Kündigungsfrist bei außerordentlicher Kündigung des Handelsvertretervertrages? (BGH)

Der BGH entschied im Urteil vom 29.06.2011 (Az.: VIII ZR 212/08) über das Bestehen einer Kündigungsfrist bei außerordentlicher Kündigung des Handelsvertretervertrages.

Sachverhalt

2003 kam es zum Abschluss eines Handelsvertretervertrags zwischen einem Handelsvertreter und einem Unternehmen. In diesem war geregelt, dass ein Verkauf von Konkurrenzprodukten ohne vorherige Zustimmung nicht gestattet ist.

Zu Beginn des Jahres 2004 wurde die Zustimmung, ein Konkurrenzprodukt mit ins Sortiment aufnehmen zu dürfen, auf Antrag nicht erteilt. Daraufhin erging seitens des Handelsvertreters im August 2004 die Mitteilung, dass es dennoch zu einer Aufnahme des Produktes gekommen sei. Das Unternehmen forderte die unverzügliche Einstellung des Vertriebes und drohte bei Weigerung die fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrags an. Im Folgenden kam es zu der Einigung, dass zunächst ein Abverkauf der Restbestände erfolgen durfte.

Am 07.06.2005 erfuhr das Unternehmen von dem weiteren Vertrieb der Konkurrenzprodukte durch den Handelsvertreter. Es kam zu einer erneuten Aufforderung der Einstellung und der Androhung einer fristlosen Kündigung, mit einer Fristsetzung bis zu 28.09.2005. Nach einem erfolglosen Fristablauf erklärte das Unternehmen am 04.10.2005 die fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrags.

In dem sich anschließenden Gerichtsverfahren begehrte der Handelsvertreter die Feststellung, dass der Handelsvertretervertrag durch die fristlose Kündigung des Unternehmens nicht mit sofortiger Wirkung beendet wurde. Nach seinem Dafürhalten sei die außerordentliche Kündigung verspätet gewesen.

Entscheidung

Der BGH stellte zunächst fest, dass eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist. Dabei sei aber nicht auf die Zweiwochenfrist des § 626 II BGB abzustellen, sondern auf die speziellere Regelung des § 89a HGB. Danach ist dem zur Kündigung Berechtigten eine angemessene Überlegungszeit zu gewähren, welche sich nach den Umständen des jeweiligen Falles richtet. Diese Überlegungszeit ist allerdings regelmäßig kürzer als zwei Monate. Der BGH geht davon aus, dass bei einem zweimonatigen Zuwarten in der Regel nicht mehr von einer angemessenen Zeitspanne für die Aufklärung des Sachverhalts und zur Überlegung der hieraus zu ziehenden Folgerungen ausgegangen werden kann. Vielmehr deutet eine so lange Zeitspanne daraufhin, dass das beanstandete Ereignis als nicht so schwerwiegend empfunden wird.

Fazit

Treten Umstände ein, die einer Partei die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen und soll daraufhin die außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages erklärt werden, so ist nach der Rechtsprechung des BGH ein zeitnahes Handeln erforderlich. Handelsvertreter sollten daher bei entsprechenden Ereignissen unverzüglich einen im Handelsvertreterrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Einzelfalles beauftragen. Hierbei sollten auch die weiteren oftmals im Zusammenhang mit einer außerordentlichen Kündigung bestehenden rechtlichen Risiken thematisiert werden (siehe hierzu beispielsweise auch Die Beendigung des Handelsvertretervertrages & Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters). Erhält der Handelsvertreter hingegen selbst eine außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages, so sollte unbedingt auch geprüft werden, ab wann die Gegenseite Kenntnis vom (angeblichen) Kündigungsgrund hatte. Erst dadurch kann ermittelt werden, ob die erklärte Kündigung noch innerhalb der angemessenen Überlegungszeit erklärt wurde.

Gerne steht die u.a. im Handelsvertreterrecht spezialisierte Kanzlei Jöhnke & Reichow für weitere Fragen zur Verfügung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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