Im Rahmen des Versicherungsrechts stellt sich oftmals die Frage, ob dem Versicherungsnehmer auch das Verhalten Dritter als dessen Repräsentant zuzurechnen ist. Mit dem vorliegenden Artikel soll ein Überblick erfolgen, wann von einer Repräsentantenstellung ausgegangen werden kann.
Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder eines ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist und insoweit befugt ist, selbstständig in einem gewissen nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln. Diese Voraussetzungen sind durch Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu ermitteln (BGHZ 122, 250).
Im Rahmen der Repräsentation wird danach unterschieden, ob die dem Versicherungsnehmer obliegende Risikoverwaltung oder die Vertragsverwaltung betroffen ist. Der Versicherungsnehmer kann den Repräsentant also damit betrauen, bezüglich des versicherten Risikos an seiner Stelle zu handeln (Risikoverwaltung) oder Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag an seiner Stelle wahrzunehmen (Vertragsverwaltung). Die Repräsentation kraft Risikoverwaltung und die Repräsentation kraft Vertragsverwaltung beziehen sich also auf verschiedene Sachverhalte.
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An die stellvertretende Risikoverwaltung werden hohe Anforderungen gestellt. Hinsichtlich der Risiken, die durch den Umgang mit einer Sache gekennzeichnet sind, wird eine vollständige Überlassung der Obhut über die Sache für einen längeren Zeitraum gefordert (BGHZ 107, 229, 231). Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass sich der Versicherungsnehmer der Verantwortlichkeit für den versicherten Gegenstand völlig begeben hat (BGHZ 107, 229, 233). Die bloße vorübergehende Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht hingegen nicht aus. Ebenso wenig genügt es, wenn der Dritte die Sache neben dem Versicherungsnehmer, so wie dieser benutzten darf.
Bedürfen die Sachen hingegen laufender Betreuung, so liegt in der Überlassung der alleinigen und nicht nur vorübergehenden Obhut in der Regel die vollständige Übertragung der Risikoverwaltung (BGHZ 122, 250, 253). Unschädlich bleibt hierbei die jederzeitige Möglichkeit des Versicherungsnehmers, dem Dritten die Obhut wieder zu entziehen (BGH VersR 1996, 1229, 1230).
Eine Repräsentantenstellung kann unabhängig von einer Risikoverwaltung auch kraft eigenständiger Ausübung der Verwaltung des Versicherungsvertrages aufgrund eines Vertragsverhältnisses oder eines vertragsähnlichen Verhältnisses in Betracht kommen (BGHZ 122, 250, 254). In den Fällen der sogenannten Vertragsverwaltung ist Grund für die Haftungszurechnung, dass der Versicherungsnehmer nicht dadurch besser und der Versicherer nicht dadurch schlechter gestellt werden darf, dass der Versicherungsnehmer einen Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Einem Repräsentanten in der Vertragsverwaltung muss dagegen nicht notwendigerweise die gesamte Vertragsverwaltung übertragen werden, sofern ihm ein klar abgrenzbarer Teilbereich innerhalb der Vertragsverwaltung zur selbstständigen Wahrnehmung übertragen worden ist (BGH VersR 1971, 538 (539 f.)).
Die Zurechnung eines Repräsentanten muss sowohl in der Risikoverwaltung als auch in der Vertragsverwaltung auf einem willensgesteuerten Verhalten desjenigen beruhen, dem das fremde Verhalten, Wissen oder Verschulden zugerechnet werden soll. Aus diesem Grund muss ein Vertretungs- oder vertretungsähnliches Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Dritten bestehen. Dazu muss der Versicherungsnehmer den Dritten tatsächlich wissentlich und willentlich zu seinem Repräsentanten bestellt haben (BGHZ 171, 304, 306). Die Repräsentation setzt voraus, dass der Repräsentant befugt ist, selbstständig in einem gewissen nicht ganz unerheblichen Umfang anstelle des Versicherungsnehmers zu handeln.
Demnach liegt keine Repräsentation vor, wenn der Dritte im Obliegenheitsbereich des Versicherungsnehmers ohne dessen Betrauung eigenmächtig tätig wird. Allerdings könnte in solchen Fällen eine Zurechnung über die Grundsätze der Duldungsvollmacht begründet werden. Demgemäß müsste sich der Versicherungsnehmer das eigenmächtige Tätigwerden des Dritten zurechnen lassen, wenn er das Tätigwerden des Dritten kennt und durch Nichteinschreiten duldet.
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Rechtsfolge der Repräsentantenstellung ist, dass dem Versicherungsnehmer das Verhalten und Verschulden des Repräsentanten (ggf. auch sein Wissen) zugerechnet wird.
Das (Fehl-) Verhalten des Repräsentanten wird dem Versicherungsnehmer wie eigenes Verhalten zugerechnet. Dabei ist unerheblich, welche Willensrichtung der Repräsentant verfolgte oder ob das konkrete Verhalten des Repräsentanten dem Willen und dem Interesse des Versicherungsnehmers entsprach (BGH VersR 1996, 1229 (1230)).
Die Zurechnung führt indes nicht zu einer Erweiterung der Obliegenheiten des Versicherungsnehmers. Daraus folgt, dass ein Verhalten des Repräsentanten, das dem Versicherungsnehmer erlaubt wäre, keine Obliegenheitsverletzung begründet. Dies gilt auch, wenn das Verhalten des Repräsentanten rechtswidrig oder im Verhältnis zum Versicherungsnehmer vertragswidrig ist (OLG Hamm VersR 1988, 509).
Darüber hinaus wird dem Versicherungsnehmer neben dem obliegenheitswidrigen Verhalten des Repräsentanten auch dessen Verschulden, sowie Vorsatz (BGHZ 171, 304 (306)) und Arglist zugerechnet. Zugerechnet wird also auch die vorsätzliche Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit durch den Repräsentanten, wenn diese gerade mit der Absicht verletzt wird, den Versicherungsnehmer zu schädigen.
Sofern für die Obliegenheitsverletzung bestimmte Kenntnisse erforderlich sind oder Kenntnisse für das Verschulden vorausgesetzt sind, kommt es in dem übertragenen Bereich zudem auf die Kenntnisse des Repräsentanten an.
Die Repräsentantenstellung wird begrenzt auf den Bereich, für den der Versicherungsnehmer den Repräsentanten an seine Stelle gesetzt hat. Dementsprechend kommt bei Einräumung der Repräsentantenstellung für nur einen bestimmten Bereich, also Risiko- oder Vertragsverwaltung, eine Zurechnung des Verhaltens für den jeweils anderen Bereich nicht in Betracht (siehe hierzu auch Brandstiftung durch mit Vertragsverwaltung betrauten Repräsentanten (BGH)).
Einschränkungen der Repräsentantenhaftung ergeben sich weiterhin daraus, dass dem Versicherungsnehmer das Verhalten des Repräsentanten nicht zugerechnet wird, welches dieser im Zuge seiner Tätigkeit ausgeübt hat, gegen deren fehlerhafte Ausübung der Versicherungsnehmer durch den Versicherungsvertrag jedoch gerade geschützt werden soll. Es fehlt insoweit an einer „Repräsentation“. Vor diesem Hintergrund scheidet im Rahmen einer Kfz-Haftpflichtversicherung die Haftung des Versicherungsnehmers für das Fehlverhalten des Fahrers im Straßenverkehr unabhängig davon aus, ob der Fahrer Repräsentant ist oder nicht (BGH VersR 1969, 695, 696).
Der Versicherer ist darlegungs- und beweispflichtig für diejenigen Umstände, die die Repräsentanteneigenschaft begründen.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
Rechtsanwalt Bernhard Gramlich ist seit 2019 angestellter Anwalt der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2020 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Als Rechtsanwalt hat er bereits einer Vielzahl von Versicherungsnehmern bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber Versicherern geholfen.
In der Rechtsprechung sind bereits folgende Entscheidungen zum Repräsentanten ergangen:
Ob das Verhalten Dritter dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden kann, hängt also von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Bei Streitigkeiten mit dem Versicherer kann es sich daher durchaus empfehlen einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen.
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