Das LG Detmold hatte mit Urteil v. 14.06.2022 (Az.: 02 O 123/21) über die Wirksamkeit einer Anfechtung einer Pflegetagegeldversicherung mit Kindernachversicherung wegen Nichtangabe von pränatalen Erkenntnissen zu entscheiden. Dem Versicherungsnehmer wurde seitens des Versicherers vorgeworfen, er habe durch Nichtangabe von pränatalen Erkenntnissen den Versicherer bei Beantragung der Pflegetagegeldversicherung arglistig getäuscht.
Im April des Jahres 2020 schloss der Versicherungsnehmer über seinen Versicherungsmakler eine Pflegetagegeldversicherung ab mit der Möglichkeit einer Kindernachversicherung. Die Kindernachversicherer bot dabei die Möglichkeit „ein zukünftig geborenes Kind“, wenn dies „mindestens 2 Monate nach der Geburt vermeldet“ wird mitzuversichern. Versicherungsschutz besteht danach auch hinsichtlich möglicher „Geburtsschäden sowie angeborene Krankheiten und Gebrechen“.
Ca. zwei Monate nach Abschluss der Pflegetagegeldversicherung wurde die Tochter des Versicherungsnehmers geboren. Er beantragte daraufhin die Aufnahme seiner Tochter in die Pflegetagegeldversicherung im Rahmen der vorgenannten Kindernachversicherung. Diesem Wunsch entsprach der Versicherer auch.
Direkt nach der Geburt des Kindes des Versicherungsnehmers wurde eine linksseitige Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKGS) diagnostiziert. Im Sommer wurde dann durch den MDK Westfalen-Lippe ein Pflegegerad 3 und nach einer durchgeführten Operation der Pflegegrad 2 festgestellt.
Anschließend beantragte der Versicherungsnehmer Leistungen aus der Pflegetagegeldversicherung für sein versichertes Kind. Hiernach forderte der Versicherer mehrere medizinische Unterlagen bezüglich des Kindes an. Diese ergaben, dass Anzeichen für eine Erkrankung der Tochter bereits durch die pränatale Diagnostik im Februar 2020 festgestellt worden waren. Gleichwohl hatte der Versicherungsnehmer im Rahmen der Antragsstellung zur Pflegetagegeldversicherung die Diagnose seines damals noch ungeborenen Kindes nicht angegeben. Der Versicherer erklärte daraufhin die Anfechtung der Pflegetagegeldversicherung wegen arglistiger Täuschung. Die Erbringung von Leistungen aus der Pflegetagegeldversicherung lehnte der Versicherer dementsprechend ab.
Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow vertritt ihre Mandanten bundesweit vor Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.
Der Versicherungsnehmer erhob sodann Klage vor dem LG Detmold. Der Versicherer wehrte sich gegen die gerichtliche Inanspruchnahme jedoch mit der Begründung, dass er durch den Versicherungsnehmer arglistig getäuscht worden sei. Der Versicherer hätte in Kenntnis über die Erkrankung des Kindes den Antrag auf Abschluss einer Pflegetagegeldversicherung nicht angenommen. Die von ihm erklärte Anfechtung der Pflegetagegeldversicherung sei daher rechtmäßig erfolgt.
Das Landgericht Detmold teilte diese Auffassung des Versicherers jedoch nicht. Es führte in seinem Urteil aus, dass die Pflegetagegeldversicherung nebst Kindernachversicherung nicht wirksam angefochten worden sei und daher unverändert fortbestünde. Das Landgericht Detmold vermochte in dem Verhalten des Versicherungsnehmers keine arglistige Täuschung des Versicherers zu erkennen.
Der Versicherer hatte weder im Rahmen des Abschlusses der Pflegetagegeldversicherung noch im Rahmen der Kindernachversicherung nach etwaigen Erkrankungen des ungeborenen Kindes gefragt. Ferner war der Versicherungsnehmer nicht zur Anzeige von pränatalen Untersuchungsergebnissen im Rahmen einer spontanen Anzeigeobliegenheit (siehe hierzu Spontane Anzeigeobliegenheit) verpflichtet, denn die o.g. Klausel zur Nachversicherung erklärt in ausdrücklicher Form, dass unter anderem Geburtsschäden von zukünftigen Kindern mitversichert sind. Von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer könne daher nicht erwartet werden, dass eine Erkrankung, die mitversichert ist, einen gefahrenerheblichen Umstand darstellt, den der Versicherungsnehmer ohne Rückfragen offenzulegen hat. Daher verurteilte das LG Detmold den Versicherer zur Zahlung aus der Pflegetagegeldversicherung.
Die Frage, der spontanen Anzeigepflicht bei Abschluss von Pflegetagegeldversicherungen und die Angabe von pränatalen Erkenntnissen beschäftigt immer öfter Gerichte. Auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte hat in diesem Zusammenhang bereits Verfahren geführt (siehe hierzu Pflegetagegeldversicherung: OLG Hamm bestätigt Urteil gegen die INTER Krankenversicherung AG). Gerichte urteilten dabei durchaus zugunsten von Versicherungsnehmern. Soweit Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Verletzung seiner „spontanen Anzeigepflicht“ vorwerfen, kann es daher durchaus ratsam sein, die Wirksamkeit einer daraufhin erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages einer anwaltlichen Prüfung zuzuführen.
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.
Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.