Kontrollobliegenheit des Versicherungsnehmers bei Leerstand (OLG Koblenz)

Mit einem Hinweisbeschluss stellte das OLG Koblenz am 29.04.2020 (Az.: 10 U 2170/19 ) fest, welche Kontrollobliegenheit des Versicherungsnehmers bei einem leerstehenden Gebäude bestehen.

Leitungswasserschaden während Leerstand des versicherten Gebäudes 

Der Kläger nimmt die die beklagte Wohngebäudeversicherung auf Versicherungsleistungen in Anspruch. Der Grund dafür ist ein entstandener Leitungswasserschaden. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen – VGB 2006 – zu Grunde.

Das versicherte Gebäude stand leer und die Wasserleitungen waren nicht abgestellt oder entleert. Der Kläger beabsichtigte künftig das Gebäude zu vermieten. Während des Leerstandes hat der Kläger das Gebäude nur äußerlich in Augenschein genommen und keine Kontrolle im Inneren durchgeführt. In Folge einer Frostperiode kam es zu einem Frostschaden an einer Armatur woraufhin Wasser austrat.

Die rechtliche Bewertung des OLG Koblenz

Der Versicherer hat grundsätzlich gemäß der Versicherungsbedingungen für den Schadensfall einzutreten. Der Schadensfall ist die Beschädigung der versicherten Sache, was unstrittig durch den Wasser- und Frostschaden eingetreten ist. Die entstehende Versicherungsleistung kann jedoch gekürzt werden. Immer dann, wenn dem Versicherungsnehmer besondere Sorgfaltspflichten (Obliegenheiten) vertraglich auferlegt werden und er diese missachtet.

In § 27 Nr. 1 c VGB 2006 ist festgelegt, dass der Versicherungsnehmer nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten.

Das Gericht hatte mithin zu untersuchen, ob der Versicherte vorliegend seine vertraglichen Sorgfaltspflichten missachtete.

Leerstehendes Gebäude

Der Klausel nach entsprechend müsste es sich um ein nicht genutztes Gebäude gehandelt haben. Festgestellt wurde, dass die Möblierung und vollständige Renovierung des Gebäudes nicht ausreichen, um jedenfalls keinen Leerstand anzunehmen. Die Möblierung begründet keine Nutzung als Lager. Auch die beabsichtigte Vermietung vermochte diesem Umstand nicht entgegenzuwirken. Das OLG stellte schließlich auf den Umstand der andauernden Nicht-Vermietung des Gebäudes ab, das Gebäude wird nur betreten für sporadische Renovierungsarbeiten. Es liegt damit keine Nutzung vor.

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Verletzung der Kontrollobliegenheit durch Versicherungsnehmer

Der Klausel entsprechend hätte der Kläger das Gebäude häufig kontrollieren müssen. Unter einer Kontrolle ist die Überwachung des Gebäudeinneren zu verstehen. Das OLG sah in den äußeren Inaugenscheinnahmen keine genügende Kontrolle. In Zeiten von Dauerfrost wird eine Kontrollpflicht konstituiert, die eine Kontrolle des Inneren alle zwei bis drei Tage erfordert. Die nach der Verhaltensklausel auferlegten Verhaltenspflichten des Absperrens und Entleerens von wasserführenden Anlagen hat auch kumulativ zu erfolgen; die Erfüllung des einen und nicht des anderen genügt nicht aus. In Kenntnis der Frostperiode unterließ es der Versicherte die Kontrollen durchzuführen, dies ist grob fahrlässig.

Gegenbeweis der fehlenden Ursächlichkeit

Im Falle der Leistungskürzung aufgrund einer Obliegenheitsverletzung ist es dem Versicherten möglich den „Kausalitätsgegenbeweis“ zu erbringen. Der Versicherte kann beweisen, dass ihn kein oder ein geringerer Grad an Verschulden trifft. Bezugspunkt des Verschuldens ist dabei die Verletzung der Sicherheitsvorschrift, nicht dagegen die Herbeiführung des Versicherungsfalls. Aufgrund der Kenntnis über den Leerstand und dem Nicht-Tätigwerden konnte der Versicherte nicht glaubhaft machen, dass wenn er die vertragliche Sicherheitsvorschrift beachtet hätte, der Schaden nicht eingetreten wäre.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Mit dem Leerstand eines Gebäudes entsteht eine Kontrollobliegenheit des Versicherungsnehmers. Wichtig ist es, die innere Beschaffenheit des Gebäudes zu kontrollieren. Im Einzelfall kann trotz Beachtung der Kontrollpflichten ein Schaden eingetreten sein, in diesem Fall wäre der Versicherer nicht zur Kürzung berechtigt. Tritt an einem versicherten Gebäude ein Schadensfall ein, sollte umgehend ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Gebäudeversicherung“ zusammengefasst.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt berichtet über Urteil zur Kontrollobliegenheit des Versicherungsnehmers.

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