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Die Uno-Actu-Mitteilung der Berufsunfähigkeitsversicherung (OLG Dresden)

Das Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden) hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob eine Befristung des Anerkenntnisses eines Berufsunfähigkeitsversicherers unter dem Gesichtspunkt einer Uno-Actu-Mitteilung zulässig ist (OLG Dresden, Urt. v. 22.08.2023 – 4 U 943/20).

Die Leistungsentscheidung der Berufsunfähigkeitsversicherung

Die Versicherungsnehmerin war seit 2012 berufstätig. Im dem vorliegenden Rechtsstreit verlangte sie von der beklagten Versicherung Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Am 04.07.2016 beantragte die Versicherungsnehmerin bei der Versicherung Leistungen wegen Berufsunfähigkeit für den Zeitraum ab dem 05.12.2014 bis zum 22.04.2016. Die Versicherung erklärte mit Schreiben vom 21.02.2017 ihre Einstandspflicht für Berufsunfähigkeitsleistungen für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis einschließlich zum 30.11.2015 an.

Die Klägerin war mit dieser Leistungsentscheidung nicht zufrieden. Sie beabsichtigte gegen die eingeschränkte Gewährung von Berufsunfähigkeitsleistungen rechtlich vorzugehen. Daraufhin erhob sie Klage vor dem Landgericht Dresden, welches der Klage im Wesentlichen stattgegeben hat (LG Dresden, Urt. v. 09.04.2020 – 8 O 1042/18). Gegen diese Entscheidung des Landgerichts legte die Versicherung Berufung zum Oberlandesgericht Dresden ein.

Vollumfängliches Anerkenntnis durch Auslegung?

Die Berufung der Versicherung hatte teilweise Erfolg. Dass die Versicherungsnehmerin im Zeitraum zwischen dem 01.01.2015 bis einschließlich zum 30.11.2015 bedingungsgemäß berufsunfähig war, war zwischen den Parteien unstreitig. Die Versicherung müsse den zum 01.01.2015 eingetretenen Zustand der Berufsunfähigkeit auch im weiteren Verlauf bis zur Zustellung der Klageerwiderung gegen sich gelten lassen, denn sie habe diesbezüglich mit Schreiben vom 21.02.2017 ein Anerkenntnis abgegeben, so das OLG weiter. Weiter führt das OLG aus, die Versicherung habe das Anerkenntnis weder wirksam rückwirkend befristet noch habe sie im Wege einer sogenannten „Uno-Actu-Entscheidung“ den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Änderungsmitteilung im Zuge einer Nachprüfungsentscheidung genügt. Bezüglich dieser Thematik ist nachfolgend ein weiterführender Artikel zu finden: „Rückwirkend befristetes Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitsversicherung?“

Dazu führte der Senat weiter aus, dass es sich bei der Erklärung der Beklagten vom 21. Februar 2017 um ein Anerkenntnis im Sinne des § 173 Abs. 1 VVG handele. Ob der Versicherer ein Anerkenntnis abgegeben hat, sei durch Auslegung zu ermitteln. Weil eine Kulanzentscheidung in der Sache die Ablehnung von Versicherungsleistungen bedeute, müsse dies hinreichend deutlich werden. Nach Ansicht des OLG könne von einer Kulanzentscheidung nur dann ausgegangen werden, wenn die Sachlage unklar und als noch nicht ausermittelt dargestellt wird und der Versicherer dies und auch die Kulanz ausdrücklich zum Ausdruck bringt. Das streitgegenständliche Schreiben des Versicherers enthielt die Formulierung:

„…Alle erforderlichen Unterlagen liegen jetzt vor. Diese belegen, dass Sie nach den Vertragsbedingungen berufungsunfähig waren.“

Diese Formulierung könne vom Standpunkt eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aus gesehen nicht anders verstanden werden als eine bindende Entscheidung in Form eines Anerkenntnisses, meint der Senat.

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Anerkenntnis nicht wirksam rückwirkend befristet

Der Senat führt ferner aus, dass die Beklagte dieses Anerkenntnis nicht wirksam rückwirkend befristet habe. Die vorgenommene Befristung („Die Leistungen enden am 30.11.2015, …“) sei unwirksam. Die Beklagte selbst habe in den vereinbarten Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung die Fälle, in denen sie eine zeitliche Befristung der Leistungspflicht ausspricht, ausdrücklich auf im Einzelnen bezeichnete drei Ausnahmefälle beschränkt. Mit diesen Versicherungsbedingungen habe sie sich freiwillig der Möglichkeit begeben, rückwirkend befristete Anerkenntnisse auszusprechen, wenn – wie hier – keine der drei genannten Voraussetzungen vorliegt. Ob ein solches Anerkenntnis auch deswegen unwirksam gewesen wäre, weil rückwirkend befristete Anerkenntnisse für den Fall, dass die Berufsunfähigkeit nach Antragstellung weggefallen ist, nach neuerer Rechtsprechung unwirksam sind, könne daher ebenso dahinstehen wie die Frage, ob eine solche Unwirksamkeit auch den Fall erfasst, dass der Leistungsantrag erst nach Wegfall der Berufsunfähigkeit gestellt wird.

Keine zulässige Befristung im Wege einer „Uno-Actu-Entscheidung“

Nach Auffassung des Senats ergebe sich eine zulässige Befristung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer „Uno-Actu-Entscheidung“. Bei der Uno-Actu-Entscheidung handele es sich um die Verbindung eines rückwirkenden Anerkenntnisses mit einer Leistungseinstellung durch eine Nachprüfungsentscheidung im Sinne der Versicherungsbedingungen und § 174 VVG „in einem Akt“. Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen Mitteilung sei deren Nachvollziehbarkeit, also grundsätzlich eine Begründung, aus der für den Versicherten nachvollziehbar wird, warum nach Auffassung seines Vertragspartners die anerkannte Leistungspflicht enden soll. Zu diesem Themenpunkt ist die nachstehende BGH-Entscheidung äußerst interessant und relevant: „Sind zeitlich befristete Anerkenntnisse bei Berufsunfähigkeit zulässig?“ (BGH)

Gehe es um eine Gesundheitsbesserung, so sei im Nachprüfungsverfahren maßgebend der Vergleich desjenigen Gesundheitszustands, den der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt. Die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung des Versicherers setze daher in der Regel voraus, dass mit ihr diese Vergleichsbetrachtung vorgenommen wird und die aus ihr abgeleiteten Folgerungen aufgezeigt werden, so das OLG Dresden. Zu diesem Themenpunkt ist die nachstehende BGH-Entscheidung äußerst interessant und relevant: „Was sind die rechtlichen Konsequenzen der unzulässigen Befristungen?“ (BGH)

Die Mitteilung der Berufsunfähigkeitsversicherung vom 21.02.2017 genüge diesen Anforderungen nicht. Die Versicherungsnehmerin habe der Mitteilung keine Beschreibung ihres Vorher-Nachher-Zustandes aus der Sicht der Beklagten entnehmen können. Die Versicherung führte nicht aus, auf welche konkreten Umstände sie ihre Einschätzung der Berufsunfähigkeit bis zum 30.11.2015 stützt und aufgrund welcher Umstände sie den Wiedereintritt der Berufsfähigkeit der Versicherungsnehmerin sieht. Im Ergebnis sei im Schreiben vom 21.02.2017 keine wirksame Änderungsmitteilung zu sehen. Daran ändere auch nichts, dass die Versicherungsnehmerin selbst ursprünglich davon ausging, nur befristet und zum Antragszeitpunkt nicht mehr berufsunfähig gewesen zu sein.

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Fazit und Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Dresden überzeugt im Ergebnis. Sie befasst sich umfassend mit den Anforderungen an eine Einstellungsmitteilung des Berufsunfähigkeitsversicherer und arbeitet die formellen, hohen Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit einer Nachprüfungsentscheidung rechtlich zutreffend heraus. Hierzu sind auch die nachstehenden obergerichtlichen Entscheidungen zwingend zu nennen:

Die Uno-Actu-Entscheidung hat entsprechend auch die gleichen rechtlichen Auswirkungen für den Versicherer wie ein normales Nachprüfungsverfahren (weiterführend zum Thema Nachprüfungsverfahren, siehe: „Das Nachprüfungsverfahren“.

Wendet sich der Versicherungsnehmer also gegen die uno-actu-Entscheidung, trägt der Versicherer die volle Beweislast für das Entfallen der Berufsunfähigkeit und für die Wirksamkeit der Einstellungsmitteilung. Um dies zu umgehen und auch um Geld zu sparen, wenden die Berufsunfähigkeitsversicherer in einem Fall wie dem obigen vermehrt eine eigentlich unzulässige Regulierungspraxis an. Statt ein eigentlich gebotenes unbefristetes Anerkenntnis abzugeben und gleichzeitig die Leistungseinstellung zu erklären, beziehen sie sich darauf, dass sie nach § 173 Abs. 2 VVG berechtigt sind, einmalig ein zeitlich befristetes Anerkenntnis auszusprechen, und erklären ein sogenanntes „rückwirkend befristetes Anerkenntnis“.

Was ist Versicherten in BU-Verfahren zu raten?

Versicherten ist daher dringend anzuraten, jede Leistungsentscheidung einer Berufsunfähigkeitsversicherung überprüfen zu lassen. Denn falsche Leistungsentscheidungen durch Versicherungen können sogar „treuwidrig“ sein: Treuwidrige Befristung eines Anerkenntnisses in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BGH)

Insbesondere, wenn ein Versicherungsnehmer ein befristetes Anerkenntnis oder eine Leistungseinstellung erhalten hat, sollte dies von einem auf das Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt geprüft werden. Denn oftmals stehen Versicherten weitergehend Ansprüche zu, als der Versicherer zunächst zu leisten bereit ist. Hierbei sind die Rechtsanwälte und Fachanwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow gern Ansprechpartner. Die Kanzlei blickt auf eine Vielzahl von Berufsunfähigkeitsfällen zurück und kann mit Erfahrung und Kompetenz dienen.

Weiterführende Informationen zum Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung ist nachstehende zu finden: Berufsunfähigkeitsversicherung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt erklärt Uno-Actu-Mitteilung der Berufsunfähigkeitsversicherung

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