Erheblichkeit der Unterversicherung bei Sachmehrheiten (LG Berlin)

Das LG Berlin befasste sich in dem Urteil vom 05.12.2017 (AZ: 23 O 438/11) mit der Frage, wann eine Unterversicherung bei Sachmehrheiten als erheblich angesehen werden kann.

Keine vollständige Schadensregulierung durch den Versicherer

Die Versicherungsnehmerin unterhielt bei dem Versicherer eine Hausratversicherung. Zu dieser zählten auch die Gegenstände, die die Versicherungsnehmerin in ihrem Kellerverschlag aufbewahrte. Dieser wurde durch ein Vorhängeschloss abgesichert. Die Versicherungssumme setzte die Versicherungsnehmerin auf 30.000 € an. Inklusive der Versorge betrug die Versicherungssumme 34.100 €.

Darauffolgend kam es zu einem vermeintlichen Einbruchsdiebstahl in dem Kellerverschlag der Versicherungsnehmerin. Dabei wurden nach Angaben der Versicherungsnehmerin verschiedene Taucherausrüstungsgegenstände gestohlen. Der Neuwert der Gegenstände belief sich laut der Versicherungsnehmerin auf insgesamt 14.831 €.

Der Ehemann der Versicherungsnehmerin meldete den vermeintlichen Einbruchdiebstahl bei der Polizei. Eine Liste des Stehlguts reichte er einen Tag später ein. Sodann machte die Versicherungsnehmerin Ansprüche aus der Hausratversicherung gegenüber dem Versicherer geltend.

Der Versicherer leistete jedoch nur einen Betrag in Höhe von 5.000 €. Er begründete dies mit einer Obliegenheitsverletzung der Versicherungsnehmerin, die aus der verspäteten Einreichung der Stehlgutsliste resultiere. Zudem läge eine erhebliche Unterversicherung vor. Dabei bezog der Versicherer alle Gegenstände der Hausratversicherung mit ein. Auch habe die Versicherungsnehmerin den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, da sie wertvolle Taucherausrüstung im Keller aufbewahrt hatte.

Die Versicherungsnehmerin legte daraufhin Klage vor dem Landgericht Berlin ein und verlangte die vollständige Schadensregulierung.

Leistungskürzung teilweise berechtigt

Das Landgericht Berlin gab der Klage teilweise statt. Zunächst stellte das Landgericht Berlin fest, dass die Versicherungsnehmerin den Einbruchsdiebstahl unstreitig beweisen konnte (siehe zu den Anforderungen an den Beweis eines Einbruchsdiebstahls auch: Nachweis des Einbruchsdiebstahls bei fehlenden Einbruchsspuren (LG Bremen)). Auch der insgesamt eingetretene Neuwertschaden sei richtig bestimmt worden.

Keine Verletzung der Obliegenheitspflicht aufgrund von nachträglicher Einreichung der Stehlgutliste

Das Landgericht Berlin gab an, dass das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung für den fraglichen Fall unerheblich sei. Ein Abzug der Schadensregulierung könne nur vorgenommen werden, wenn die Verletzung der Obliegenheit für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls oder für die Feststellung des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich sei. Eine Ausnahme läge vor, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt habe.

Das Landgericht Berlin stellte diesbezüglich jedoch fest, dass keine Ursächlichkeit der Verletzung der Obliegenheitsverletzung vorläge. Infolgedessen könne der Versicherer keine Kürzung der Schadensregulierung aufgrund einer Verletzung der Obliegenheitspflicht vornehmen.

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Erheblichkeit der Unterversicherung bei Sachmehrheiten

Anderes gelte aber in Bezug auf die vom Versicherer festgestellte Unterversicherung. Das Landgericht Berlin führte an, dass eine die angegebene Versicherungssumme von 34.100 € den tatsächlichen Wert der versicherten Sachen erheblich unterschreite. Der gesamte Hausrat hätte nämlich einen Wert von 42.581 €.

Eine Erheblichkeit der Unterversicherung bei Sachmehrheiten sei in jedem Fall anzunehmen, da eine Unterschreitung von 20 % vorläge. Das Landgericht Berlin stellte fest, dass der Versicherer demnach gemäß § 75 VVG eine Kürzung der Versicherungsleistung vornehmen könne. Die Höhe des Schadensausgleichs sei infolgedessen zunächst von 14.831 € auf 11.877,06 € zu kürzen.

Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls?

Der Versicherer könne eine weitere Kürzung der Schadensregulierung auch aufgrund der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens durch die Versicherungsnehmerin vornehmen (siehe dazu auch: Die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles) . Nach der Meinung des Landgericht Berlins habe die Versicherungsnehmerin die wertvolle Taucherausrüstung nicht angemessen aufbewahrt. Dabei müsse die Taucherausrüstung als zusammengesetzter Wert betrachtet werden und nicht als getrennt zu bewertende Gegenstände, woraus sich ein erheblicher Wert ergebe. Eine Aufbewahrung in dem unzureichend gesicherten Kellerverschlag sei für einen solchen Wertgegenstand demnach nicht angemessen. Dementsprechend könne der Versicherer die Schadensregulierung um weiterer 938,53 € kürzen. Das Landgericht Berlin ging dabei von einem mittelgardigen, grob fahrlässigen Verschulden aus.

Das Landgericht Berlin gelangte infolgedessen zu dem Ergebnis, dass die Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf eine Schadensregulierung in Höhe von 5928,53 € zustehe. Die bereits vom Versicherer gezahlten 5.000 € rechnete es mit ein. Die Kürzung ergebe sich aus der Erheblichkeit der Unterversicherung, sowie der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens.

Fazit zum Urteil des LG Berlin

Das Urteil des Landgericht Berlin zeigt, dass die Angabe der Versicherungssumme sorgfältig erfolgen sollte. Beruft sich der Versicherer jedoch nach Eintritt des Versicherungsfalles auf eine Unterversicherung, so sollte der Umfang der Leistungskürzung durchaus kritisch geprüft werden. Es kann sich dabei durchaus anbieten, einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt mit der Prüfung der Leistungskürzung zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen erhalten Sie auch unter Die Unterversicherung

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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