Das OLG Koblenz hatte mit Urteil vom 25.20.1996 (AZ: 10 U 121/96) zu entscheiden, ob eine Unterversicherung wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht des Versicherers auftreten kann.
Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Brandschutzversicherung. Zunächst hatte der Vater des Versicherungsnehmers einen Versicherungsvertrag mit einer Laufzeit über 10 Jahre und einem Versicherungswert von 160.000 DM abgeschlossen. Nach Ablauf der 10 Jahre suchte der für die Versicherung tätige Versicherungsagent den Versicherungsnehmer auf, um mit diesem eine neue Versicherung abzuschließen. Dabei wurde ein neuer Versicherungsvertrag über eine Laufzeit von 10 Jahren geschlossen, der die Versicherungssumme bei 250.00 DM ansetzte.
Nach Abschluss des neuen Vertrages kam es zu einem Brand. Bei diesem wurde ein erheblicher Teil der versicherten Sachen zerstört oder beschädigt. Nachfolgend ermittelte ein Sachverständiger den Neuwert der versicherten Sachen auf 1.016.733.00 DM und den entstandenen Schaden auf 354.496 DM.
Der Versicherer zahlte dem Versicherungsnehmer daraufhin einen Schadensausgleich in Höhe von 87.165, 46 DM aus. Die Summe begründete er mit dem eigentlichen Wert der versicherten Sachen, der durch den Sachverständigen ermittelt wurde. Er legte dar, dass durch die Differenz des tatsächlichen Wertes der versicherten Sachen und der Versicherungssumme eine Unterversicherung eingetreten sei. Infolgedessen lehnte er weiter Zahlungen an den Versicherungsnehmer ab.
Der Versicherungsnehmer forderte daraufhin einen weiteren Schadensausgleich von 267.330,54 DM. Er gab an, dass die Unterversicherung wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht des Versicherers eingetreten sei. Er merkte zudem an, dass er bzgl. der Höhe der Versicherungssumme durch den Versicherungsvertreter von Anfang an falsch beraten worden sei.
Das Landgericht Koblenz gab der Klage des Versicherungsnehmers statt. Daraufhin legte der Versicherer Berufung vor dem Oberlandesgericht Koblenz ein.
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Das Oberlandesgericht Koblenz gab der Berufung des Versicherers teilweise statt. Danach hatte sich der Versicherungsnehmer jedoch lediglich die durch die geringere Versicherungssumme ersparte Mehrprämie schadensmindernd anzurechnen. Dem Grunde nach verblieb es aber bei der Haftung des Versicherers für die Unterversicherung.
Das Oberlandesgericht Koblenz führte zunächst an, dass es grundsätzlich in der Verantwortung des Versicherungsnehmers läge, die richtige Versicherungssumme zu bestimmen. Dies sei aber nicht mehr der Fall, wenn den Versicherer im Einzelfall hinsichtlich der Versicherungssumme eine Aufklärungspflicht trifft und die Unterversicherung auf die falsche Ermittlung der Versicherungssumme durch den Versicherer zurückzuführen sei. Im vorliegenden Sachverhalt nahm das Oberlandesgericht Koblenz beide Voraussetzungen für gegeben an.
Zunächst sei zu beachten gewesen, dass der Versicherungsnehmer sich nicht im Bereich der Versicherungen auskannte. Der vorherige Vertrag war durch den Vater des Versicherungsnehmers abgeschlossen worden. Der darauffolgende Vertrag war daher der erste Vertrag, der durch den Versicherungsnehmer selbst abgeschlossen wurde. Aus diesem Grund sei es dem Versicherungsnehmer nicht selbständig möglich gewesen sei, den für die Versicherungssumme maßgebenden Neuwert eigenständig zu ermitteln.
Der Versicherungsagent habe zudem weder nach dem Neuwert oder Zeitwert der zu versichernden Sachen gefragt, sondern lediglich nach den Anschaffungskosten. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Koblenz wäre es jedoch die Pflicht des Versicherungsagenten gewesen, den Versicherungsnehmer darüber aufzuklären, dass der Neubeschaffungswert der zu versicherten Sachen angegeben hätte werden müssen. Daraus resultiere wiederrum die niedrige Angabe des Versicherungsnehmers und die damit einhergehende Unterversicherung.
Das Oberlandesgericht Koblenz sah weiterhin als maßgeblich an, dass die Unterversicherung (§ 75 VVG) als Folge der Verletzung der Aufklärungspflicht auftrat. Das Oberlandesgericht gab an, dass es keine wirtschaftlichen Gründe des Versicherungsnehmers für die niedrige Angabe erkennen konnte, da es dem Versicherungsnehmer gerade um einen umfassenden Schutz gegangen sei.
Das Oberlandesgericht Koblenz schlussfolgerte, dass die Verletzung der Aufklärungspflicht dazu führte, dass sich der Versicherungsnehmer nicht auf die Unterversicherung berufen könne. Es stellte fest, dass der Versicherungsnehmer bei einer richtigen Beratung auch eine richtige Versicherungssumme angegeben hätte. Den Versicherer träfe daher eine Schadensersatzpflicht.
Nach der Meinung des Oberlandesgericht Koblenz müsse der Versicherungsnehmer dabei so gestellt werden, als wäre der Versicherungsvertrag mit der richtigen Versicherungssumme geschlossen worden. Lediglich die ersparte Prämie, die durch die Unterversicherung entstanden sei, müsse vom Versicherungsnehmer zurückerstattet werden (siehe hierzu auch Quasideckung: So ermittelt der BGH den Schaden des Versicherten).
Das Urteil des Oberlandesgericht Koblenz zeigt, dass eine Unterversicherung nicht immer aus einem Verschulden des Versicherungsnehmers entstehen muss. Es ist auch möglich, dass die Unterversicherung wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht des Versicherers auftreten kann. Dies kann dazu führen, dass sich der Versicherer nicht mehr auf eine Kürzung des Schadensausgleichs infolge der Unterversicherung berufen kann. Kommt es also zu einer Kürzung des Schadensausgleichs infolge einer vermeintlichen Unterversicherung, kann es sinnvoll sein zunächst zu prüfen, ob der Versicherer womöglich seine Aufklärungspflicht verletzt hat. Dabei kann eine Beratung durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt hilfreich sein. Gerne steht Ihnen auch dafür die Kanzlei Jöhnke & Reichow zur Verfügung. Weiter Informationen finden sie unter: Haftung & Beweislast für Beratungsfehler bei der Vermittlung einer Versicherung Nähere Informationen zur Unterversicherung finden Sie auch unter Die Unterversicherung.
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