Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte unterstützt durch seine Fachanwälte für Versicherungsrecht auch Versicherungsnehmer bundesweit nach Anfechtung des Versicherungsvertrages – z.B. wegen angeblich fehlerhafter Beantwortung von Antragsfragen oder Gesundheitsfragen im Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag.
Sofern Streitigkeiten mit einer Versicherung in Bezug auf den Versicherungsvertrag entstehen, stellt sich häufig die Frage, welche Gestaltungsrechte dem Versicherer grundsätzlich zustehen und unter welchen Voraussetzungen der Versicherer diese ausüben kann und darf. Der Versicherer kann neben der Kündigung, dem Rücktritt und der Vertragsanpassung den Versicherungsvertrag unter Umständen auch anfechten, wenn der Versicherungsnehmer – im Einzelfall – nachweislich arglistig getäuscht hat. Jedoch liegt die Hürde für die Annahme einer arglistigen Täuschung sehr hoch. Der Grund dafür ist, dass sie in ihrem Verschuldensgrad über den Vorsatz hinausgeht.
Jedoch bleibt das Recht des Versicherers zur Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung von diesen Regelungen unberührt. Damit soll klargestellt werden, dass die Regeln über die Anzeigepflicht einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht entgegenstehen. Geschützt wird damit die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit des Versicherers.
Voraussetzung für die Anfechtung des Versicherungsvertrages durch den Versicherer ist die arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer. Eine arglistige Täuschung liegt dann vor, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums falsche Tatsache vorspiegelt oder wahre Tatsachen verschweigt. Ein Verschweigen kann jedoch nur dann ein Anfechtungsrecht begründen, wenn eine Offenbarungspflicht für den Versicherten bestand. Selbst das bewusste Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn gegenüber dem Vertragspartner eine solche Pflicht bestand.
Im Versicherungsrecht genügt die bewusste Falsch- oder Nichtbeantwortung von Fragen nicht. Es muss in subjektiver Hinsicht vielmehr hinzukommen, dass der Versicherte auf die Entschließung des Versicherers Einfluss nehmen will und sich daher bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise (bedingter Vorsatz) seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er die Wahrheit sage. Der Versicherte muss also vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Der Vorsatz des Versicherungsnehmers muss sich dabei auf die Täuschungshandlung, die Irrtumserregung und die dadurch erfolgende Willensbeeinflussung erstrecken.
Es kann jedoch sein, dass den Versicherten im Einzelfall sogar eine sogenannte „spontane Anzeigeobliegenheit“ trifft. Im Rahmen der spontanen Anzeigeobliegenheit stellt sich zunächst die Frage nach dem dahinterstehenden rechtlichen Problem. In diesem Zusammenhang ist – juristisch gesehen – streitig, ob angesichts der gesetzlich vorgeschriebenen Frageobliegenheit der Versicherung im Rahmen des § 19 VVG für eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben überhaupt Raum bleibt. Eine lesenswerte Zusammenfassung dieser Thematik kann hier nachgelesen werden: „Die spontane Anzeigeobliegenheit der Versicherten – ein Mythos oder gelebte Pflicht?“.
Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow vertritt ihre Mandanten bundesweit vor Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.
Ferner muss die Täuschung kausal für die Entschließung des Versicherers sein, den Versicherungsvertrag überhaupt oder zu den konkreten Konditionen, insbesondere Deckungsumfang, Versicherungssumme oder Prämienhöhe, abzuschließen. Den Versicherungsnehmer entlastet auch die Unkenntnis nicht, wenn er im Bewusstsein seiner Unkenntnis „ins Blaue hinein“ Angaben macht. Dasselbe gilt, wenn der Versicherte sich sehenden Auges der Kenntnis verschließt. Der Annahme einer Täuschung steht es beispielsweise nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer den Namen des behandelnden Arztes angegeben hat, nach dem er eine Gesundheitsfrage falsch oder unvollständig beantwortet hat.
Etwas anderes gilt, wenn der Versicherungsnehmer die gesundheitlichen Probleme dem Versicherer gegenüber ungenau darstellt und wegen der Einzelheiten auf den Hausarzt verweist. Ferner gilt etwas anderes, wenn der Versicherte, der es unterlässt, der Anzeigepflicht nachzugehen, damit rechnen musste, dass sich der Versicherer an den ihm bereits im Hinblick auf den Versicherungsnehmer bekannten, von der Schweigepflicht entbundenen Arzt wenden würde oder der Arzt den Versicherer von sich aus unterrichten würde. Letztendlich sind die Voraussetzungen in vollem Umfang von demjenigen zu beweisen, der sich auf die Anfechtung beruft. Im Grundsatz trifft damit den Versicherer die volle Darlegungs- und Beweislast (siehe auch Pflegetagegeldversicherung: INTER Krankenversicherung AG scheitert mit dem Einwand der spontanen Anzeigeobliegenheit! (LG Münster)).
Die Anfechtungserklärung ist gegenüber dem Versicherungsnehmer abzugeben. Die Erklärung ist dabei formfrei. Die Bezeichnung „Anfechtung“ muss vom Versicherer dabei nicht verwendet werden. Es genügt vielmehr, wenn für den Erklärungsempfänger ersichtlich ist, dass der Versicherer am Vertrag nicht festhalten möchte. Die Berufung auf die Leistungsfreiheit, die Leistungsablehnung, der Rücktritt oder die Kündigung sind ebenfalls nicht ausreichend. Eine Anfechtungsbegründung wird dabei nicht verlangt. Zwar geht die Anfechtung weiter als die Ausübung der Rechte aus § 19 VVG. Strittig ist, ob die wirksame Anfechtung eine Begründung voraussetzt. Die wohl überwiegende Meinung bejaht dies, lässt es aber zu Recht ausreichen, dass dem Anfechtungsgegner die Gründe zumindest erkennbar sind.
Diese Frag war lange Zeit juristisch umstritten. Das Landgericht und Oberlandesgericht Stuttgart folgten einer in der Rechtsliteratur vertretenen Mindermeinung, dass eine Zehnjahresfrist nicht für Fälle Anwendung finden würde, in welchen der Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Das OLG Stuttgart begründete seine Entscheidung damit, dass die Zehnjahresfrist des § 21 Abs. 3 S. 2 VVG nur dann Ausschlusswirkung entfaltet, wenn nicht vor Ablauf der Frist der Versicherungsfall eingetreten ist. Denn bei arglistiger Täuschung bedarf der Versicherer mindestens des gleichen Schutzes vor Missbrauch wie im Falle bloß grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers.
Diese Auffassung überzeugte den Bundesgerichtshof jedoch nicht. Der BGH folgte damit der herrschenden Meinung, wonach § 21 Abs. 3 S. 2 VVG auf die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung keine Anwendung findet. Hierbei beruft sich der BGH auf den Gesetzeswortlaut in § 21 Abs. 3 S. 2 VVG, der sich nur auf die Rechte des Versicherers aus § 19 Abs. 2 – 4 VVG bezieht. Mit dem Anfechtungsrecht des Versicherers befasse sich § 22 VVG. Auch beruft sich der BGH auf die Gesetzesbegründung, welche mit der zehnjährigen Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 S. 2 VVG gerade eine dem § 124 Abs. 3 BGB entsprechende Befristung erreichen wollte.
Damit ist nach zehn Jahren Schluss. Der Versicherer hat mit Ablauf dieser Frist grundsätzlich keine Möglichkeit mehr den Vertrag anzufechten. Für den Versicherungsnehmer ergibt sich nunmehr eine juristische Klarstellung. Er ist nach zehn Jahren in der Tat „auf der sicheren Seite”. So hat der Versicherer trotz bewusstem Verschweigen des Versicherten von entsprechenden Umständen zu leisten. Zwar hat der BGH eine Ausnahme angeführt, nach welcher dennoch und unter Umständen eine Anfechtung für den Versicherung möglich sein soll. Diese Ausnahme dürfte jedoch nur in den seltensten Fällen vorliegen. Einen weiterführenden Artikel zu dieser Problematik der Zehnjahresfrist kann hier nachgelesen werden: „Die zu späte Arglistanfechtung des Versicherers (BGH)“.
Eine arglistige Täuschung führt nicht zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, sondern zur Anfechtbarkeit der Willenserklärung. Damit hat der Versicherer die Möglichkeit, am Versicherungsvertrag festzuhalten oder diesen insgesamt und mit Rückwirkung unwirksam werden zu lassen. Das Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung eröffnet dem Versicherer die Möglichkeit, sich von einer durch Täuschung beeinflussten Willenserklärung vollständig zu lösen. Ferner hat der Versicherer die Möglichkeit einer Teilanfechtung, sofern sich die Täuschung nur auf einzelne, inhaltlich abgrenzbare Teile des gesamten Versicherungsvertrages bezieht. So ist beispielsweise eine Teilanfechtung einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung möglich, wenn die Lebensversicherung, die als Hauptversicherung abgeschlossen wurde, selbständig und unabhängig von der Zusatzversicherung Bestand haben kann. Im Falle einer Anfechtung durch die Versicherung erhält der Versicherte seine Prämien nicht zurück, der Versicherer kann diese behalten.
Dem Versicherer können im Einzelfall auch noch weitere Gestaltungsrechte zustehen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen dazu vorliegen. Einzelheiten können dazu den weiterführenden Artikeln entnommen werden:
Das Rücktrittsrecht der Versicherung.
Das Kündigungsrecht der Versicherung.
Das Vertragsanpassungsrecht der Versicherung.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
Rechtsanwalt Bernhard Gramlich ist seit 2019 angestellter Anwalt der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2020 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Als Rechtsanwalt hat er bereits einer Vielzahl von Versicherungsnehmern bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber Versicherern geholfen.
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