Anzeigepflichtige gesundheitliche Beeinträchtigungen im Versicherungsantrag (OLG Düsseldorf)

Das OLG Düsseldorf hatte mit der Anzeigepflichtigkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen bei Antragsfragen des Versicherers im Versicherungsantrag zu befassen gehabt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.03.1995 – 4 U 78/94).

Antragsfrage in der Lebensversicherung

Die Versicherungsnehmerin unterhielt beim Versicherer eine Lebensversicherung. Bei der Antragsstellung beantwortete der mitversicherte Ehemann die Frage „Sind Sie in den letzten fünf Jahren ärztlich untersucht, beraten oder behandelt worden?” und „Mit welchem Ergebnis?” mit „Ende 87, Routineuntersuchung, ohne Befund”.

Nachdem der Ehemann an einem mutmaßlichen Infarkttod starb, vertrat der Versicherer die Auffassung, es habe eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung vorgelegen.

Sämtliche Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen anzugeben?

Die Fragestellung im Versicherungsantrag sei unmissverständlich gewesen, so das OLG. Es sei keineswegs nur nach den letzten ärztlichen Konsultationen im letzten Fünfjahreszeitraum gefragt worden, sondern nach sämtlichen ärztlichen Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wisse, dass die Frage des Versicherers dem Zweck diene, ein Bild von den Gesundheitsverhältnissen zu gewinnen, um die Risiken abschätzen zu können.

Nicht nur die „letzte“ Untersuchung maßgeblich

Bei einem an dieser Zweckrichtung orientierten Verständnis werde es jedem Versicherungsnehmer deutlich, dass es dem Versicherer nicht nur auf die „letzte” Untersuchung ankommen könne, weil gerade diese sich ja zufällig auf eine bloße Routineuntersuchung beschränkt haben könnte, nachdem vorher eine Vielzahl schwererer Gesundheitsstörungen behandelt worden war. Deshalb sei es auch unrichtig gewesen, dass die Arztbesuche vom November 1985 und von Anfang Januar 1986 unerwähnt geblieben sind.

Nichtangabe von Befunden

Des Weiteren sei der Umstand von erheblicher Bedeutung, dass die letzten Untersuchungen vom Juli 1987 bezüglich der Ergebnisse falsch geschildert wurden. Denn diese Untersuchungen seien keineswegs „ohne Befund“ geblieben, sondern hatten eine Leberzellverfettung, eine leichte Stoffwechselstörung (Hyperlipoproteinämie Typ IV), einen grenzwertigen Blutzuckerspiegel – vom Arzt als „Glukose” eingestuft – und unverändert erhöhte MCV- und HbE-Werte ergeben, welche der behandelnde Arzt auf „persistierenden Nikotinabusus” zurückgeführt habe.

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Aufdeckungspflicht bei lang bestehender Abweichung vom Normalzustand

Der behandelnde Arzt habe diese Auffälligkeiten seinerseits mit dem Ehemann der Versicherungsnehmerin besprochen. Allerdings habe der Ehemann diese Diagnose aufdecken müssen, zumal es sich ersichtlich nicht um Bagatellen (offensichtlich belanglosen und alsbald vergangene Störungen) gehandelt habe, sondern um eine zum Teil schon lange bestehenden, mit der Lebensführung zusammenhängenden Abweichung vom Normalzustand. Insbesondere sei es nicht seine Sache gewesen, die Gefahrerheblichkeit selbst einzuschätzen. Vielmehr habe er die Einschätzung dem Versicherer überlassen müssen. Vor diesem Hintergrund sei der Beweis, dass den Antragssteller an der unrichtigen Angabe kein Verschulden getroffen hat, nicht geführt. Es könne auch nicht mit Gewissheit davon ausgegangen werden, dass der Ehemann die Ergebnisse der bei Antragsstellung erst ein Jahr zurückliegenden Untersuchungen – an deren Vornahme er sich erinnert – vergessen habe.

Versicherungsnehmerin in der Beweislast

Drüber hinaus betreffen die auf gezielte Fragen im Versicherungsantrag nicht genannten Befunde auch stets gefahrerhebliche Umstände. Es liege insbesondere auf der Hand, dass für einen Lebensversicherer die Befunde: Leberverfettung, Fettstoffwechselstörung, Blutzucker, auf Nikotinabusus hindeutende Blutwerte und Übergewicht besonders in ihrer Summierung wegen der erhöhten Gefahr von Herz- und Kreislauferkrankungen risikorelevant seien. Abgesehen davon sei die Mitteilung der tatsächlich erhobenen Befunde geeignet gewesen, den Versicherer zu Nachforschungen bei dem behandelnden Arzt zu veranlassen. Denn dann sei er darauf gestoßen, dass der Ehemann 1985 auch wegen Schwankschwindel und erhöhten Blutdrucks behandelt worden war. Hiermit liegen indizierende Umstände vor, wobei insbesondere die Bluthochdruckprobleme ebenfalls zu den Infarktrisiken zählen.

Die Versicherungsnehmerin könne somit den Beweis, dass die vorgenannten Gefahrumstände nicht (mit-)ursächlich für den mutmaßlichen Infarkttod des Ehemannes gewesen sind, angesichts der gerade in diese Richtung weisenden erhöhten, unerwähnt gebliebenen Risiken, nicht führen. Die Antwort auf die Antragsfrage sei also objektiv falsch gewesen und darüber hinaus auch unvollständig.

Fazit

Ist eine Antragsfrage auf ärztliche Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen in den letzten fünf Jahren gerichtet, so sind nicht nur die jeweils letzten, sondern sämtliche Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen im letzten Fünf-Jahres-Zeitraum anzugeben. Darüber hinaus besteht bei lange bestehender, mit der Lebensführung zusammenhängender Abweichung vom Normalzustand eine Pflicht des Antragsstellers auf Aufdeckung der Diagnosen.

Ein weiterführender Artikel zu dem Themenbereich „Antragsfragen des Versicherers“ ist nachstehend zu finden: Auslegung von Antragsfragen des Versicherers.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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