Die Repräsentantenstellung des Ehegatten

Der BGH hatte mit Urteil vom 14.05.2003 (BGH, Urt. v. 14. 5. 2003 – IV ZR 166/02) die Repräsentantenstellung des Ehegatten zu klären.

Brandstiftung durch den Ehegatten?

Die Versicherungsnehmerin ist Eigentümerin eines Grundstücks. Auf dem Grundstück betrieb sie eine Gaststätte und einen Getränkeladen. Das Gebäude wurde in der Nacht zum 04.05.1998 durch einen Brand zerstört. Für den entstandenen Brandschaden verlangte die Versicherungsnehmerin vom Gebäudeversicherer Versicherungsleistung.

Der Gebäudeversicherer betrachtet sich allerdings für leistungsfrei. Er behauptet, der Ehegatte der Versicherungsnehmerin, die zum Zeitpunkt des Brandes seit mehreren Wochen im Krankenhaus lag, habe das Gebäude vorsätzlich in Brand gesetzt. Weiterhin argumentiert der Versicherer, die Versicherungsnehmerin müsse sich das Verhalten ihres Ehegatten zurechnen lassen, weil er ihr Repräsentant gewesen sei. Der Ehegatte habe die Gaststätte in eigener Verantwortung geführt. Damit sei ihm die ganz überwiegende Nutzung des Gebäudes übertragen worden. Aus diesem Grund habe der Ehegatte auch die alleinige Obhut über das Gebäude innegehabt.

Die Versicherungsnehmerin bestreitet eine Täterschaft ihres Ehegatten und behauptet darüber hinaus, er sei lediglich als ihr Angestellter in der Gaststätte beschäftigt gewesen und habe deswegen auch keine eigenständigen Entscheidungsbefugnisse über den Geschäftsbetrieb gehabt. Schließlich machte die Versicherungsnehmerin die Zahlung einer Versicherungsleistung gerichtlich geltend.

Einstehen des Versicherungsnehmers für das Verhalten des Repräsentanten

Ein Anspruch der Versicherungsnehmerin auf Versicherungsleistungen bestand nach Ansicht des BGH nicht. Zunächst hat sich das Gericht nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Ehegatte die Gaststätte vorsätzlich in Brand gesetzt hat und damit den Schaden herbeigeführt.

Dieses Verhalten des Ehegatten sei der Versicherungsnehmerin nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung zuzurechnen. Zwar habe die Versicherungsnehmerin nach ständiger Rechtsprechung nicht für das Verschulden Dritter einzustehen. Es stehe ihr indes nicht frei, die Lage des Versicherers dadurch zu verschlechtern, dass sie die versicherte Sache aus der Hand gibt und sich der Obhut über die Sache entäußert mit der Folge, dass der Versicherer für den Schaden eintreten muss, der durch das Verhalten des Sachwalters der Versicherungsnehmerin – ihres Repräsentanten – entsteht. Aus diesem Grund müsse sich die Versicherungsnehmerin billigerweise das Verhalten des Repräsentanten zurechnen.

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Voraussetzungen einer Repräsentantenstellung des Ehegatten

Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, auf Grund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Insbesondere genüge aber die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache nicht, um eine Repräsentantenstellung zu begründen. Ebenso wenig könne eine Repräsentantenstellung allein aufgrund der Ehe oder einer Lebenspartnerschaft mit der Versicherungsnehmerin oder aufgrund eines Miet- oder Pachtverhältnisses begründet werden. Vielmehr sei erforderlich, dass der Repräsentant unter Würdigung der Gesamtumstände befugt ist, selbstständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für die Versicherungsnehmerin zu handeln (Risikoverwaltung). Ob ein Versicherungsnehmer die Risikoverwaltung in dem erforderlichen Maße auf den Dritten übertragen hat, sei eine Frage tatrichterlicher Bewertung der gesamten Umstände des Einzelfalls. Einen umfassenden Artikel zur Repräsentantenstellung finden Sie hier: Der Repräsentant des Versicherungsnehmers

Risikoverwaltung entscheidend

Auf Grundlage einer solchen Einzelfallbewertung nahm das Gericht eine Repräsentantenstellung des Ehegatten an. Hierbei komme es allerdings nicht darauf an, in welchem Umfang dem Ehegatten die Gaststätte zur Nutzung überlassen wurde oder ob sich die Nutzung gemessen an der gesamten Nutz- und Wohnfläche des Gebäudes auf dessen überwiegenden Teil erstreckte. Entscheidend sei vielmehr die Gesamtschau der weiteren Umstände, aus denen sich ergab, dass dem Ehegatten die Risikoverwaltung für das gesamte Gebäude übertragen war. Von großer Bedeutung sei dabei die notarielle Vereinbarung der Eheleute für den Scheidungs- oder Trennungsfall gewesen, welche die Versicherungsnehmerin verpflichtet, ihrem Ehegatten das Gaststättengrundstück nebst Inventar ohne Gegenleistung zu übertragen. Diese Vereinbarung belege, dass der Ehegatte das wirtschaftliche Interesse an der Erhaltung des gesamten Gaststättengrundstücks hatte.

Beherrschende Stellung des Ehegatten

Hinzu trete, dass dem Ehegatten auch faktisch die beherrschende Stellung über das gesamte Grundstück übertragen worden ist. Der Ehegatte habe die Gaststätte seit Jahren selbstständig geführt und der Nutzung des gesamten Anwesens das Gepräge gegeben. Dieser Umstand bewirke, dass der Ehegatte nicht nur geschäftlich, sondern auch ansonsten die bestimmende Rolle einnahm. Verstärkt worden sei die Verantwortung des Ehegatten zudem durch die auf unabsehbare Zeit krankheitsbedingte Verhinderung der Versicherungsnehmerin, sich persönlich um das Gaststättengrundstück zu kümmern. Der Ehegatte der Versicherungsnehmerin habe im Ergebnis die selbstständige Verwaltung des gesamten Gebäudes innegehabt.

Fazit

Ob dem Versicherungsnehmer das Verhalten des Ehegatten zugerechnet werden kann, hängt von einer Gesamtschau der konkreten Umstände des Falles ab. Es kann indes nicht allein auf das Eheverhältnis abgestellt werden, vielmehr ist entscheidend, ob der Versicherungsnehmer die Risikoverwaltung über die versicherte Sache ohne wesentliche Einschränkungen und Vorbehalte an den Repräsentanten abgegeben hat.

Es bedarf dazu stets einer genauen Betrachtung des Einzelfalles. In streitigen Fällen kann es daher durchaus sinnvoll sein, einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt mit der Prüfung des konkreten Falles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie unter Gebäudeversicherung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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