Am 17.12.2020 urteilte das LG Flensburg (Az.: 1 O 278/18) zur Anfechtung eines Vergleiches bezüglich der Abgeltung von Versicherungsansprüchen bezüglich einer Betriebsschließung durch Covid-19.
Der Kläger unterhält eine Betriebsschließungsversicherung bei der beklagten Versicherung. Der Versicherungsschutz umfasst Schließungen durch die zuständigen Behörden zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern. Infolge einer Covid-19-Verordnung musste der Kläger seine Gaststätte schließen. Die Versicherung lehnte die Deckung des Betriebsschließungsschadens ab, bot aber an 15% der vereinbarten Versicherungssumme zu übernehmen („Bayerischer Kompromiss“). Zudem enthielt das Schreiben eine Abfindungserklärung. Nach Rücksprache mit seinem Versicherungsvermittler unterschrieb er den Kompromiss.
Der Kläger will von dieser Erklärung zurücktreten und verlangt die vollständige Versicherungsleistung. Er fühlte sich nicht auf das Angebot vorbereitet und wurde seinen Angaben nach nicht vom Vermittler darüber informiert, dass die Betriebsschließung durch Corona versichert sei.
Das LG Flensburg wies die Klage jedoch ab. Denn im Rahmen eines Abfindungsvergleiches ist es dem Annehmenden verwehrt weitere Ansprüche aus der Betriebsschließung geltend zu machen.
Die Erklärung des Versicherten über den Rücktritt aufgrund der fehlenden Vorbereitung und mangelnder Information kann eine Anfechtungserklärung sein. Im Falle einer wirksamen Anfechtung eines Vergleiches wird dieser gem. § 142 BGB nichtig und der Kläger könnte die Versicherungssumme erhalten.
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB kommt wegen fehlender Täuschung nicht in Betracht. Das Abfindungsschreiben enthält eine klare Darstellung der möglichen Rechtsfolgen und es werden keine aufklärungsbedürftigen Tatsachen verschwiegen.
Eine Anfechtung aufgrund eines Inhaltsirrtums gem. § 119 BGB scheidet ebenfalls aus. Ein Inhaltsirrtum läge vor, wenn der Vertragspartner einer außerhalb seiner Verantwortung liegenden Fehlvorstellung über die Beschaffenheit der Abfindungserklärung unterliegt. Hätte der Kläger den Vertrag aufmerksam gelesen, hätte ihm keine Fehlvorstellung hinsichtlich der vorgesehenen Rechtsfolge erwachsen können. Die Annahme, dass der Versicherungsfall nicht versichert ist, stellt nur einen unbeachtlichen Irrtum über den Beweggrund zur Erklärung dar. Es tritt keine Anfechtungswirkung gem. § 142 BGB ein, die Abfindung bleibt wirksam.
Ein Ausgleichsanspruch aufgrund einer fehlerhaften Beratung gem. §§ 280, 249 BGB iVm. § 6 Abs. 4 VVG scheidet ebenso aus. Eine Beratungspflicht nach Vertragsabschluss ergibt sich nur aus einer Vertragsänderung, es entsteht keine allgemeine Beratungspflicht in Versicherungsangelegenheiten.
In Bezug auf Versicherungsfragen die noch nicht abschließend geklärt sind, liegt es im Interesse der Versicherer im Rahmen eines Abfindungsvergleiches vor drohenden Inanspruchnahmen frei zu werden. Die Rechtsprechung ist noch zu keinem Status quo der Entschädigungsverpflichtung aufgrund von Covid-19-Betriebsschließungen gekommen. Bisher hat sich der BGH noch nicht zu den Infektionsklauseln positioniert. Sollten Sie von einer Betriebsschließung betroffen sein und dahingehend versichert sein, sollte zur Klärung der Entschädigungsfrage ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden.
Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Betriebsunterbrechungsversicherung“ zusammengefasst. Sowie unter Betriebliche Versicherungen und Coronavirus.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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