Das OLG Hamm hatte sich mit der Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit des DSGVO-Auskunftsanspruch zu befassen gehabt. Konkret war zu entscheiden, ob die Stufenklage in diesem Rechtsstreit zulässig ist (OLG Hamm, Beschl. v. 15.11.2021 – 20 U 269/21).
Der klagende Versicherungsnehmer unterhält bei dem beklagten Versicherer eine private Krankenversicherung. Die Parteien streiten sich um die Wirksamkeit von Prämienerhöhungen in den Krankenversicherungstarifen des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsnehmer macht im Wege der Stufenklage gemäß § 254 ZPO seinen Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit aller vom Versicherer vorgenommenen Prämienerhöhungen geltend. In diesem Zusammenhang verlangte der Versicherungsnehmer vom Versicherer zudem Auskunft nach Art. 15 DSGVO.
Das Landgericht hat die im Wege der Stufenklage gemäß § 254 ZPO geltend gemachten Klageanträge, gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit aller vom beklagten Versicherer in den Krankenversicherungstarifen des Versicherungsnehmers vorgenommenen Prämienerhöhungen als unzulässig angesehen. Zudem hat es entschieden, dass dem Versicherungsnehmer der geltend gemachte Auskunftsanspruch in der Sache nicht zusteht. Gegen diese Entscheidung legt der Versicherungsnehmer nunmehr Berufung ein.
Das OLG Hamm war einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Das Landgericht habe die im Wege der Stufenklage geltend gemachten Klageanträge zu Recht als unzulässig angesehen. Auch habe es zu Recht angenommen, dass dem Versicherungsnehmer der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nicht zusteht.
Zunächst führt der Senat aus, dass der noch nicht auf bestimmte Beitragsanpassungen konkretisierte Feststellungsantrag und der unbezifferte Zahlungsantrag des Versicherungsnehmers unzulässig seien. Grundsätzlich setze die Zulässigkeit einer Klage gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO einen bestimmten Klageantrag voraus, an dem es vorliegend fehle.
Etwas anderes folge hier auch nicht aus § 254 ZPO, meint das Gericht. Die genannten Anträge seien nicht im Wege der Stufenklage nach dieser Bestimmung zulässig. Denn es gehe dem Versicherungsnehmer nicht um die Bezifferung eines sich aus einer Rechnungslegung ohne Weiteres ergebenden Anspruchs. Vielmehr zielen die Anträge auf eine Prüfung ab, ob überhaupt ein Anspruch besteht, denn dies hänge gerade davon ab, was sich nach einer etwaigen Auskunftserteilung hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit etwaiger Begründungen ergibt.
Eine Stufenklage sei nach Ansicht des OLG Hamm aber unzulässig, wenn die Auskunft nicht dem Zweck einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll.
Die Unzulässigkeit der Stufenklage führe zwar dazu, dass ein unbestimmter Leistungsantrag als unzulässig abgewiesen werden muss. Sie habe jedoch nicht die notwendige Folge, dass die Klage, wie sie hier erhoben worden ist, insgesamt oder teilweise als unzulässig abgewiesen werden muss. Vielmehr komme eine Umdeutung in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung in Betracht, so das OLG.
Der Auskunftsantrag sei jedoch unbegründet. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergebe sich nicht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Dem Versicherer stehe ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b) DSGVO zu. Die Vorschrift führe zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ mache aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will.
Weiter führt der Senat aus, dass bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, auch der Schutzzweck der DSGVO zu berücksichtigen sei. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 zu der Verordnung ergibt, sei Sinn und Zweck des in Art. 15 DSGVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können.
Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten gehe es dem Versicherungsnehmer aber nach seinem eigenen Klagevorbringen überhaupt nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung sei vielmehr – wie sich aus der Koppelung mit den unzulässigen Klageanträgen auf Feststellung und Zahlung zweifelsfrei ergebe – ausschließlich die Überprüfung etwaiger vom Versicherer vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 VVG. Eine solche Vorgehensweise sei vom Schutzzweck der DS-GVO aber nicht umfasst, meint das OLG Hamm. Darauf, dass es sich im Übrigen jedenfalls bei standardisierten Begründungen, die – etwa als einheitliches Beiblatt – an sämtliche Versicherungsnehmer in identischer Form versandt werden, auch nicht um personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO handelt, komme es angesichts dessen hier nicht an.
Auch ein Auskunftsanspruch aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag bestehe ebenfalls nicht. Zwar könne sich aus einem Schuldverhältnis nach Maßgabe von § 241 Abs. 2 BGB auch die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung ergeben. Dies könne auch zu einer Verpflichtung des Gläubigers führen, dem Vertragspartner etwa Unterlagen für die Kreditbeschaffung oder für die Wahrnehmung von dessen steuerlichen Belangen zur Verfügung zu stellen.
Auch im Rahmen einer zwischen den Parteien bestehenden Sonderverbindung setze ein solcher Auskunftsanspruch aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Schuldner in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen habe der Kläger nicht dargelegt. Aus den ihm während der Laufzeit des Vertrages übersandten Unterlagen könne er unschwer selbst ersehen, welche Prämienanpassungen vorgenommen worden sind. Nachvollziehbare Gründe dafür, dass und warum ihm dies ausnahmsweise nicht mehr möglich sein sollte, seien nicht vorgetragen. cc)
Nach Auffassung des Senats, scheide ein Auskunftsanspruch aus § 3 Abs. 3 und 4 VVG ebenfalls aus. Dieser beziehe sich nur auf abhanden gekommene oder vernichtete Versicherungsscheine sowie auf die eigenen Erklärungen des Versicherungsnehmers, die er in Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Das sei hier aber nicht der Fall. Schließlich könne der vom Versicherungsnehmer geltend gemachte Anspruch auch nicht aus § 810 BGB hergeleitet werden. Diese Vorschrift gebe keinen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder auf Übersendung von Unterlagen.
Die Entscheidung OLG Hamm ist rechtlich nachvollziehbar und überzeugt im Ergebnis. In Anbetracht der Tatsache, dass nunmehr viele Verbraucher ihr Auskunftsbegehren auf Art. 15 DSGVO stützen, hat das Gericht den Fall juristisch präzise und zutreffend gelöst. Klargestellt hat es dabei insbesondere, wann ein solcher Anspruch rechtsmissbräuchlich ist. Rechtlich gut vertretbar sind in diesem Zusammenhang die aufgeführten Argumente im Rahmen von Sinn und Zweck der Datenschutzgrundverordnung. Mit dieser Entscheidung hat das OLG Hamm damit eine klare Linie für die Behandlung aller weiteren, vergleichbaren Fälle geschaffen.
Nachfolgend können weitere Informationen im Bereich des Informationstechnologierechts und des Datenschutzrechts nachgelesen werden: IT-Recht / Datenschutz.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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