Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers als deklaratorisches Schuldanerkenntnis (OLG Celle)

Ist von einem Rechtsschutzversicherer in Kenntnis der erstinstanzlichen Entscheidung und der Rechtsmittelbegründung eine Deckungszusage für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens erteilt und wird das Rechtsmittel zurückgewiesen, stellt sich die Frage, ob der Rechtsschutzversicherer gegen den Prozessbevollmächtigten einen Anspruch auf Erstattung der Anwalts- und Gerichtskosten hat. Mit dieser Frage hatte sich das Oberlandesgericht Celle (OLG Celle) zu befassen gehabt (OLG Celle, Beschluss vom 5. 7. 2010 – 3 U 83/10).

Der Sachverhalt vor dem OLG Celle

Die klagende Rechtsschutzversicherung begehrt vom früheren Prozessbevollmächtigten ihres Versicherungsnehmers aus übergangenem Recht Schadensersatz hinsichtlich der entstandenen Kosten für ein Rechtsmittelverfahren. Der Rechtsschutzversicherer hatte dem Versicherungsnehmer im Rahmen eines WEG-Verfahrens eine Deckungszusage erteilt. In dem besagten Verfahren hat der Versicherungsnehmer, Miteigentümer einer Wohnungseigentumsanlage, beim Amtsgericht beantragt, einen Beschluss der Eigentümerversammlung aufzuheben. Nach Ansicht des Rechtsschutzversicherers sei das Rechtsmittel in diesem Verfahren jedoch erkennbar aussichtslos gewesen. Hiervon hätte der Rechtsanwalt den Mandanten belehren und ihm von der Einlegung des Rechtsmittels abraten müssen.

Der beklagte Rechtsanwalt macht geltend, seinen Mandanten richtig belehrt zu haben, nämlich, dass das Rechtsmittel wenig Aussicht auf Erfolg habe. Dennoch habe der Mandant auf die Einlegung des Rechtsmittels bestanden, was er als Zeuge bestätigt hat. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

Die rechtliche Wertung des OLG Celle

Das OLG Celle folgt der erstinstanzlichen Entscheidung und hat mit Beschluss vom 05.07.2010 entschieden, dass der Rechtsschutzversicherer keinen Anspruch mit der Begründung hat, der Versicherungsnehmer hätte wegen erkennbarer Aussichtslosigkeit von dem Rechtsmittelverfahren abraten müssen. Es hat durch Beschluss nach § 522 Absatz 2 der Zivilprozessordnung darauf hingewiesen, dass die Berufung des Rechtsschutzversicherers keine Aussicht auf Erfolg haben werde und hat diesem geraten die Berufung zurückzunehmen.

Es bestehen zwischen der Klägerin und dem Beklagten keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen. Der Beklagte, der vom Versicherungsnehmer als Rechtsanwalt beauftragt worden ist, sei deshalb nur seinem Mandanten gegenüber für die Durchführung des Rechtsanwaltsvertrages verantwortlich. Unmittelbare vertragliche Ansprüche der Klägerin gegen den früheren Prozessbevollmächtigten ihres Versicherungsnehmers seien damit ausgeschlossen.

Der Beklagte habe gegenüber dem Versicherungsnehmer eine ihm aus dem Mandatsverhältnis obliegende Pflicht nicht verletzt. Der beklagte Anwalt hatte substantiiert vorgetragen, dass er seinen Mandanten darüber belehrt habe, dass das Rechtsmittelverfahren nur wenig Aussicht auf Erfolg habe. Nach Auffassung des OLG sei dies sachgerecht und ausreichend gewesen.

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„Versicherungsmakler sollten Kunden frühzeitig zum  einer Rechtsschutzversicherung raten. Im Rechtsschutzfall sollten die Leistungsentscheidungen von Rechtsschutzversicherungen jedoch stets juristisch überprüft werden, sofern diese zu Lasten des Versicherten sind. Damit keine Ansprüche vereitelt werden, sollte zwingend zeitnah juristischer Rat eingeholt werden.“

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Deckungszusagen sind schuldrechtliche Schuldanerkenntnisse

Die Klägerin sei mit den von ihr erhobenen Einreden und Einwendungen ausgeschlossen, da die von ihr erteilte Deckungszusage ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis (siehe auch OLG Braunschweig v. 04.03.2013 – 3 U 89/12) darstelle. Bereits bei Abgabe des Anerkenntnisses seien ihr diese Einreden und Einwendungen bekannt gewesen. Ferner habe die Klägerin über die Erfolgsaussichten des Rechtsmittelverfahrens bei Erteilung der Deckungszusage Kenntnis erlangt. Der ihr von dem Beklagten übermittelte Beschluss der ersten Instanz sowie die Rechtsmittelbegründung hätten der Klägerin schriftlich vorgelegen. Somit habe sie über alle erforderlichen Informationen verfügt, um über die Erteilung der Deckungszusage oder deren Verweigerung zu entscheiden.

Der Einwand der Klägerin, dass sie nicht berechtigt sei, die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, für die Deckungsschutz beantragt wird, zu prüfen, sei unzutreffend. Aus der Zusammenfassung der Vorschriften §§ 17, 18 ARB 94/2000 (Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung) ergebe sich, dass der Versicherer dazu berechtigt sei, diese Prüfung vorzunehmen. Nach § 18 Absatz 1b ARB 94/2000 könne der Versicherer die Deckungszusage verweigern, sofern die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen durch den Versicherungsnehmer keine Erfolgsaussichten habe. Für diese Beurteilung ist eine rechtliche Prüfung demnach erforderlich. Verweigert der Rechtsschutzversicherer auf der Grundlage dieser Prüfung die Deckungszusage, komme die Einholung eines Schiedsgutachtens oder ein Stichentscheid in Betracht. Der Stichentscheid ist dann für den Versicherer bindend. Die Klägerin habe vorliegend dem Versicherungsnehmer vorbehaltlos eine Deckungszusage erteilt und damit von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Für den Beklagten habe sie damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Demnach dürfte der Beklagte davon ausgehen, dass entstandene Kosten im Rahmen des Leistungsumfangs vom Rechtsschutzversicherer übernommen werden.

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Hinweise für die Praxis

Mit diesem Beschluss des OLG Braunschweig wird der Zusammenarbeit zwischen Versicherungsmakler / Versicherungsnehmer und Rechtsschutzversicherung Rechnung getragen. In dieser Hinsicht ist eine umfassende Prüfung des Versicherungsfalles im Rahmen der Deckungszusage durch den Rechtsschutzversicherer von großer Bedeutung. Dem Versicherungsmakler wird diesbezüglich empfohlen, in einem Versicherungsfall die Rechtsschutzversicherung umfassend über den Fall in Kenntnis zu setzen. Dies kann dadurch geschehen, dass die Rechtsschutzversicherung bei Eintritt des Versicherungsfalles bereits zu Beginn alle Unterlagen zu dem jeweiligen Sachverhalt erhält, um den Rechtsschutzfall prüfen zu könne. So können rechtliche Streitigkeiten mit dem Rechtsschutzversicherer vermieden werden. Sollte die Rechtsschutzversicherung dennoch einen bedingten Deckungsschutz gewähren, ist jedem Versicherungsmakler und Versicherten anzuraten, zeitnah Rechtsbeistand aufzusuchen.

Weiter Informationen finden Sie unter „Versicherungsrecht„, sowie themenbezogen unter „Rechtsschutzversicherung„.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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