Wiederholungspflicht der Belehrung? (BGH)

Der BGH hatte mit seinem Urteil vom 22.06.2011 (AZ: IV ZR 174/09) zu entscheiden, ob den Versicherer bei der Regulierungsverhandlung eine Wiederholungspflicht der Belehrung über die Folgen der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit trifft.

Ablehnung weiterer Schadensregulierung

Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Wohngebäude– und Hausratsversicherung. Nachfolgend kam es zu einem Brand in dem Haus des Versicherungsnehmers. Im Zuge dessen kam es zu einer Regulierungsverhandlung über den Schadensfall mit einem Beauftragen des Versicherers und dem Versicherungsnehmer. Die Verhandlungsniederschrift enthielt unter anderem eine „Belehrung über die Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers“:

„Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alle Fragen (Nrn. 1 – 10) wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben führen zum Verlust des Versicherungsschutzes auch dann, wenn dem Versicherer keinerlei Nachteile entstehen“.

Der Versicherungsnehmer gab bezüglich des Brandes an, dieser sei durch den Brand eines Weihnachtsbaums ausgelöst worden sei. Er erklärte schriftlich, dass alle Angaben vollständig und wahrheitsgemäß seien. Es folgte eine weitere Besprechung einige Monate später, an der unter anderem ein Brandsachverständiger, der durch den Versicherer beauftragt wurde, und die Rechtsanwältin des Versicherungsnehmers, beteiligt waren. Der Sachverständige stufte die Aussage des Versicherungsnehmers, dass es durch den Weihnachtsbaumbrand zu einer Verpuffung gekommen sei, für unrealistisch ein, wenn sämtliche Türen und Fenster des Hauses geschlossen waren. Der Versicherer lehnte daraufhin nach bereits erfolgten Zahlungen eine weiterführende Schadensregulierung ab und kündigte beide Versicherungsverträge. Der Versicherungsnehmer gab daraufhin an, er sei zu dem Zustand der Fenster und Türen nicht befragt worden. Lediglich die Terassentür sei in der Kippstellung gewesen.

Der Versicherungsnehmer verlangte daraufhin weitere Entschädigungszahlungen und erhob schließlich Klage vor dem Landgericht. Nach Abweisung der Klage legte er vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main Berufung ein. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Berufung jedoch zurück. Sodann hatte sich der Bundesgerichtshof im Rahmen der vom Versicherungsnehmer eingelegten Revision mit dem Fall zu befassen.

Rechtsanwalt für Versicherungsrecht

Bundesweite Vertretung durch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow vertritt ihre Mandanten bundesweit in versicherungsrechtlichen Streitigkeiten. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.

Zur Kontaktaufnahme

Zurückverweisung durch den BGH

Der Bundesgerichtshof verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und hob das Urteil auf. Der Versicherer sei aufgrund der falschen Angabe des Versicherers über den Verschlusszustand der Fenster nicht leistungsfrei geworden, da er seine Wiederholungspflicht der Belehrung verletzt habe.

Obliegenheitspflichtverletzung des Versicherungsnehmers?

Der Versicherer könne sich nur auf eine Leistungsfreiheit bei einer Obliegenheitspflichtverletzung berufen, wenn dem Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden zu Last fiele (siehe auch: Umfang der Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers (BGH)). Weiterhin komme eine Leistungsfreiheit des Versicherers in Betracht, wenn die folgelose Obliegenheitspflichtverletzung generell dazu geeignet sei, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden (siehe auch: Die spontane Anzeigeobliegenheit – ein Mythos oder gelebte Pflicht?). Zunächst müsse der Versicherer den Versicherungsnehmer aber vor dem Gespräch ausdrücklich darüber belehrt haben, dass vorsätzlich falsche Angaben zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führen können. Dabei müsse dem Versicherungsnehmer bewusst gemacht werden, dass der Schadensbericht vollständig richtig sein müsse.

Wiederholungspflicht der Belehrung?

Der Bundesgerichtshof nahm an, dass die Belehrung in dem ersten Gespräch mit dem Versicherungsnehmer als ausreichend angesehen werden könne. Dies sei aber nicht für das zweite Gespräch anzunehmen. Es könne nicht ausnahmslos davon ausgegangen werden, dass eine anfängliche Belehrung für die gesamte Regulierungsverhandlung fortgelte. Vielmehr müsse auf den Einzelfall abgestellt werden und überprüft werden, ob eine Wiederholungspflicht der Belehrung bestand. Es müsse überprüft werden, ob der Versicherungsnehmer die Belehrung bei dem nachfolgenden Gespräch noch vor Augen habe oder er seine Aufklärungsobliegenheit in der Situation ohne weiteres erkennen könne. Dann müsse gegebenenfalls eine erneute Belehrung erfolgen.

Im vorliegenden Fall habe zwischen der Belehrung im ersten Gespräch und dem darauffolgenden Gespräch ein Zeitraum von fünf Monaten gelegen. Zudem wurde dem Versicherungsnehmer nicht offenbart, dass es sich bei dem Gespräch um ergänzende Ermittlungen zum Versicherungsfall handele. So hätte er sich auch nicht an die vorherige Belehrung zurückerinnern können. Besonders werde dies durch den Umstand unterstützt, dass der Versicherer bereits Zahlungen geleistet hatte. Dass die Anwältin des Versicherungsnehmers anwesend gewesen sei, ändere nichts an diesem Umstand.

Der Versicherungsnehmer müsse nicht darlegen, welche abweichenden inhaltlichen Angaben er im Falle einer ordnungsgemäßen Belehrung getätigt hätte. Schon das Fehlen der Belehrung führe dazu, dass der Versicherer sich nicht mehr auf seine Leistungsfreiheit berufen könne, da in bestimmten Fällen eine Wiederholungspflicht der Belehrung vorliege. Infolgedessen müsse die Sache zu einer erneuten Überprüfung an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen werden.

Fazit zum Urteil des BGH

Das Urteil des BGH zeigt, dass dem Versicherer in bestimmten Fällen eine Wiederholungspflicht der Belehrung trifft. Kommt er dieser nicht nach, so kann er sich nicht mehr auf eine Leistungsfreiheit aufgrund einer Obliegenheitspflichtverletzung berufen. Dafür muss der Versicherungsnehmer nicht nachweisen, dass er sich bei einer erneuten Belehrung anders verhalten hätte.

Beruft sich der Versicherer trotz einer Verletzung der Wiederholungspflicht der Belehrung auf eine Befreiung von der Leistungspflicht, so sollte dies unbedingt rechtlich überprüft werden. Dabei kann die Beratung durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt durchaus sinnvoll sein. Gerne unterstützt Sie dabei auch Jöhnke & Reichow. Rechtsanwälte.

Ihre Versicherung zahlt nicht?

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

Zum Anwaltsprofil

Rechtsanwalt erklärt, ob es eine Wiederholungspflicht der Belehrung gibt.

Mandantenstimmen:

Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.

Hinweise zu Kundenbewertungen

Bleiben Sie informiert – unser Newsletter!

Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.