Falschberatung durch Versicherungsvermittler, Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler Beweislast

Beratungspflicht bzgl. Betriebsschließung wegen Corona (OLG Braunschweig)

Das OLG Braunschweig hatte mit Urteil vom 14.03.2023 (AZ: 9 U 28/22) zu entscheiden, ob dem Versicherer eine Beratungspflicht bei Umstellung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung kurz vor der Corona – Pandemie zukommt.

Kein Versicherungsschutz bei Betriebsschließung

Die Versicherungsnehmerin unterhielt eine Betriebsschließungsversicherung. Der Vertrag zwischen den Parteien wurde kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie aus Anlass der Erhöhung der Versicherungssumme erneuert. Dabei wurden auch die neuen Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers mit in den Vertrag einbezogen. Diese enthielten einen neu eingeführten Katalog mit einer Übersicht der aufgelisteten Erreger und Krankheiten, die vom Versicherungsschutz erfasst sind.

Nach Ausbruch der Corona-Pandemie machte die Versicherungsnehmerin Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung geltend. Der Versicherer wies die Forderung auf Versicherungsleistungen zurück. Er führt an, dass die entsprechenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen einen Katalog versicherter Erreger und Krankheiten enthalten und Corona davon nicht erfasst sei. Der Katalog sei als abschließend und wirksam zu verstehen.

Daraufhin argumentiert die Versicherungsnehmerin, dass die dem vorherigen Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen keinen solchen abschließenden Katalog enthielt. Der Versicherer hätte sie über die Änderungen der Versicherungsbedingungen aufklären müssen. Durch die Änderung der Bedingungen sei nämlich eine Reduzierung des Versicherungsschutzes eingetreten. Die Versicherungsnehmerin sieht darin eine Verletzung der Beratungspflicht des Versicherers und macht entsprechend Schadensersatzansprüche geltend.

Das Landgericht wies die Klage der Versicherungsnehmerin zurück. Sie legt daraufhin Berufung vor dem Oberlandesgericht ein.

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Beratungspflicht des Versicherers?

Das Oberlandesgericht Braunschweig wies die Berufung der Versicherungsnehmerin als unbegründet zurück. Es bestünde keine Beratungspflicht des Versicherers.

Keine Reduzierung der Versicherungsleistung

Das Oberlandesgericht stellt fest, dass durch den neuen Versicherungsvertrag keine Reduzierung der Versicherungsleistung eingetreten sei. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei weder das Corona-Virus noch die dazu geltende Rechtsprechung bekannt gewesen. Demzufolge kann durch die Einführung des Kataloges bezüglich der Erreger und Krankheiten auch keine Verschlechterung gesehen werden.

Beratungsanlass?

Für eine Beratungspflicht des Versicherers müsste ein deutlich erkennbarer Anlass vorgelegen haben. Diesen muss der Versicherungsnehmer darlegen und beweisen (siehe auch Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung). Diesbezüglich merkt das Oberlandesgericht an, dass der Grund des Abschlusses des neuen Vertrags in der Erhöhung der Versicherungssumme lag. Im Zuge dessen habe die Versicherungsnehmerin gegenüber dem Versicherer nicht angeführt, dass sie sich einen Schutz über die im Katalog aufgelisteten Erreger und Krankheiten hinaus wünsche. Demzufolge habe es keinen Anlass des Versicherers gegeben, die Versicherungsnehmerin über die Einführung des neuen Katalogs zu beraten. Dies sei schon deshalb nicht nötig gewesen, da keine Reduzierung des Versicherungsschutzes durch den Katalog erfolgt sei.

Das Oberlandesgericht führt ferner an, dass schon generell keine Beratungspflicht des Versicherers nach § 6 Abs. 4 VVG über sämtliche Neuerungen bei der Änderung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen bestünde. Auch müsse der Versicherungsnehmerin zugemutet werden, die geänderten der Allgemeinen Versicherungsbedingungen mit den vorherigen zu vergleichen. Würde sie infolgedessen Fragen an den Versicherer stellen, könne dies zu einer Beratungspflicht des Versicherers führen. Dies sei aber nicht erfolgt. Der Versicherer habe dementsprechend auch keine Verletzung seiner Beratungspflicht begangen.

Fazit zum Urteil des OLG Braunschweig

Das Urteil des OLG Braunschweig zeigt, dass den Versicherer bei der Änderung der Allgemeinen Versicherungspflichten grundsätzlich keine Beratungspflichten bezüglich der Änderungen treffen kann. Bei der Änderung eines bestehenden Versicherungsvertrages sollte der Versicherungsnehmer daher sorgfältig prüfen, inwieweit neu einbezogene Versicherungsbedingungen nachteilig für ihn sein können.

Offen bleibt, ob dies auch dann gilt, wenn die Umstellung durch einen Versicherungsmakler erfolgt ist. Hier stellt sich die Frage, ob nicht aufgrund der Sachwalterstellung der Versicherungsmakler verpflichtet ist, die Änderungen der Versicherungsbedingungen zu prüfen und den Versicherungsnehmer ggf. auf die Änderungen hinzuweisen (siehe hierzu auch Die Haftung des Versicherungsmaklers).

Dennoch kommt es stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles na. Es kann sich daher durchaus anbieten, diese durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt prüfen zu lassen. Gerne stehen Ihnen dafür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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