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Zur Doppelbelehrung im Versicherungsantrag der Berufsunfähigkeitsversicherung (OLG Saarbrücken) 

Das Oberlandesgericht Saarbrücken (OLG Saarbrücken) hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob ein als Doppelbelehrung erteilter Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung im Antrag zur Berufsunfähigkeitsversicherung den formalen Anforderungen an die „gesonderte Mitteilung“ nach § 19 Abs. 5 VVG genügt (OLG Saarbrücken, Urt. v. 06.09.2023 – 5 U 87/22). 

Verschwiegene Erkrankungen im Antrag zur Berufsunfähigkeitsversicherung

Die Parteien streiten um den Fortbestand einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, aus welcher der Versicherer ohne Rücksicht auf einen von ihr erklärten Rücktritt rückwirkend Leistungen wegen Berufsunfähigkeit erbringt.

Die Klägerin ist eine GmbH. Sie beantrage am 11.11.2014 durch ihre Geschäftsführerin für diese als versicherte Person den Abschluss einer Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Der Versicherer nahm den Antrag an und fertigte am 24.11.2014 den Versicherungsschein aus. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen und die Besonderen Versicherungsbedingungen für die Rentenversicherung nach Tarif BRGV als betriebliche Altersversorgung (im Folgenden: AVB), sowie die Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (im Folgenden: BUZ) zugrunde.

Mit Schreiben vom 20.09.2018, das der Klägerin und der Versicherten jeweils am 25.09.2018 zuging, erklärte der Versicherer den Rücktritt von der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, weil die Versicherte bei Antragstellung Behandlungen wegen Reizhustens, bronchialer Hyperreagibilität seit November 2009, eines HWS-Schultersyndroms vom Juni 2012, multipler psychosomatischer Beschwerden, behandelt im April 2013 sowie die Behandlung von Rückenschmerzen im Mai 2014 nicht angegeben habe. Die Klägerin stellt eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung ihrer vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit in Abrede.

Gegen den vom Versicherer erklärten Rücktritt erhob die Klägerin Klage vor dem Landgericht Saarbrücken. Der Versicherer ist der Klage entgegengetreten und hielt den Rücktritt für wirksam. Der Versicherer behauptet, die Versicherte habe die ihr gestellten Gesundheitsfragen bewusst wahrheitswidrig verneint, indem sie ärztliche Untersuchungen wegen eines HWS-Schultersyndroms, Rückenschmerzen und multipler psychosomatischer Beschwerden, einschließlich der aus diesem Anlass erfolgten Behandlungen durch Injektionen und Medikamente, nicht angegeben habe. Die verschwiegenen Behandlungen und Untersuchungen seien auch gefahrerheblich gewesen. Bei Kenntnis dieser Umstände hätte der Versicherer den Antrag der Klägerin zum Abschluss des Versicherungsvertrages nicht angenommen. Auch sei die Versicherte über die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit formal ordnungsgemäß – im Wege einer sog. Doppelbelehrung – unterrichtet worden.

Hat die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nun weiterhin Bestand?

Das Landgericht Saarbrücken hat festgestellt, dass die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht durch Rücktritt oder Kündigung beendet worden sei und unverändert fortbestehe. Es fehle in jedem Fall an einer formal ordnungsgemäßen Belehrung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung. Die vom Versicherer verwendete Doppelbelehrung genüge zwar den inhaltlichen Anforderungen, auch sei der in Fettdruck gehaltene Hinweis unmittelbar vor den Antragsfragen für sich betrachtet noch ausreichend deutlich hervorgehoben, jedoch hebe sich der darin in Bezug genommene Anhang B, auch unter Berücksichtigung der behaupteten farblichen Gestaltung des Originalformulars, die mit den vorgelegten, optisch abweichenden Unterlagen nicht nachgewiesen sei, nicht ausreichend drucktechnisch vom übrigen Text ab und gehe darin insgesamt unter.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Versicherer mit seiner Berufung zum OLG Saarbrücken.

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OLG Saarbrücken entscheidet zur Doppelbelehrung

Die Berufung hat Erfolg und führt in der Sache zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung unter vollständiger Abweisung der Klage. Nach Auffassung des OLG Saarbrücken ist der Versicherer wirksam wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit zurückgetreten.

Das OLG Saarbrücken führte zunächst aus, dass die Klägerin als Versicherungsnehmerin ihre vorvertragliche Anzeigepflicht dadurch verletzt habe, dass sie durch ihre Geschäftsführerin als zu versichernde Person die ihr in dem Antragsformular vom 11.11.2014 gestellten Fragen nach der Gesundheit der zu versichernden Person ausnahmslos verneinte, was – in mehrfacher Hinsicht – nicht der Wahrheit entsprach.

Doppelbelehrungen sind zulässig!

Der Rücktritt des Versicherers scheitere vorliegend aber insbesondere auch nicht am Fehlen einer den Anforderungen des § 19 Abs. 5 S. 1 VVG genügenden Belehrung. Eine solche habe der Versicherer der Klägerin in dem Antragsformular ordnungsgemäß ereilt.

Weiter führt der Senat aus, dass dem Versicherer die Rechte nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG, mithin insbesondere das Rücktrittsrecht wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit, nur zustehe, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Dabei erfordere das Merkmal einer „gesonderten Mitteilung in Textform“ in diesen Fällen zwar nicht zwingend die Erteilung in Form eines gesonderten Dokuments. Vielmehr könne der gebotene Hinweis auch – wie hier – zusammen mit schriftlichen Fragen des Versicherers innerhalb eines Dokuments erteilt werden.

Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung seien die Anforderungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG in Fällen, in denen der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht in einer von sonstigen Erklärungen getrennten Urkunde auf die Folgen einer Anzeigeobliegenheitsverletzung hingewiesen hat, aber nur gewahrt, wenn die Belehrung drucktechnisch so gestaltet ist, dass sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt und vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann, so der Senat. Unter diesen Voraussetzungen seien auch sogenannte Doppelbelehrungen zulässig, in denen der Versicherer zunächst unmittelbar im räumlichen Zusammenhang mit den gestellten Gesundheitsfragen auf die möglichen Folgen der Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht allgemein hinweist und diese sodann an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen erläutert.

Bewertung der konkreten Doppelbelehrung

Im hiesigen Fall, so das OLG Saarbrücken, genüge die auf den Seiten 2 und 12 des Antragsformulars erteilte Belehrung den Anforderungen an einen rechtswirksamen Hinweis im Sinne des § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG. Sie sei inhaltlich nicht zu beanstanden, weil der Versicherungsnehmer darin zutreffend und, in Verbindung mit den Erläuterungen auf Seite 12 des Versicherungsscheins auch umfassend, über die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung unterrichtet wird.

Gleichsam seien, entgegen der Ansicht des Landgerichts, aber auch die formalen Anforderungen des Gesetzes dadurch erfüllt worden. Aufgrund des klaren, prägnant gefassten und durch Fettdruck auch ausreichend hervorgehobenen Hinweises unmittelbar vor den Antragsfragen sei die Antragstellerin bereits deutlich und unübersehbar auf die Notwendigkeit einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Beantwortung der ihr nachfolgend gestellten Fragen hingewiesen worden. Zudem sei sie ausdrücklich davor gewarnt worden, dass Verstöße unter bestimmten Voraussetzungen zur Kündigung, rückwirkenden Anpassung oder zu Rücktritt oder einer Anfechtung führen und der Versicherer in diesem Falle auch berechtig sein könne, ihre Leistungen für eingetretene Versicherungsfälle zu verweigern.

Darüber hinaus sei die Klägerin unter Verweis auf die „gesonderte Mitteilung über die Folgen einer Verletzung Ihrer gesetzlichen Anzeigepflicht in Anhang B“ mühelos zu der konkreten Textstelle in dem Antragsformular geführt, die weitere, ausführliche Erläuterungen zu diesen Rechtsfolgen enthielt. Das genügte bei der – gebotenen – Gesamtwürdigung, die entgegen der abweichenden Ansicht des Landgerichts keine isolierte Betrachtung einzelner Belehrungselemente zulässt, den Anforderungen an eine „gesonderte Mitteilung in Textform“ im Sinne des § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG. Denn der unmittelbar vor den Antragsfragen befindliche, in Fettdruck gehaltene und dadurch schon bei oberflächlicher Betrachtung ins Auge springende Hinweis habe sich ausreichend deutlich vom übrigen Text abgehoben und konnte von der Geschäftsführerin der Klägerin ebenso wenig übersehen werden wie die darin enthaltene eindeutige Verweisung auf die „gesonderte Mitteilung“ in Anhang B, abschließend der Senat.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken kann rechtlich überzeugen. Die vorliegende Entscheidung setzt Maßstäbe hinsichtlich der formalen und inhaltlichen Voraussetzungen einer Belehrung gemäß § 19 Abs. 5 VVG. Damit hat die hiesige Entscheidung überzogenen Anforderungen an das Vorliegen einer wirksamen Belehrung eine Absage erteilt. Im Ergebnis kommt es aber immer auf die konkrete Ausgestaltung der Antragsformulare im Einzelfall an. Daher kann es durchaus sinnvoll sein, auch nach einer Leistungsablehnung oder gar eines Rücktritts des Versicherers die Leistungsentscheidung des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen zum Verfahren gegenüber Berufsunfähigkeitsversicherung finden Sie unter: Berufsunfähigkeitsversicherung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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