Verwirkung des Widerspruchsrechts in der Lebensversicherung (OLG Hamm)

Während der Laufzeit eines Lebensversicherungsvertrages kann es passiert sein, dass der Versicherungsnehmer nie über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist. Grundsätzlich führt dies dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt und der Vertrag dauerhaft auflösbar wäre. Unter welchen Umständen das Widerspruchsrecht doch verwirkt wird, klärt folgender Beschluss auf (OLG Hamm, Beschluss v. 03.06.2022 – Az. 20 U 73/22).

Sachverhalt vor dem OLG Hamm

Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines im Jahr 2004 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrags. Der Anspruch wurde 2005 zur Besicherung eines Darlehens an eine Bank abgetreten. Der Kläger erklärte 2017 den Widerspruch des Versicherungsvertrages. Er soll nicht ordnungsgemäß über ein Widerspruchsrecht belehrt worden sein und die erhaltenen Verbraucherinformationen waren unvollständig. Der Vertrag wurde nach dem sog. Policenmodell geschlossen.

Rechtliche Bewertung:

Das OLG Hamm ging nicht darauf ein, ob dem Versicherungsnehmer noch ein Widerspruchsrecht aufgrund einer unterbliebenen Belehrung zusteht. Es wurde untersucht, ob bei dem unterstellten Bestehen eines solchen Widerspruchrechts, die Ausübung überhaupt rechtmäßig wäre. Die verspätete Ausübung des Widerspruchsrechts könnte wegen widersprüchlichem Verhaltens entgegen Treu und Glauben unzulässig sein.

Bei einem nach dem Policenmodell geschlossenen Vertrag, kommt eine Verwirkung aufgrund widersprüchlichem Verhaltens im Einzelfall dann in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag in einer wirtschaftlichen Weise genutzt hat. Die Abtretung der Forderungen aus dem Versicherungsvertrag, um das Finanzierungsgeschäft zu besichern, setzt zwingend die Wirksamkeit des Lebensversicherungsvertrags voraus. Es wäre widersprüchlich, wenn der Versicherungsnehmer Forderungen aus einem wirksamen Vertrag abtritt und so dessen Wirksamkeit anerkennt und gleichzeitig die Bestandskraft des Vertrags anzweifelt.

Fazit und Hinweise für Versicherungsvermittler

Grundsätzlich kann ein Widerspruchsrecht während der gesamten Vertragslaufzeit bestehen, wenn der Versicherungsnehmer nicht belehrt worden ist. Allerdings ist die Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag in einer Weise nutzt, die dessen Wirksamkeit voraussetzt. Im Einzelfall sollte ein Fachanwalt für Versicherungsrecht mit der rechtlichen Bewertung betraut werden.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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