen Versicherungsschutzes zu beseitigen.

Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer am Ende der Beratung das Versicherungsprodukt des Versicherers zu empfehlen, das den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers am ehesten gerecht wird. Bietet ein anderer Versicherer Produkte an, die das Bedürfnis des Versicherungsnehmer besser befriedigen als das beste Produkt des Versicherers, so muss der Versicherer aber dem Versicherungsnehmer nicht von einem Vertragsschluss mit ihm abraten, solange sich das Versicherungsprodukt des Versicherers überhaupt noch mit den Wünschen und Bedürfnissen des Versicherungsnehmers vereinbaren lässt.

Beratungspflichten während der Laufzeit einer Versicherung

Auch nach Abschluss – also während der Laufzeit – des Versicherungsvertrages besteht nach § 6 Abs.4 VVG eine anlassbezogene Beratungspflicht des Versicherers. Die Beratungspflicht besteht dabei im Hinblick auf eine Änderung bestehender Versicherungsverträge oder den Neuabschluss weiterer Versicherungsverträge.

Ein solcher Beratungsanlass kann sich für den Versicherer auch ohne Kontakt zum Versicherungsnehmer ergeben (z.B. wegen Gesetzesänderungen). Oftmals wird sich aber der Beratungsanlass aus einem Kontakt zum Versicherungsnehmer ergeben. Dies kann gegeben sein, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer vertragsrelevante Umstände mitteilt. Erkennt der Versicherungsnehmer selbst nicht die Relevanz dieser Umstände für den bestehenden Versicherungsvertrag, so kann dies eine weiterführende Beratungspflicht des Versicherers begründen.

Ausschlüsse von den Beratungspflichten

In vielen Fällen wird der Versicherer eine Beratung nicht selbst erbringen, sondern durch einen Mitarbeiter oder auch einen selbständigen Versicherungsvermittler. Oftmals werden Beratungsfehler dieser vom Versicherer beauftragten Personen dem Versicherer nach § 278 BGB zugerechnet. Dies gilt insbesondere für angestellte Außendienstmitarbeiter aber auch für selbständige Versicherungsvertreter. Anders ist es jedoch bei der Beratung durch einen Versicherungsmakler. Begibt sich der Versicherungsnehmer in die Beratung durch einen Versicherungsmakler, so ist ein Beratungsfehler des Versicherungsmaklers dem Versicherer regelmäßig nicht zurechenbar. Die Beratungspflicht des Versicherers ist im Fall einer Vermittlung des Versicherungsvertrages durch einen Versicherungsmakler sogar regelmäßig nach § 6 Abs.6 VVG ausgeschlossen. Eine Übersicht über den rechtlichen Status einzelner Personen im Außendienst des Versicherers finden Sie unter: Die rechtliche Stellung von im Außendienst der Versicherer beschäftigten Personen

Ebenso bestehen die Beratungspflichten nach § 6 Abs.6 VVG nicht im Fall, dass es sich um die Absicherung eines sogenannten Großrisikos handelt.

Die Haftung des Versicherungsvermittlers

Neben der Haftung des Versicherers für Beratungsfehler ist auch die Haftung des Versicherungsvermittlers im Versicherungsvertragsgesetz geregelt. Die Beratungspflichten bei Abschluss des Versicherungsvertrages sind dabei in § 61 Abs.1 VVG ähnlich der Beratungspflichten des Versicherers geregelt. Auch der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer daher anlassbezogen zu seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, zum möglichen Versicherungsschutz zu beraten und die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Wird der Beratungsfehler durch einen Versicherungsvertreter begangen, so führt die gesetzliche Regelung regelmäßig dazu, dass Versicherungsvertreter und Versicherer als Gesamtschuldner auf Schadensersatz haften.

Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Beratung des Versicherungsvermittlers zu stellen sind, ist jedoch zwischen der Beratung durch einen Versicherungsvertreter und der Beratung durch einen Versicherungsmaklers zu unterscheiden. Hintergrund ist, dass den Versicherungsmakler als treuhänderähnlichen Sachwalter des Versicherungsnehmer (siehe hierzu Versicherungsmakler ist treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers) weiterführende Verpflichtungen trifft, als den Versicherungsvertreter, der lediglich als Vertriebsorgan des Versicherers tätig wird.

Bezüglich der Beratung nach Abschluss des Versicherungsvertrages enthält das Versicherungsvertragsgesetz in § 61 VVG keine gesetzlich normierte Beratungsverpflichtung. Bei einem Versicherungsvertreter dürfte daher eine entsprechende Beratungsverpflichtung während der Laufzeit des Versicherungsvertrages nicht bestehen. Anders ist es jedoch bei einem Versicherungsmakler, bei dem sich eine Betreuungsverpflichtung aus seiner Stellung als treuhänderähnlicher Sachwalter ergeben kann: siehe hierzu Die Betreuungspflicht des Versicherungsmaklers

Aufgrund der umfangreichen Rechtsprechung zur Haftung der Versicherungsvermittler wegen Beratungsfehler haben wir hierzu jeweils gesonderte Beiträge erstellt. Diese finden Sie unter Die Haftung des Versicherungsmaklers und Die Haftung des Versicherungsvertreters

Rechtsanwalt für Versicherungsrecht

Bundesweite Vertretung durch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow vertritt ihre Mandanten bundesweit vor Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.

Zur Kontaktaufnahme

Beweislast für Beratungsfehler

Für den Ausgang eines Haftungsprozesses ist oftmals entscheidend, welcher Partei die Beweislast für den behaupteten Beratungsfehler zukommt. Hintergrund ist, dass die Beratung zu Versicherungsangelegenheiten oftmals im Vier-Augen-Gespräch stattfindet und daher keine Zeugen oder andere Beweismittel für die Beratungssituation und -inhalte zur Verfügung stehen. Es unterliegt in Haftungsprozessen also oftmals diejenige Partei, welcher der Beweislast zukommt.

Grundsätzlich hat der Schadensersatz begehrenden Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen, dass der Versicherer bzw. Versicherungsvermittler seine Beratungspflicht verletzt hat. Dies führt dazu, dass der Versicherungsnehmer oftmals im Haftungsprozess in einer schlechten Ausgangslage ist. Um diese Situation abzumildern, besteht neben der Beratungspflicht auch eine gesetzliche Dokumentationspflicht. Ziel der Dokumentation ist es dabei u.a. dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit des Nachweises über den Inhalt und Ablauf des Beratungsgespräches zu geben. Wird dem Versicherungsnehmer diese Nachweismöglichkeit genommen, indem keine oder lediglich eine unvollständige Beratungsdokumentation erstellt wird, so hat dies Auswirkungen auf die Beweislastverteilung. Die Nichtbeachtung der Dokumentationspflicht kann Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherungsnehmers bis hin zu einer Beweislastumkehr nach sich ziehen (siehe hierzu Umkehr der Beweislast bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation).

Umfang der Schadensersatzverpflichtung

Der Umfang der Schadensersatzverpflichtung richtet sich nach den Grundsätzen der Quasideckung. Wurde es infolge eines Beratungsfehlers unterlassen, ein bestimmtes Risiko abzudecken, so kann der Versicherungsnehmer danach verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er den erforderlichen Versicherungsschutz erhalten. Siehe hierzu Quasideckung: So ermittelt der BGH den Schaden des Versicherten bei einer Pflichtverletzung des Versicherungsvermittlers

Fazit

Wen die Haftung für Beratungsfehler bei der Vermittlung von Versicherungen trifft, hängt regelmäßig davon ab, wer die Beratung des Versicherungsnehmers durchgeführt hat und welchen rechtlichen Status diese Person hat. Sodann unterscheidet sich der Umfang der Beratungspflicht der einzelnen Beteiligten. Versicherungsnehmer sollten daher im Zweifelsfall einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt mit der Prüfung des Einzelfalles und der Ermittlung des richtigen Anspruchsgegners beauftragen.
Wir von der Kanzlei Jöhnke & Reichow betreuen Verfahren deutschlandweit. Die Kanzlei befindet sich in der Hansestadt Hamburg – unsere Rechtsanwälte betreuen Mandaten in Berlin, Köln, Frankfurt, München, Augsburg, Lübeck und vielen weiteren Städten. Wir unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.

Wurden Sie falsch beraten?

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

Zum Anwaltsprofil

Rechtsanwalt Jens Reichow

Mandantenstimmen:

Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.

Hinweise zu Kundenbewertungen

Bleiben Sie informiert – unser Newsletter!

Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.