Das LG Lübeck hatte mit dem Urteil vom 15.02.1991 (AZ: 3 O 114/90) zu entscheiden, ab welcher Differenz eine Erheblichkeit der Unterversicherung in der Reisegepäckversicherung anzunehmen ist.
Der Versicherungsnehmer schloss mit dem Versicherer einen Vertrag über eine Reisegepäckversicherung ab. Diese galt für eine 17-tägige Reise des Versicherungsnehmers. Dabei bestimmte er die Versicherungssumme des Reisegepäcks auf 7.000 DM. Anschließend kam es auf dem Hinflug der Reise zum Verlust des versicherten Koffers.
Daraufhin machte der Versicherungsnehmer Ansprüche gegenüber dem Versicherer geltend. Für die Schadensregulierung gab er den Wert der abhandengekommenen Sachen an. Er erklärte, dass der Koffer samt Inhalt einen Wiederbeschaffungswert von 6805 DM habe. Daraus ergebe sich ein Zweitwert des Koffers samt Inhalt von 6068 DM. Er verlangte vom Versicherer die Schadensregulierung in Höhe des Zeitwerts.
Der Versicherer behauptete daraufhin, dass eine Unterversicherung gemäß § 75 VVG vorläge. Er erklärte, dass der Zeitwert des Koffers zuzüglich des Inhalts 5646 DM betrage. Dazu käme noch der Wert der Gegenstände, die dem Versicherungsnehmer nicht abhandengekommen seien, in Höhe von 1742 DM. Daraus ergäbe sich ein Gesamtwert von 7388 DM. Damit würde der Wert der versicherten Sachen die Versicherungssumme um 5% übersteigen. Dies stelle eine Erheblichkeit der Unterversicherung in der Reisegepäckversicherung dar. Infolgedessen verweigerte der Versicherer die vollständige Schadensregulierung. Der Versicherungsnehmer erhob daraufhin Klage vor dem Landgericht Lübeck.
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Das Landgericht Lübeck entschied zugunsten des Versicherungsnehmers.
Das Landgericht Lübeck gab an, dass die Berechnung des Gesamtversicherungswertes durch den Versicherer nicht richtig erfolgt sei. Bei der Bestimmung des Versicherungswertes müsse der Zeitwert unter Berücksichtigung eines Gebrauchsabzugs beachtet werden. Nach der Meinung des Gerichts ergab sich daraus ein maximaler Gesamtversicherungswert von 7636 DM. Bei der vereinbarten Versicherungssumme von 7000 DM ergebe dies eine Differenz von unter 9%.
Sodann führte das Landgericht Lübeck aus, dass bei einer Unterschreitung von weniger als 10% keine Erheblichkeit der Unterversicherung in der Reisegepäckversicherung angenommen werden könne. Dies ergebe sich zunächst aus der Eigenart der Reisegepäckversicherung. Grundsätzlich sei der Versicherungsnehmer selbst für die Bestimmung der richtigen Versicherungssumme verantwortlich und trage dabei auch das entsprechende Risiko einer Unterversicherung. Demzufolge müsse er bei einer Unterversicherung auch die daraus folgenden Konsequenzen gegen sich gelten lassen.
Die Bestimmung der Versicherungssumme gestalte sich bei einer Reisegepäckversicherung aber als schwierig, da der Versicherungsnehmer vorher nicht genau wisse, was er mit auf seine Reise nehme. Aufgrund dessen könne auch nicht von einer starren Grenze der Versicherungssumme ausgegangen werden. Würde eine Grenze zu starr gesetzt werden, könne das dazu führen, dass der Versicherungsnehmer aufgrund der Furcht vor einer Unterversicherung stets eine zu hohe Versicherungssumme angebe. Das würde dazu führen, dass er dauerhaft zu hohen Prämien zahlen müsse.
Das Landgericht Lübeck kam zu der Entscheidung, dass für eine Erheblichkeit der Unterversicherung in der Reisegepäckversicherung der Versicherungswert die Versicherungssumme um mindestens 10% übersteigen müsse. Dies bedeute für den fraglichen Fall, dass der Versicherer sich nicht auf das Vorliegen einer Unterversicherung berufen könne und zum vollständigen Schadensausgleich verpflichtet sei.
Das Urteil des Landgerichts Lübeck zeigt, dass nicht jede Unterversicherung den Versicherer zu einer Leistungskürzung berechtigt. Vielmehr muss auch eine Erheblichkeit der Unterversicherung vorliegen. Dabei kann auch auf die Eigenart der Versicherung abgestellt werden.
Beruft sich der Versicherer auf eine Leistungskürzung wegen einer Unterversicherung kann es daher durchaus sinnvoll sein den Rat eines im Versicherungsrecht spezialisierten Anwalts einzuholen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Einen weiterführenden Artikel dazu finden Sie auch unter: Die Unterversicherung
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