Bei Versicherungen geht es oftmals um die Absicherung der wirtschaftlichen Existenz des Versicherten. Versicherungsrechtsfällen widmen wir uns daher mit besonderem persönlichen Engagement.
Das OLG Hamm hatte zu der Beratungspflichtigkeit eines Versicherungsagenten bei Tresorklauseln in einer Hausratversicherung zu befinden (OLG Hamm, Beschluss v. 07.09.2020 – 20 U 92/20).
Der klagende Versicherungsnehmer begehrt von seinem Hausratversicherer den Ersatz von neuwertigem Schmuck, der gestohlen wurde. Der Versicherer weist dies von sich, mit dem Verweis auf die „Tresorklausel“ im Versicherungsvertrag: Demnach besteht nur eingeschränkter Versicherungsschutz, wenn Schmuck außerhalb eines Tresors gelagert wird. Der Versicherer leistete bereits die Versicherungssumme, abzüglich des Einbehalts aufgrund der Tresorklausel. Der Versicherungsnehmer will den gekürzten Teil als Schadensersatz geltend machen, mit der Begründung, er wurde falsch beraten und hätte diesen Vertrag nie geschlossen, wenn er richtig beraten worden wäre. Das OLG Hamm wies das Klägerbegehren ab.
Das vorinstanzliche LG nahm nach Einschätzung des OLG Hamm die Bewertung der Wirksamkeit der Tresorklausel richtig vor. Eine solche primäre Risikobegrenzung des Versicherers ist weder überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB, noch unangemessen benachteiligend gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB. Insoweit besteht kein versicherungsvertraglicher Anspruch, der Ausschluss der Versicherungsleistung ist wirksam.
Der Anspruch auf den Mehrwert kann sich nur aufgrund eines Schadensersatzanspruchs aus § 6 Abs. 5 VVG ergeben, wenn der Versicherungsagent den Versicherungsnehmer falsch beraten hat. Das OLG Hamm bewertete erst, ob eine ersatzpflichtige Pflichtverletzung vorliegt. Es konnte aber insoweit festgestellt werden, dass es an einem besonderen Beratungsbedarf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gem. § 6 Abs. 1, 4 VVG gefehlt hat. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer muss davon ausgehen, dass Wertsachen nicht unbeschränkt und ohne Bedingungen vollumfänglich versichert sind. Eine Beratungspflicht konnte so mangels der Notwendigkeit einer Beratung nicht hergestellt werden. Der Versicherungsnehmer hatte im Übrigen nie vor einen Tresor anzuschaffen.
Im Übrigen stellte das OLG Hamm aber eindeutig fest, dass es trotz einer Beratungspflichtverletzung nie zu einem kausalen Schaden gekommen wäre. Der Versicherungsnehmer gab an, dass er den Vertrag gekündigt hätte, wenn er gewusst hätte, dass bei Aufbewahrung außerhalb des Tresors nur eingeschränkter Versicherungsschutz besteht. Zwar kann der Versicherungsnehmer eine „Quasi-Deckung“ gem. § 6 Abs. 5 VVG verlangen, wenn er bei gehöriger Aufklärung einen anderen Vertrag geschlossen hätte, jedoch müsste dafür ein alternatives Versicherungsprodukt auf dem Markt verfügbar sein. Dass am Markt ein Vertrag über eine Hausratversicherung verfügbar wäre, in dem Wertsachen gänzlich wertunabhängig auch dann versichert sind, wenn sie ohne jegliche Sicherung aufbewahrt werden, ist aber nicht ersichtlich. Es fehlt somit an einer kausalen Beratungspflichtverletzung, der Schaden wäre nicht durch eine andere Beratung abzuwenden gewesen.
Für Versicherungen gelten strikte Beratungspflichten in der Versicherungsvermittlung. Ein Schadensersatzanspruch kann sich unter bestimmten Voraussetzungen aus einer mangelnden Beratung ergeben. Als Faust-Formel gilt hier jedoch, dass ein alternatives Versicherungsprodukt, das den Erwartungen des Versicherungsnehmers entspricht, zumindest existieren muss. Ansonsten kann hierzu auch nicht beraten werden. Im Zweifelsfall sollte ein Fachanwalt für Versicherungsrecht mit der Bewertung der Versicherung und des Verhaltens der Vermittler betraut werden.
Weiterführende interessante versicherungsrechtliche Artikel und Urteilszusammenfassungen können nachfolgend in einem Leitartikel nachgelesen werden: Hausratversicherung.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwalt für Informationstechnologierecht
Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
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