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Wahlmöglichkeit bei der Schweigepflichtentbindung (Saarländisches OLG)

Das Saarländische OLG hatte zu entscheiden, wann von einer Wahlmöglichkeit bei der Schweigepflichtentbindung ausgegangen werden kann und wie sich dies auf ein mögliches Beweisverwertungsverbot auswirkt (Saarländisches OLG, Urteil v. 26.06.2019 – 5 U 89/18).

Verweigerung der Leistung durch den Versicherer

Die Versicherungsnehmerin und ihr verstobener Ehemann unterhielten bei dem Versicherer eine Risikolebensversicherung. Der Ehemann hatte den Versicherungsvertrag für seine Frau und sich im Jahr 1999 geschlossen, um ein laufendes Immobiliendarlehen zu sichern. Die Versicherungssumme belief sich auf 85.000 DM. Der Vertrag wurde bis zum 01.10.2010 befristet.

Nachträglich wurde der Vertrag mehrmals verlängert. Zunächst am 20.09.2010 mit einer Versicherungssumme von 28.771,00 € zuzüglich eines Todesfallbonus. Im Jahr 2015 wurde der Vertrag erneut verlängert. Die Versicherungssumme wurde auf 35.000,00 € bestimmt. Im Zuge des Vertragsschlusses mussten die Versicherungsnehmer einen Fragebogen bezüglich des persönlichen Gesundheitszustands ausfüllen. Aufgrund Unklarheiten bezüglich der Angaben des Versicherungsnehmers erfolgten Nachfragen des Versicherers bezüglich bestehender Vorerkrankungen.

Der Versicherungsnehmer verstarb am 23.06.2017. Nachfolgend machte die Versicherungsnehmerin Ansprüche aus der Risikolebensversicherung geltend. Der Versicherer verweigerte die Leistung und focht den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Hilfsweise erklärte er den Rücktritt vom Vertrag aufgrund Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten oder zumindest hilfsweise wegen grob fahrlässiger Verletzung dieser an. Als Begründung gab der Versicherer an, der Versicherungsnehmer habe keine Angaben bezüglich einer Vorerkrankung gemacht. Die Informationen einer bestehenden Vorerkrankung hatte der Versicherer vom behandelnden Arzt im Zuge einer allgemeinen Schweigepflichtentbindung erhalten. Die Versicherungsnehmerin gab daraufhin neben weiteren Gründen an, dass die Angaben des betreffenden Arztes unverwertbar seien. Die Schweigepflichtentbindung sei fehlerhaft und nicht wirksam gewesen. Nachfolgend legte die Versicherungsnehmerin Klage vor dem Landgericht Saarbrücken ein. Dieses entschied zugunsten des Versicherers (LG Saarbrücken, Urteil v. 18.10.2018 – 14 O 266/17). Dagegen richtete sich die Berufung der Versicherungsnehmerin.

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Kein Anspruch aufgrund arglistiger Täuschung

Das Saarländische Oberlandesgericht wies die Berufung der Versicherungsnehmerin zurück und folgte der Auffassung des Landgerichts Saarbrücken.

Wirksame Anfechtung des Versicherungsvertrags?

Das Saarländische Oberlandesgericht stellte zunächst fest, dass der Versicherer den Vertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung des Versicherungsnehmers angefochten habe. Als Folge sei der Vertrag von Anfang an als nichtig anzusehen. Von einer arglistigen Täuschung sei auszugehen, da der Versicherungsnehmer durch die unterlassene Angabe von Vorerkrankungen den Versicherer getäuscht habe. Darin liege auch eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht.

Wahlmöglichkeit bei der Schweigepflichtentbindung?

Die Einwände der Versicherungsnehmerin bezüglich einer vermeintlich fehlerhaften Schweigepflichtentbindung seien nicht gerechtfertigt. Infolgedessen müsse auch keine umfassende Abwägung der beidseitigen Interessen der Parteien erfolgen. Diese wäre aber auch zuungunsten der Versicherungsnehmerin ausgefallen, da diese ihre vorvertraglichen Anzeigepflichten verletzt habe. Dazu stellte das Saarländische Oberlandesgericht zunächst fest, dass der Versicherungsnehmer bei der Verlängerung im Jahr 2010 eine allgemeine Schweigepflichtentbindung abgegeben habe. Diesbezüglich führte es an, dass eine solche allgemeine Schweigepflichtentbindung nicht gegen § 213 VVG verstoße (siehe dazu auch: Die Schweigepflichtentbindung in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BGH)). Die Schweigepflichtentbindung galt auch bezüglich einer Überprüfung, ob eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vorliege.

Bei Vertragsschluss habe der Versicherer dem Versicherungsnehmer zwei Möglichkeiten gegeben. Im Zuge dessen habe er den Versicherungsnehmer gefragt, ob er eine allgemeine Schweigepflichtentbindung erteilen wolle oder dies im Einzelfall bewilligen wolle. Damit sei dem Versicherungsnehmer eine ausreichende Alternative gegeben worden, wodurch dem Versicherungsnehmer die Wahrung seiner Rechte ermöglicht worden wäre. Auch seien ihm die Konsequenzen der jeweiligen Möglichkeit aufgezeigt worden. Demnach habe eine Wahlmöglichkeit bei der Schweigepflichtentbindung in Form der zwei Alternativen bestanden. Im Zuge dessen bestehe kein Beweisverwertungsverbot der Gesundheitsdaten des Versicherungsnehmers.

Das Saarländische Oberlandesgericht stellte abschließend fest, dass der Versicherungsnehmerin auch kein Schadensersatz aufgrund eines Beratungsfehlers zustehe. Es bestätigte das Urteil des Landgerichts Saarbrückens vollumfänglich.

Fazit zum Urteil des Saarländischen OLG

Das Urteil des Saarländischen Oberlandesgericht zeigt, dass mindestens zwei Wahlmöglichkeiten bei der Schweigepflichtentbindung ausreichen, um dem Versicherungsnehmer die Wahrung seiner Rechte zu ermöglichen. Infolgedessen ist die Schweigepflichtentbindung als wirksam anzusehen und führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot vor Gericht. Eine ähnliche Entscheidung erfolgte bereits durch das OLG Stuttgart (Urt. v. 21.12.2017 – 7 U 101/17; siehe auch hier: „Verwertungsverbot von Kundendaten bei Verstoß gegen § 213 VVG?).

Verlangt der Versicherungsnehmer eine allgemeine Schweigepflichtentbindung, so sollte diese immer mit Bedacht erteilt werden. Wurden bestimmte Vorerkrankungen vergessen, so kann dies eine Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflicht bedeuten. Im Zuge dessen kann der Versicherer den Vertrag anfechten und von der Leistung befreit werden. Im Zweifel kann die Beratung durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht offene Fragen klären. Gerne steht Ihnen dafür auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow zur Verfügung.

Wirft der Versicherer dem Versicherten eine Obliegenheitsverletzung vor oder lehnt die vertraglich zugesicherten Leistungen ab, so empfiehlt es sich frühestmöglich fachanwaltliche Unterstützung im Leistungsprüfungsverfahren einholen, damit keine Ansprüche vereitelt werden. Ein Fachanwalt für Versicherungsrecht kann in Berufsunfähigkeitsverfahren mit kompetenter Unterstützung den Versicherten im Leistungsfall zur Seite stehen.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt für Versicherungsrecht erklärt, ob es eine Wahlmöglichkeit bei der Schweigepflichtentbindung gibt

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