Im Zusammenhang mit Unfallereignissen wird stets berücksichtigt, wie sich der Versicherungsnehmer verhalten und insbesondere ob er alkoholisiert war. Eine Alkoholisierung wird zumeist durch eine BAK-Messung am Unfallort protokoliert. Wie sich die Alkoholisierung auf Unfälle auswirken kann, die nicht notwendiger Weise durch eine erhöhte Blutalkoholkonzentration verursacht wurden, beleuchtet dieses Urteil (LG Tübingen, Urteil vom 15.10.2021 – 4 O 437/20).
Der geschädigte Kläger war bei der beklagten Versicherung unfallversichert. Am Unfalltag erlitt der Kläger in seiner Wohnung eine Kopfplatzwunde. Er war zu Fuß auf dem Weg in ein Sportheim. Um 18:30 Uhr fanden ihn Zeugen bewusstlos am Straßenrand liegen. Ein Notarzt wurde alarmiert. Diese konnte leichten Alkoholgeruch feststellen.
Im Krankenhaus nahm man dem Patienten eine Blutprobe ab. Die Ethanolkonzentration im Serum wurde mit 3,16 g/l gemessen. Nach der Behandlung konnte der Versicherungsnehmer sich nicht vollständig erholen und erlitt eine dauerhafte Hirnschädigung sowie eine Halbseitenlähmung.
Die Versicherung lehnte die Einstandspflicht für den Unfall ab und berief sich auf folgenden Ausschluss in Ziff. 5.1.1. der AVB: „[Ausgeschlossen ist der Versicherungsschutz für] Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen.“
Das LG Tübingen gab dem Versicherer Recht und wies die Klage ab. Wesentlich für die rechtliche Bewertung war die Frage, ob die Ausschlussklausel der Ziff.5.1.1 eingreift und der Versicherer deshalb nicht einstandspflichtig ist.
Der Kläger hat einen Unfall erlitten, denn bei dem Unfallbegriff kommt es auf das Ereignis an, das die erste Gesundheitsschädigung unmittelbar ausgelöst hat, nicht auf die jeweiligen Ursachen. Es kam somit nicht darauf an, dass der Versicherungsnehmer betrunken war, sondern darauf, dass er gestürzt ist.
Trotz des Unfalls ist der Leistungsanspruch dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch eine auf Trunkenheit zurückzuführende Ursache ausgelöst wurde. Das Krankenhaus hat die Ethanolkonzentration im Serum mit 3,16 g/l gemessen. Obwohl die Messung nicht richtlinienkonform am Unfallort erfolgte, kann der Tatrichter anhand des gemessenen Ethanolkonzentration im Krankenhaus in zulässiger Weise den Promille-Wert bis zum Zeitpunkt des Unfallereignisses zurückrechnen. Dabei wird ein Abbauwert von 0,1 Promille pro Stunde angesetzt. Der Verunfallte muss einen BAK von mindestens 2,39 Promille gehabt haben.
Die Ausschlussklausel greift damit ein, der Verunfallte war im Zeitpunkt des Unfalls stark alkoholisiert. Ab 1,1 Promille BAK gilt vergleichsweise eine absolute Fahruntüchtigkeit im Straßenverkehr. Eine Blutalkoholwertung ist auch nicht unverwertbar, nur weil sie nicht richtlinienkonform am Unfallort erfolgt ist.
Alkoholisierte Zustände können im Zusammenhang mit der Unfallversicherung häufig problematisch werden. Allerdings kann auch eine unzulässige BAK-Messung vorliegen. Im Einzelfall sollte stets ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden, um den Unfallhergang sinnvoll aufzuklären. Weitere Informationen und Rechtsprechungen sind im Bereich „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Unfallversicherung“ zusammengefasst.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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