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Blankounterschrift des Antragsformulars (OLG Zweibrücken)

Das OLG Zweibrücken entschied mit Urteil vom 09.03.2005 (Az.: 1 U 100/04) über die Frage, ob in der Blankounterschrift des Antragsformulars und der anschließenden Überlassung zum Ausfüllen durch einen Versicherungsvermittler eine dem Versicherungsnehmer zuzurechnende Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen liegen kann.

Ausfüllen des Antragsformulars durch den Versicherungsvermittler

Die Versicherungsnehmerin beantragte im Oktober 1997 den Abschluss einer Lebensversicherung unter anderem für den Fall des „Eintritts einer schweren Krankheit“ mit einer Versicherungssumme von 300.000 DM. Das entsprechende Antragsformular wurde zwar von der Versicherungsnehmerin am 14.10.1997 unterzeichnet, allerdings von einem Versicherungsvermittler, der die Versicherte bereits in den Jahren zuvor beraten und ihr zudem bereits mehrere Versicherungsverträge vermittelt hatte, ausgefüllt.

Der Versicherungsvermittler kreuzte bei allen Gesundheitsfragen im Antragsformular das Kästchen für „Nein“ an. Lediglich die Frage, ob in den letzten 10 Jahren stationäre Operationen, Krankenhaus- oder Kuraufenthalte stattgefunden haben bzw. vorgesehen seien, beantwortete er mit „Ja“. Mit handschriftlichem Vermerk ergänzte der Versicherungsvermittler hierzu „Entbindung – 09/92 – 1 Woche Klinikum, M.“. Zu der Frage nach der Anschrift des Hausarztes oder dem Arzt, der über die Gesundheitsverhältnisse am besten unterrichtet ist, vermerkte er handschriftlich: „kein Hausarzt“. Sodann kam der Lebensversicherungsvertrag zustande.

Mit Schreiben vom 17.03. und 15.04.2002 machte die Versicherungsnehmerin gegenüber dem Versicherer den Eintritt eines Leistungsfalls geltend und verlangte eine Beitragsrückerstattung sowie die Auszahlung der Versicherungssumme. Hierbei berief sie sich auf verschiedene Erkrankungen und gab im Leistungsantrag vom 09.04.2002 auf Frage an, dass die geltend gemachten Erkrankungen „seit 11/1999“ bestünden und sie „ab 11/99“ bei dem Internisten Dr. S. in Behandlung sei.

Bei der daraufhin erfolgten Überprüfung stellte der Versicherer fest, dass vor Vertragsabschluss bereits folgende ärztliche Diagnosen für die Versicherungsnehmerin gestellt worden waren: Schulter-Arm-Syndrom und BWS-Syndrom, Skoliose, LWS-Syndrom und Wirbelsäulensyndrom. Infolgedessen erklärte der Versicherer mit Schreiben vom 22.07.2002 die Anfechtung des Lebensversicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Zurechenbarkeit der Falschbeantwortung trotz Blankounterschrift?

Die Versicherungsnehmerin behauptet, sie habe lediglich eine Blankounterschrift unter dem Antragsformular geleistet und das Antragsformular dem Versicherungsvermittler zur weiteren Ausfüllung überlassen. Aus diesem Grund habe sie dessen Eintragungen nicht gelesen und darüber hinaus keine Durchschriften des Antragsformulars erhalten, so dass der Versicherungsvermittler für die falschen Angaben verantwortlich sei. Der Vermittler sei insbesondere über ihren Gesundheitszustand informiert gewesen. Die Versicherungsnehmerin ist der Auffassung, der Versicherer müsse sich die unrichtigen Angaben des Vermittlers zurechnen lassen, zumal dieser sein Versicherungsagent sei.

Schließlich geht die Versicherungsnehmerin gerichtlich gegen die Anfechtung des Versicherungsvertrages vor. Erstinstanzlich gab das LG Frankenthal (Pfalz) ihrer Klage statt. Hiergegen richtet sich nun die Berufung des Versicherers, der die Abweisung der Klage anstrebt.

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Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Das OLG Zweibrücken stellte fest, dass der Versicherer den Lebensversicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat und der Versicherungsvertag somit nichtig ist. Der Versicherer sei insbesondere zur Anfechtung berechtigt gewesen, denn die Versicherungsnehmerin habe ihn durch falsche Beantwortung der Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag getäuscht und dabei arglistig gehandelt. Die Berufung des Versicherers hatte damit in der Sache Erfolg.

Falsche Angaben zu den Gesundheitsfragen

Zwischen den Parteien sei unstrittig, dass der Versicherungsantrag zu den dort gestellten Gesundheitsfragen falsche Angaben enthält. Denn obwohl bei der Versicherungsnehmerin in dem für die Gesundheitsfragen maßgeblichen Zeitraum eine Vielzahl von Erkrankungen diagnostiziert wurden, die immer wieder ärztlicher Behandlung bedurften, seien im Versicherungsantrag sämtliche Gesundheitsfragen verneint und damit falsch beantwortet worden. Gleiches gelte für die Beantwortung der Frage nach dem behandelnden Arzt: Trotz ständiger Behandlung bei dem Internisten Dr. S. sei bei entsprechender Frage „kein Hausarzt“ eingetragen worden.

Zuzurechnende Falschbeantwortung trotz bloßer Blankounterschrift

Das OLG Zweibrücken führte weiter aus, dass die Versicherungsnehmerin die in diesen falschen Angaben liegende Täuschung des Versicherers selbst begangen habe, und nicht etwa der Versicherungsvermittler. Die Erklärungen in dem Versicherungsantrag seien der Versicherten zuzurechnen. Sie vermöge zwar vorzutragen, dass sie den Antrag „blanko“ unterschrieben und nach dem Ausfüllen nicht mehr angesehen hat. Wer aber eine Blanketturkunde mit seiner Unterschrift freiwillig aus der Hand gibt, müsse den Inhalt gegenüber einem gutgläubigen Dritten – hier dem Versicherer – sogar dann gegen sich gelten lassen, wenn die Blanketturkunde abredewidrig ausgefüllt wird, so das OLG Zweibrücken.

OLG Zweibrücken geht von arglistiger Täuschung aus

Die Versicherungsnehmerin habe bei der Täuschung auch arglistig gehandelt. Sie habe eine erkennbar chronische Erkrankung von erheblicher Bedeutung – die diagnostizierte Skoliose und die bei einer Vielzahl von Arztbesuchen festgestellten BWS- bzw. LWS-Syndrome – nicht angegeben und somit verschwiegen. In solchen Fällen sei nach Auffassung des Gerichts regelmäßig davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde den Antrag nicht oder möglicherweise nur mit erschwerten Bedingungen annehmen, wenn er die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Das OLG Zweibrücken betont, dass dies insbesondere dann gelte, wenn – wie hier – zugleich auf Frage nach dem Hausarzt oder behandelnden Arzt dieser verschwiegen wird. Aus der Gesamtschau des Verhaltens der Versicherungsnehmerin und den Umständen ergebe sich mithin, dass das Verschweigen der Erkrankungen arglistig geschehen ist.

Fazit

Ein Versicherungsnehmer, der eine Blankounterschrift unter das Antragsformular leistet und das Antragsformular dann freiwillig einem Versicherungsvermittler zum Ausfüllen überlässt, kann durchaus gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht verstoßen, wenn die Angaben des Versicherungsvermittlers nicht zutreffend sind. Es besteht durchaus die Gefahr, dass dem Versicherungsnehmer der erklärte Inhalt zugerechnet wird.

Gleichwohl sollten die Anforderungen an einen Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht nicht unterschätzt werden. Beruft sich ein Versicherer auf einen Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht, so kann es durchaus sinnvoll sein, einem im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Einzelfalles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow zur Verfügung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt erklärt, wie Blankounterschrift zu werten ist

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