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Übertragung von Altersrückstellungen bei Versicherungswechsel in der privaten Krankenversicherung (OLG Dresden)

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte sich mit Urteil vom 24.4.2018, Az. 4 U 1608/17, mit der Übertragung von Altersrückstellungen nach der Anfechtung eines privaten Krankenversicherungsvertrages durch den Versicherer  zu befassen.

Der Sachverhalt vor dem OLG Dresden

Der Versicherungsnehmer verlangte nach Beendigung des Krankenversicherungsvertrages vom Versicherer die Übertragung von Altersrückstellungen. Der Versicherer hatte den Krankenversicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Nach Anfechtung des Vertrages schlossen der Versicherer und der Versicherungsnehmer im September 2013 einen Vergleich, wonach die Versicherung rückwirkend zum Februar 2013 beendet wurde. Der Versicherungsnehmer schloss erst zum 01.01.2014 eine neue Krankenversicherung bei einem anderen Versicherungsunternehmen ab. Der Vorversicherer weigerte sich jedoch, die Altersrückstellungen an den neuen Versicherer zu übertragen.

Wozu dienen Altersrückstellungen?

Mit zunehmenden Alter nehmen die Krankheitskosten zu. Ältere Menschen nehmen mehr Gesundheitsleistungen in Anspruch. Die Krankenversicherung müsste demnach die Beiträge eigentlich altersabhängig kontinuierlich erhöhen. Dies würde bedeuten, dass die Versicherung umso teurer wird, je älter der Versicherte wird.

Um zu vermeiden, dass mit dem Alter die Beiträge steigen, sind die Versicherungsunternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, Altersrückstellungen zu bilden. Altersrückstellungen sind Teile des monatlichen Beitrages, welche von der Versicherung zurückgestellt werden. Damit bleiben auch im Alter die Versicherungsprämien „bezahlbar“.

Fraglich ist aber, was mit den beim bisherigen Vertragspartner gebildeten Altersrückstellungen passiert, wenn die Versicherung gewechselt wird. Können diese dann zum neuen Versicherer „mitgenommen“ werden? In seinem Urteil vom 24.4.2018 entschied sich das OLG dagegen.

Heutzutage Altersrückstellungen bedingt übertragbar

Bis 2009 waren die Altersrückstellungen bei einem Wechsel des Versicherers nicht übertragbar, sondern mussten bei dem neuen Vertragspartner erst wieder aufgebaut werden. Mit der Reform des Gesundheitswesens zum 01.01.2009 dürfen privat Krankenversicherte zumindest Teile ihrer Altersrückstellungen mitnehmen. Zunächst erfolgt dabei ein fiktiver Wechsel des Versicherungsnehmers vom Volltarif in den Basistarif der alten Versicherung. Danach wechselt er sofort zu einer neuen Versicherung und kann die Rückstellungen auch bei der neuen Versicherungsgesellschaft nutzen. Ein Teil der Rückstellungen verbleibt dabei beim alten Versicherer, nämlich die Differenz zwischen Altersrückstellungen des Volltarifs und Altersrückstellungen des Basistarifs. Teils gehen die Altersrückstellungen bei einer Übertragung also verloren.

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Tarifwechsel gem. § 204 VVG

Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist eine Übertragung von Altersrückstellungen innerhalb einer Versicherung in einen leistungsgleichen Tarif vollumfänglich möglich. Bei einem Versicherungswechsel hingegen nicht: Nach § 204 Abs. 1 Nr. 2 a VVG kann der Versicherungsnehmer bei bestehendem Versicherungsverhältnis vom Versicherer verlangen, dass dieser bei einer Kündigung des Vertrags und dem gleichzeitigen Abschluss eines neuen Vertrags bei einem anderen Krankenversicherer die kalkulierte Altersrückstellung an den neuen Versicherer überträgt. In dem vorliegenden Urteil entschied das OLG Dresden, dass der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Übertragung von Altersrückstellungen aus § 204 Abs. 1 Nr. 2a VVG hat. Die Voraussetzungen des § 204 I Nr. 2 a VVG liegen hier nicht vor.

Übertragung von Altersrückstellungen nur bei Kündigung durch Versicherungsnehmer

Nach Auffassung des OLG kommt eine Übertragung von Altersrückstellungen nur im Fall einer Vertragskündigung seitens des Versicherungsnehmers in Betracht. Hier lag keine Kündigung durch den Versicherten vor. Vielmehr hatten sich der Versicherte und der Versicherer nach einer vom Versicherer erklärten Anfechtung im Vergleichswege auf eine Beendigung des Vertrages geeinigt.

Dem Versicherungsnehmer soll durch das in § 204 Abs. 1 Nr. 2a VVG normierte Tarifwechselrecht der Wechsel zwischen den Versicherungen erleichtert werden. Ihm soll ermöglicht werden, Altersrückstellungen in einen neuen günstigeren Tarif mitzunehmen. Es besteht kein Grund, den Anwendungsbereich der Vorschrift so auszudehnen, dass er auch zutrifft, wenn eine vom Versicherer herbeigeführte Vertragsbeendigung vorliegt. In dem Fall greift daher § 204 Abs.1 Nr. 2 a VVG nicht, so das OLG.

Lückenloser Versicherungsschutz

Der von § 204 Abs. 1 Nr. 2a VVG geforderte gleichzeitige Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages ist nicht gegeben. Der Versicherungsnehmer hat den neuen Krankenversicherungsvertrag erst zum 01.01.2014 abgeschlossen, während der andere Vertrag bereits im Februar 2013 endete. Es besteht somit eine Versicherungslücke von über 10 Monaten. Diese schließt die Mitnahme von Altersrückstellungen aus. Zum einen wird nach dem Wortlaut des § 204 I Nr. 2 a VVG ein „bestehendes Versicherungsverhältnis“ und der „gleichzeitige Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages“ vorausgesetzt, zum anderen ergibt sich auch aus den  Kündigungsregelungen der §§ 205 ff. VVG, dass ein lückenloser Versicherungsschutz gewährleistet sein muss. Beispielsweise kann auch nach § 205 Abs. 6 VVG ein Krankenversicherungsvertrag nur gekündigt werden, wenn ein neuer Vertrag abgeschlossen wird.

Keine Analogie des § 204 Abs. 1 Nr. 2a VVG

204 I Nr. 2 a VVG soll nach Auffassung des OLG Dresden auch nicht analog angewendet werden auf Fälle, in denen durch Vergleich rückwirkend ein Vertrag beendet wird, die Anschlussversicherung aber nicht ab dem vereinbarten Beendigungstag zu laufen beginnt, sondern erst ab Wirksamkeit des Vergleichs. Die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke fehlt. Die Kündigungsvorschriften der §§ 204 ff. VVG verdeutlichen gerade den Willen des Gesetzgebers, einen lückenlosen Versicherungsschutz durch nahtlosen Anschluss der Vorversicherung an die neue Krankenversicherung zu gewährleisten. Die Mitnahme von Altersrückstellungen auch nach einem versicherungslosen Zeitraum widerspräche dem Gesetzeswillen. Der erforderliche gleichzeitige Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages ist somit bei einer Beendigung durch Vergleich nur gewahrt, wenn der neue Vertrag an den vereinbarten Beendigungszeitpunkt anknüpft. Dies lag im vorliegenden Rechtsstreit nicht vor.

Praxishinweis

Bei einem geplanten Versicherungswechsel sollte frühzeitig vor der Kündigung ein neuer Versicherungsvertrag geschlossen werden, damit sich dieser nahtlos an die Vorversicherung anschließt. Nur so kann später die Übertragung von Altersrückstellungen geltend gemacht werden und die beim alten Versicherer gebildeten Altersrückstellungen gehen nicht vollständig verloren. Dieser Aspekt ist ebenfalls bei Rechtsstreitigkeiten mit dem Vorversicherer zu bedenken, gerade auch wenn Vergleichsvereinbarungen geschlossen werden. Aus diesem Grunde sollten frühzeitig versierte Fachanwälte für Versicherungsrecht hinzugezogen werden, damit der Versicherte nicht noch mehr Ansprüche verliert.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Private Krankenversicherung“ zusammengefasst.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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