Kein Beweis des Suizids bei fehlendem Motiv (OLG Düsseldorf)

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 07.06.1984 –  Az. 8 U 97/87) hatte zu entscheiden, ob bei einem fehlenden Motiv für eine Selbsttötung der Beweis eines Suizids nicht erbracht ist.

Anspruch auf Versicherungsleistung nach Kopfschuss?

Der Versicherte unterhielt bei dem Versicherer eine Unfallversicherung und zwei Restschuldversicherung zur Kreditsicherung. Er starb an den Folgen eines im Wohnzimmer erlittenen Kopfschusses. Nachdem der Versicherer die Leistung verweigerte, da er aufgrund eines Suizids des Versicherten leistungsfrei sei, wandte sich die bezugsberechtigte Ehefrau an einen Anwalt. Dieser riet der Ehefrau mangels Erfolgsaussichten von einer Klage ab, auch wenn diese ausdrücklich ein rechtliches Vorgehen wünschte.

Nach einiger Zeit wandte sich die Ehefrau an einen anderen Anwalt mit der Bitte um eine Zweitmeinung. Dieser hätte durchaus Erfolgsaussichten bzgl. des eigentlichen Versicherungsfalles gesehen, jedoch war zum Zeitpunkt der Beauftragung des Zweitanwaltes bereits die nach altem Recht geltende Klagefrist abgelaufen. Bereits deshalb bestanden keine Erfolgsaussichten bzgl. des Vorgehens gegenüber dem Versicherer. Der Anwalt empfahl daher eine Inanspruchnahme des zuerst beauftragten Rechtsanwaltes. Dieser wehrte sich gegen die gegen ihn erhobene Schadensersatzforderung mit dem Einwand, dass eine Fristversäumung nicht ursächlich für eine entgangene Leistung gewesen sei, sondern eine Inanspruchnahme schon an der vorsätzlichen Selbsttötung des Versicherten gescheitert wäre.

Die Ehefrau argumentierte hingegen, dass ihrerseits ein Anspruch auf die Versicherungsleistung bestanden hätte. Es hätte kein Suizid ihres Mannes vorgelegen, welcher den Versicherer von seiner Leistungspflicht entbunden hätte. Die Ehefrau behauptete, dass es sich bei dem Kopfschuss des Versicherten um einen Unfall gehandelt habe. Ihr Ehemann, der Versicherte, sei Schütze im Schützenverein gewesen. Eine der Waffen sei beschädigt gewesen und bei Prüfung der Waffen im heimischen Wohnzimmer habe sich ein Schuss gelöst und den Versicherten unglücklich getroffen. Es sei auch kein Motiv für eine vorsätzliche Selbsttötung erkennbar gewesen. Der Versicherte habe in einer intakten Familiensituation gelebt, sei finanziell und beruflich abgesichert und habe weder physische noch psychische Krankheiten. Es könne sich daher nur um einen Unfall gehandelt haben, weshalb der Versicherer hätte leisten müsse.

Rechtsanwalt für Versicherungsrecht

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Fehlendes Motiv ausschlaggebend für den Beweis des Suizids

Nachdem das Landgericht die Klage der Ehefrau gegen den Anwalt abwies, entschied das OLG Düsseldorf über den Fall. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf wäre eine rechtzeitige Klage gegen den Versicherer durchaus erfolgsversprechend gewesen. Der Beweis einer vorsätzlichen Selbsttötung des Versicherten wäre dem Versicherer nämlich nach Ansicht des Versicherers nicht gelungen. Vielmehr bestehe eine ernsthafte Möglichkeit, dass es sich beim Geschehensablauf um einen Unfall handelte.

Das Landgericht hatte aufgrund fehlender Pulverschmauchspuren den unmittelbaren Schluss auf einen Mundschuss und damit eine vorsätzliche Selbsttötung gezogen. Eine solche Schlussfolgerung gehe jedoch fehl. Bei den Ermittlungen wurden chemisch-physikalische Tests, welche Schmauchspuren sicher feststellen könnten und die somit eine solche Schlussfolgerung zumindest stützen würden, versäumt. Demnach könne es nicht ausgeschlossen werden und liege im Bereich des Möglichen, dass sich die Waffe nicht in unmittelbarer Kopfnähe, sondern weiter entfernt befand. Diese Möglichkeit eröffne wiederum die Möglichkeit, dass sich der Schuss unabsichtlich gelöst habe. Dies sei auch im Hinblick auf die Tatsache zu betrachten, dass der Versicherte gerade leicht alkoholisiert von einer Feier zurückkehrte und eine gesteigerte Unaufmerksamkeit mehr als nur möglich gewesen sei.

Zudem sei kein ernsthaftes Motiv für eine vorsätzliche Selbsttötung ersichtlich gewesen. Die stabilen Verhältnisse in jeglicher Hinsicht ließen keinen Beweggrund dafür erkennen, sich zu suizidieren. Zwar würden danach auch einige Tatsachen für die Annahme einer vorsätzlichen Selbsttötung sprechen, jedoch sei der Beweis einer Selbsttötung bereits dann nicht erbracht, wenn ernsthaft die Möglichkeit bestehe, dass ein anderer Geschehensablauf vorgelegen haben könnte. Dies sei hier der Fall gewesen. Eine vorsätzliche Selbsttötung konnte daher nicht nachgewiesen werden, sodass die Klagen gegen den Versicherer erfolgreich gewesen wären.

Die Ehefrau hätte bei rechtzeitiger Klageerhebung demnach erfolgreich die bestehenden Ansprüche durchsetzen können. Die Klagen seien nicht wegen mangelnder Leistungspflicht des Versicherers aussichtslos gewesen, sondern alleine aufgrund der durch den Anwalt verschuldeten Fristablauf.

Fazit

Grundsätzlich muss der Versicherer beweisen, dass es sich um eine vorsätzliche Selbsttötung handelt, wenn er die Leistung deshalb verweigert. Für einen solchen Nachweis kann auch auf die äußeren Umstände der Selbsttötung zurückgegriffen werden (siehe hierzu Vorsätzliche Selbsttötung bei Tod eines Jägers durch Jagdgewehr?). Sprechen die objektiven Hergänge jedoch sowohl für als auch gegen eine Selbsttötung, kann ein stabiles Umfeld des Versicherten und ein fehlendes Motiv für einen Suizid der entscheidende Aspekt sein, der gegen einen Suizid spricht.

Es ist jedenfalls immer das Einzelfallgeschehen unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände zu betrachten. Verweigert die Lebensversicherung bezugsberechtigten Personen die Leistung, kann es sich daher durchaus empfehlen einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Weitere interessante Beiträge zum Thema finden sie hier: „Zahlt die Lebensversicherung nach einem Suizid?

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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