Der BGH hatte sich mit Beschluss vom 29.09.2004 (Az.: IV ZR 162/02) mit der Frage zu befassen, ob ein Versicherungsfall eingetreten ist, auf welche Tätigkeitsbereiche sich der Versicherungsschutz erstreckt und ob damit ein Beginn der Schadensminderungspflicht verbunden ist.
Die Versicherungsnehmerin beschäftigt sich mit der Planung und dem Umbau von Ofenanlagen nach einem von ihr patentierten System. Sie schloss im September 1996 einen Vertrag über „Engineering und Lieferung/Montage von Komponenten“ für die Ringschachtöfen Nr. 3 und 4. Dabei hatte sie die nach dem Umbau gegebene genaue Abgastemperatur mitzuteilen, da diese für die Planung und den Bau der von einem anderen Unternehmer einzubauende Abluftanlage wesentlich war.
Während der Umbauarbeiten am Ofen Nr. 4 gab die Versicherungsnehmerin eine maximale Abgastemperatut von 220°C an. Allerdings stellte sich kurz nach Inbetriebnahme des vollständig umgebauten Ofens heraus, dass die Abgastemperatur bei Vollastbestrieb über 300°C betrug. Bei einem Weiterbetrieb mit diesen Temperaturen wäre die Filteranlage zerstört worden mit der Folge der behördlichen Stilllegung des Ofens, eines mehrmonatigen Produktionsausfalls und stillstandbedingter Schäden an der feuerfesten Ausmauerung.
Um dies zu vermeiden, wurden nach Absprache zwischen der Versicherungsnehmerin und deren Auftraggeberin Maßnahmen zur Senkung der Abgastemperatur ergriffen. Es wurden über ein Jahr lang bei gedrosselter Produktion Umbauarbeiten u.a. an den von der Versicherungsnehmerin gelieferten Komponenten und der Abluftanlage durchgeführt. Nach Darstellung der Versicherungsnehmerin ist sie hierdurch mit Aufwendungen belastet worden, die sie als Rettungskosten zur Abwendung der Schäden gegenüber ihrem Haftpflichtversicherer geltend macht.
Voraussetzung für den Erstattungsanspruch der Versicherungsnehmerin war, dass es sich bei den Aufwendungen um solche Kosten handelte, welche die Versicherungsnehmerin bei Eintritt des Versicherungsfalles zu deren Abwendung oder Minderung ergriffen hat. Zunächst hält der BGH es daher für angezeigt, dem Begriff des Versicherungsfalls schärfere Konturen zu geben. Ob ein Versicherungsfall eingetreten oder abgewendet worden ist, hänge maßgeblich davon ab, für welches Schadensereignis aus den Tätigkeitsbereichen der Versicherungsnehmerin nach dem Vertrag Versicherungsschutz versprochen wurde.
Dies habe die Versicherungsnehmerin nicht näher ausgeführt, sondern lediglich angedeutet, dass ihr Versicherungsschutz für Schadensereignisse gewährt wird, die einen Personen- oder Sachschaden zur Folge haben. Hierzu seien nähere Darlegungen geboten gewesen, zumal die Versicherungsnehmerin Versicherungsschutz für verschiedene Bereiche ihrer gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeit genommen habe, bei denen die versicherten Risiken und der Versicherungsfall unterschiedlich geregelt sind.
Die Versicherungsnehmerin betreibe als reine Werkunternehmerin das (teilweise) Herstellen von Kalkschachtöfen mit ihren geplanten Komponenten. Dies betreffe den Bereich der Betriebshaftpflichtversicherung, die nur Personen- und Sachschäden deckt. Ansprüche wegen Vermögensschäden durch vom Versicherungsnehmer hergestellte oder gelieferte Sachen oder geleistete Arbeiten seien ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
Zudem beschäftige sich die Versicherungsnehmerin als Ingenieurbüro mit Planung und Beratung für Kalkschachtöfen (reine Fremdplanung). Hierfür seien die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflichtversicherung für Architekten und Ingenieure (BBR) und die Besonderen Vereinbarungen zur Haftpflichtversicherung für Maschinenbauingenieure (BV) maßgebend, nach denen auch reine Vermögensschäden versichert sind. Ferner bestehen die Leistungen der Versicherungsnehmerin in einer Kombination von Herstellung und reiner Fremdplanung. Diesbezüglich bestehe Versicherungsschutz für die reine Fremdplanungsleistung nach Maßgabe der BBR und der BV, also auch für reine Vermögensschäden. Es komme somit auf die Zuordnung zu diesen verschiedenen Tätigkeitsbereichen an.
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Danach sei zu klären, ob die Temperaturberechnung als Ingenieurleistung an Dritte anzusehen ist. Wäre das der Fall, wäre der Versicherungsfall mit der Bekanntgabe der falschen Abgastemperatur eingetreten und damit wären auch reine Vermögensschäden in Form von Umbaukosten und Produktionsausfallkosten gedeckt gewesen.
Die Versicherungsnehmerin habe durch die Berechnung und Bekanntgabe der Abgastemperatur ach Ansicht des BGH jedoch ngerade keine Ingenieurleistung erbracht, sondern nur die Beschaffenheit ihrer eigenen Werkleistung berechnet und mitgeteilt. Dies habe unstreitig nur dazu dienen sollen, dass die Auftraggeberin auf dieser Grundlage die Filteranlage selbst mit Hilfe eines anderen Unternehmers planen und errichten konnte. Folglich bestehe der Versicherungsschutz für reine, nicht durch einen Sachschaden verursachte Vermögensschäden nicht.
Demzufolge gehe es nur darum, ob ein Schadensereignis eingetreten war, das einen Sachschaden zur Folge hatte, oder ob die durchgeführten Maßnahmen als Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung eines versicherten Sachschadens anzusehen sind.
Es ist es kein Sachschaden und auch kein Versicherungsfall, dass die auf die zu niedrig angegebene Abgastemperatur abgestimmte Filteranlage für den Ofenbetrieb mit der tatsächlich wesentlich höheren Abgastemperatur nicht geeignet war, so der BGH. Der Ofen sei zwar dadurch mangelhaft gewesen, weil er nicht wie geplant betrieben werden konnte. Die Herstellung einer mangelhaften Sache sei aber gerade keine bedingungsgemäße Sachbeschädigung. Somit seien die Umbaukosten für den Ofen ein reiner, nicht versicherter Vermögensschaden.
Ferner handele es sich bei den Umbaukosten nicht um (echte) Rettungskosten, weil sie nicht zu dem Zweck vorgenommen wurden, einen bereits in der Entwicklung befindlichen oder unmittelbar bevorstehenden Sachschaden abzuwenden oder zu mindern. Damit steht der Versicherungsnehmerin kein Versicherungsschutz zu.
Ob bestimmte Kosten als Rettungskosten vom Versicherer zu ersetzen sind, hängt auch davon ab, wie der Versicherungsfall in den Versicherungsbedingungen definiert wird. Lehnt der Versicherer eine Übernahme der Kosten ab, kann es daher durchaus ratsam sein einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung der Versicherungsbedingungen und des individuellen Sachverhaltes zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie u.a. auch unter: Die Schadensminderungspflicht des Versicherungsnehmers
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