Verschweigen von Vorschäden in der Schadensanzeige (LG Hamburg)

Das LG Hamburg hatte sich mit Urteil vom 04.09.2020 mit der Frage zu befassen, ob dem Versicherungsnehmer das Verschweigen von Vorschäden in der Schadensanzeige als eine Verletzung seiner ihm obliegenden Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht anzulasten ist.

Ablehnung der Schadensregulierung wegen Verletzung der Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht

Der Versicherungsnehmer machte nach einem Fahrzeugdiebstahl gegenüber seinem Versicherer Ansprüche aus einer zwischen den Parteien bestehenden Kaskoversicherung geltend. Diese umfasste auch den Fall der Entwendung des Fahrzeugs.

Nachdem der Versicherungsnehmer die Entwendung des versicherten Fahrzeuges mitgeteilt hatte, übermittelte der Versicherer dem Versicherungsnehmer die auszufüllende Schadensanzeige. Der Versicherungsnehmer füllte die Schadensanzeige aus. Er verschwieg dabei Vorschäden, die sich während des Bestehens einer Vorversicherung am versicherten Fahrzeug ereignet hatten. Nach Eingang der ausgefüllten Schadensanzeige lehnte der Versicherer die Schadensregulierung ab.

Der Versicherer ging davon aus, der Versicherungsnehmer habe arglistig die ihm obliegende Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht verletzt. Dies folge besonders aus der falschen Angabe des Kilometerstands. Außerdem begründete der Versicherer die Leistungsablehnung mit dem Verschweigen von Vorschäden in der Schadensanzeige aus vorherigen Versicherungsverhältnissen. Auch bezweifelt der Versicherer den Diebstahl des Fahrzeugs.

Der Versicherungsnehmer wehrte sich gegen die Leistungsablehnung des Versicherers. Er argumentierte, er sei davon ausgegangen, dass sich die Schadensanzeige nur auf den Zeitraum des aktuellen Versicherungsvertrages erstrecke und Schäden, die sich während der Laufzeit der Vorversicherung ereignet hätten, seien nicht anzugeben. Auch seien die betreffenden Schäden lediglich von geringem Ausmaß. Zudem berief er sich auf mangelnde Deutschkenntnisse seinerseits, welche ihm ein Verständnis der Schadensanzeige erschwert hätten. Er machte sodann seine Forderung vor dem Landgericht Hamburg geltend.

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Vorsätzliche und arglistige Verletzung der Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht

Das Landgericht Hamburg wies die Klage als unbegründet ab. Zunächst stellt es jedoch fest, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich Anspruch auf die Schadensregulierung gemäß des Kaskoversicherungsvertrags gehabt hätte. Im Rahmen des Verfahrens sei ihm nämlich der Beweis einer Entwendung des Fahrzeuges gelungen (siehe hierzu auch Beweis des Autodiebstahls in der Kfz-Versicherung (OLG Dresden)).

Vorsätzliche Verletzung der Obliegenheit durch Verschweigen von Vorschäden in der Schadensanzeige

Der Versicherer sei jedoch von seiner Leistungspflicht befreit, da der Versicherungsnehmer arglistig seine Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten verletzt habe. Dies folgt aus dem § 28 II VVG. Der Versicherungsnehmer verliert danach seinen Versicherungsschutz, wenn er eine vertraglich bestimmte Obliegenheit vorsätzlich verletzt. Nach den Versicherungsbedingungen war der Versicherungsnehmer angehalten, alles Nötige zur Aufklärung des Schadensereignisses zu tun. Besonders umfasse dies eine wahrheitsgemäße und vollständige Beantwortung der Schadensanzeige.

Der Versicherungsnehmer hat nach Auffassung des Gerichts gegen diese Obliegenheit verstoßen. Dies erfolgte besonders durch das Verschweigen von Vorschäden in der Schadensanzeige. Der Versicherungsnehmer verneinte wahrheitswidrig die Frage nach Vorschäden oder sonstigen Beschädigungen und tätigte somit falsche Angaben. Die Aussage des Versicherungsnehmers, er ging davon aus, dass sich die Schadensanzeige nur auf den Zeitraum des jetzigen Versicherers erstrecke, sei nicht nachvollziehbar. Dies folge besonders daraus, dass der Versicherer über Schäden während der Versicherungszeit ohnehin Bescheid wisse. Auch die Angabe, er habe gedacht, dass kleine Beschädigungen nicht anzugeben seien, sei nicht glaubwürdig, da der Versicherungsfragebogen ausdrücklich von Kleinschäden spricht.

Ursächlichkeit der Obliegenheitsverletzung für den Versicherungsfall

Weiterhin stellt das Landgericht Hamburg fest, dass wenn eine Obliegenheitsverletzung arglistig erfolgt, es nicht mehr auf eine Ursächlichkeit für den Versicherungsfall ankommt. Damit das Merkmale der Arglist einschlägig ist, müssten sich die Angaben auf Tatsachen beziehen, die für die Feststellung des Schadens oder eine mögliche Entschädigung von Bedeutung sein können. Dabei müsse die falsche Angabe einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgen.

Das Landgericht Hamburg stellt fest, dass das Verschweigen von Vorschäden in der Schadensanzeige erfolgte, um die Abwicklung des Schadenfalls zu vereinfachen. Die Berufung des Versicherungsnehmers auf eine sprachliche Barriere sei nicht entscheidend. Ein Bewusstsein für die Konsequenz seiner Erklärungen sei vorhanden. Es liege in seiner Pflicht, sich um die Übersetzung der Schadensanzeige zu kümmern. Der Versicherungsnehmer handelte nach der Ansicht des LG Hamburg daher arglistig. Diese Auffassung würde besonders auch durch die zu niedrig angegebene Gesamtfahrleistung bestätigt. Eine Bereicherungsabsicht sei für das Merkmal der Arglist nicht erforderlich.

Fazit zur Entscheidung des LG Hamburg

Das Verfahren des LG Hamburg zeigt, dass das Verschweigen von Vorschäden in der Schadensanzeige eine Verletzung der Obliegenheitspflichten bedeuten kann. Dies kann dazu führen, dass der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit ist. Das Ausfüllen einer Schadensanzeige sollte daher sehr sorgfältig erfolgen. Kommt es dennoch zu einer Leistungsablehnung wegen einem angeblichen Verschweigen von Vorschäden in der Schadensanzeige, so kann es durchaus sinnvoll sein, einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu kontaktieren. Gerne steht hierfür auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie u.a. auch unter Versicherung zahlt nicht nach Autodiebstahl

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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