Brandstiftung durch mit Vertragsverwaltung betrauten Repräsentanten (BGH)

Der BGH hatte sich mit Urteil vom 14.03.2007 (Az.: IV ZR 102/03) mit der Frage zu befassen, ob dem Versicherungsnehmer die vorsätzliche Brandstiftung durch einen mit der Verwaltung des Versicherungsvertrages betrauten Repräsentanten zurechenbar ist. Entscheidend war dabei die Unterscheidung der Repräsententenstellung für den Bereich der Vertragsverwaltung und der Gefahrverwaltung.

Vorsätzliche Brandstiftung des Repräsentanten?

Zwei Versicherungsnehmerinnen betrieben in Geschäftsräumen im dritten Obergeschoss einen Pelzgroßhandel mit Lager. Unter Verwendung brennbarer Flüssigkeiten brach nachts an mehreren Stellen des Gebäudes ein vorsätzlich gelegtes Feuer aus.

Zum Zeitpunkt des Brandes befand sich ein Zeuge in den Geschäftsräumen. Dieser ist der Vater der einen Versicherungsnehmerin und Lebensgefährte der anderen Versicherungsnehmerin. Infolge des Brandes in ihren Geschäftsräumen machten die beiden Versicherungsnehmerinnen Versicherungsleistungen in Höhe von etwa 350.000 Euro geltend.

Der Versicherer beruft sich aufgrund vorsätzlicher Brandstiftung des Zeugen auf Leistungsfreiheit. Dabei trägt der Versicherer insbesondere vor, die Versicherungsnehmerinnen müssen sich das Verhalten des Zeugen als ihres Repräsentanten zurechnen lassen. Der Zeuge sei faktisch alleiniger Geschäftsführer gewesen und habe alle Versicherungsangelegenheiten mit dem Versicherer vor und nach dem Brand in eigner Verantwortung erledigt. Die Versicherungsnehmerinnen verfolgten den Anspruch auf Versicherungsleistungen daraufhin gerichtlich.

Gefahrverwaltung und/oder Vertragsverwaltung

Versicherungsnehmer haben für das vorsätzliche Verhalten ihrer Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen, so das Gericht. Begründet werde diese Haftungszurechnung damit, dass es dem Versicherungsnehmer nicht freistehen darf, den Versicherer dadurch besser oder schlechter zu stellen, dass er einen Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Dieser Zurechnungsgrund greife nicht nur hinsichtlich der dem Dritten übertragenen Gefahrverwaltung, sondern auch bei Übertragung der eigenverantwortlichen Verwaltung des Versicherungsvertrags. Eine solche Vertragsverwaltung wurde übertragen, wenn das vertraglich oder gesetzlich geschützte Interesses Versicherers durch den Dritten verletzt werden kann, weil der Versicherungsnehmer ihn in die Lage versetzt hat, selbstständig und in nicht unbedeutendem Umfang für ihn zu handeln.

Grenzen der Repräsentantenhaftung

Der Versicherungsnehmer habe für das Repräsentantenverhalten indessen nur insoweit einzustehen, als er den Dritten an seine Stelle hat treten lassen. Demgemäß sei die Zurechnung auf den Teilbereich beschränkt, für den der Versicherungsnehmer dem Dritten die selbstständige Wahrnehmung seiner Befugnisse übertragen hat. Eine Zurechnung könne jedoch nicht auf andere Teilbereiche ausgedehnt werden.

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Beschränkung auf den Bereich der Vertragsverwaltung

In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen folge daraus, dass sich der Versicherungsnehmer ein Fehlverhalten des Repräsentanten nur in Vertragsangelegenheiten zurechnen lassen muss, wenn er ihm lediglich die Übertragung der Vertragsverwaltung anvertraut hat. Das betreffe Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls, wie etwa Mitteilungen zur Begrenzung des subjektiven Risikos, die Anzeige von Gefahrerhöhungen und Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls. Einem Versicherungsnehmer sei das Verhalten dessen Vertragsverwalters, das zum Eintritt des Versicherungsfalls führt, nicht zuzurechnen, sofern ihm nicht auch die Gefahrverwaltung übertragen worden ist.

Zurückverweisung an das OLG

Vorliegend seien die Verhandlungen mit den Vertretern des Versicherers fast ausschließlich mit dem Zeugen geführt worden. Soweit die erste Versicherungsnehmerin in geringem Umfang an den Verhandlungen beteiligt war, habe sie jedoch keine Entscheidungen getroffen. Daraus lasse sich schließen, der Zeuge habe in eigener Verantwortung die Verwaltung des Versicherungsvertrags ausgeübt. Demnach sei der Zeuge zwar Repräsentant im Bereich der Vertragsverwaltung gewesen. Allerdings sei fraglich, ob ihm als faktischer Geschäftsführer auch die Gefahrverwaltung übertragen worden ist. Entspricht dies den Tatsachen, so müssten sich die Versicherungsnehmerinnen die vorsätzliche Brandstiftung des Zeugen zurechnen lassen.  In Bezug auf die Frage, ob der Zeuge die Brandursache gesetzt hatte und ob ihm als faktischem Geschäftsführer auch die Gefahrverwaltung übertragen war, verwies der Senat die Sache zur tatrichterlichen Prüfung, also zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück.

Fazit

Im Rahmen der Repräsentantenstellung wird zwischen Gefahrverwaltung und Vertragsverwaltung differenziert. Hat der Versicherungsnehmer die eigenverantwortliche Wahrnehmung der Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag einem Dritten übertragen, ist dieser insoweit sein Repräsentant für diesen Bereich. Eine bloße Vertragsverwaltung führt aber nicht dazu, dass der Dritte auch Repräsentant des Versicherungsnehmers im Bereich der Risikoverwaltung wäre. Behauptet der Versicherer daher, dass dem Versicherungsnehmer das Handeln seines Repräsentanten zuzurechnen ist, so ist stets zu prüfen, für welchen Bereich der Versicherungsnehmer den Dritten überhaupt als seinen Repräsentanten eingesetzt hat.

In streitigen Fällen kann es daher durchaus sinnvoll sein, einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt mit der Prüfung des konkreten Einzelfalles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Einen weiterführenden Artikel zur Repräsentantenstellung finden Sie hier: Der Repräsentant des Versicherungsnehmers

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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