Falschberatung durch Versicherungsvermittler, Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler Beweislast

Falschberatung bei Umdeckung einer Lebensversicherung (OLG Hamm)

Das OLG Hamm hatte mit seinem Urteil vom 27.09.2023 (AZ: 20 U 22/23) zu entscheiden, ob der Versicherungsnehmer nach einer Falschberatung bei Umdeckung einer Lebensversicherung einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Versicherer hat.

Beratungsfehler des Vermittlers?

Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Kapitallebensversicherung. Die ursprüngliche Kapitallebensversicherung wurde 2000 abgeschlossen. Ergänzend wurde 2007 eine Rentenversicherung nebst Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen.

Im Jahr 2018 fanden zwischen dem Vermittler und dem Versicherungsnehmer mehrere Beratungsgespräche statt. Infolgedessen wurde der Beitrag der Berufsunfähigkeitsversicherung herabgesetzt. Zusätzlich wurde eine fondgebundene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. Der Versicherungsnehmer setzte sich als bezugsberechtigte Person im Erlebensfall ein. Im Falle seines Todes sollten die Eltern des Versicherungsnehmers bezugsberechtigt sein. Im Zuge dessen wurde der Vertrag aus dem Jahr 2000 gekündigt. Der Rückkaufwert der Kapitallebensversicherung wurde vom Versicherer ausgezahlt.

Der Versicherungsnehmer unterzeichnete bei der Kündigung des alten Vertrags einen Verzicht auf Beratung durch den Versicherer. Das Formular war dabei nicht vollständig ausgefüllt. Auch über den Abschluss des Neuvertrags wurde ein Beratungsprotokoll angefertigt. Darin wurde folgender Punkt nicht angekreuzt:

„Der Kunde wünscht eine bestehende Lebensversicherung zu kündigen oder beitragsfrei zu stellen und stattdessen eine neue Versicherung abzuschließen. Besonders im Bereich der Lebensversicherung kann dies oft mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. Der Kunde wurde hierüber aufgeklärt. Dies wurde im beigefügten Formular dokumentiert.“

Nach einiger Zeit behauptete der Versicherungsnehmer, bei der Kündigung des Altvertrages nicht auf die Unterschiede zum neuen Vertrag der fondgebundenen Rentenversicherung hingewiesen worden zu sein. Bei dem Altvertrag handelte es sich zudem um einen Vertrag mit Steuerprivilegierung. Außerdem beinhaltete er eine Mindest-Todesfallleistung. Beides galt nicht für den neuen Vertrag.

Daraufhin machte der Versicherungsnehmer Schadensersatzansprüche geltend. Er gab an, dass eine Falschberatung bei Umdeckung einer Lebensversicherung vorliege, da er bei richtiger Beratung keine Kündigung des Altvertrags vorgenommen hätte. Der Versicherer argumentierte, dass kein Beratungsfehler vorliege.

Sodann erhob der Versicherungsnehmer Klage vor dem Landgericht Münster. Dieses wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung des Versicherungsnehmers vor dem Oberlandesgericht Hamm.

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Falschberatung bei Umdeckung einer Lebensversicherung?

Das Oberlandesgericht Hamm entschied zugunsten des Versicherungsnehmers.

Verpflichtung des Versicherers zum Schadensersatz

Der Versicherer habe sich gegenüber dem Versicherungsnehmer schadensersatzpflichtig gemacht. Dazu führte das Oberlandesgericht Hamm zunächst an, dass der Schadensersatzanspruch nicht wegen eines Verzichts des Versicherungsnehmers auf Beratung ausgeschlossen sei. Dabei könne dahinstehen, ob der Beratungsverzicht europarechtskonform sei und wie eine Auslegung zu erfolgen habe. Jedenfalls sei eine Beratung bzgl. der Umdeckung der Lebensversicherung unstreitig erfolgt. Daher müsse trotz eines solchen Verzichts die Beratung jedenfalls ordnungsgemäß erfolgen.

Besondere Beratungspflicht bei der Umdeckung einer Lebensversicherung?

Nachfolgend stellte das Oberlandesgericht Hamm fest, dass eine Pflichtverletzung des Vermittlers anzunehmen sei. Nach § 6 VVG müsse der Versicherungsinteressent nach seinen Wünschen und Bedürfnissen gefragt werden und sodann der für diesen Bedarf passende Versicherungsschutz empfohlen werden. Auf der Grundlage der Beweisaufnahme kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Vermittler seine Pflicht verletzt habe, über den passenden Versicherungsschutz ordnungsgemäß zu beraten. Die Verletzung könne in der fehlenden Aufklärung über Vor- und Nachteile des Alt- gegenüber dem Neuvertrag gesehen werden.

Gerade bei der Empfehlung zur Umdeckung des Versicherungsvertrags bestünden Beratungspflichten. Bei einer Kapitallebensversicherung handele es sich nämlich um einen besonders beratungsintensiven Vertrag. Es sei festzustellen, dass eine Umdeckung durch den Vermittler zweifelsfrei empfohlen wurde. Auch sei die Falschberatung bei Umdeckung einer Lebensversicherung für die Kündigung des Altvertrags als ursächlich anzusehen.

Das Verhalten des Vermittlers sei dem Versicherer auch zuzurechnen. Der Vermittler ist als Erfüllungsgehilfen für den Versicherer tätig gewesen (siehe dazu auch: Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung) .

Auch ein Schaden sei schon in den entgangenen Vorteilen des Altvertrags zu sehen. Auch der BGH nehme an, dass der Kläger bereits bei einer durch fehlerhafte Informationen erworbenen Kapitalanlage in der Regel bereits durch den Erwerb geschädigt werde (BGH, Urteil vom 11.07.2012 – IV ZR 151/11). Der Versicherungsnehmer sei im Ergebnis so zu stellen, als wäre er ordnungsgemäß beraten worden (siehe hierzu Quasideckung: So ermittelt der BGH den Schaden bei einer Falschberatung des Versicherungsvermittlers). Für den vorliegenden Fall bedeutete das, dass der Versicherungsnehmer so zu stellen sei, als habe er den Altvertrag nicht gekündigt.

Fazit zum Urteil des OLG Hamm

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm zeigt, dass sich der Versicherer durch die Falschberatung bei Umdeckung einer Lebensversicherung schadensersatzpflichtig gegenüber dem Versicherungsnehmer machen kann. Besonders bei der Kapitallebensversicherung kann den Versicherer eine besondere Beratungspflicht treffen. Selbst ein Verzicht auf die Beratung kann dabei unwirksam sein.

Beruft sich der Versicherer bei der Umdeckung einer Lebensversicherung auf einen entsprechenden Beratungsverzicht und verweigert die Erstattung des Schadens, so kann die Beratung durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht durchaus sinnvoll sein. Gerne unterstützt Sie dabei auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

Wurden Sie falsch beraten?

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Rechtsanwalt erklärt, wann eine Falschberatung bei Umdeckung einer Lebensversicherung vorliegt

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